Beschluss vom 06.07.2023 -
BVerwG 5 PKH 2.23ECLI:DE:BVerwG:2023:060723B5PKH2.23.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 06.07.2023 - 5 PKH 2.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:060723B5PKH2.23.0]
Beschluss
BVerwG 5 PKH 2.23
- VG Berlin - 12.12.2022 - AZ: 1 K 50/22
- OVG Berlin-Brandenburg - 24.01.2023 - AZ: 6 M 4/23
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juli 2023
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fenzl
beschlossen:
Die Anträge der Antragstellerin auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht A., der Richterin am Bundesverwaltungsgericht B. und des Richters am Bundesverwaltungsgericht C. wegen Besorgnis der Befangenheit werden abgelehnt.
Gründe
1 Die von der Antragstellerin im Rahmen eines Anhörungsrügeverfahrens mit Schreiben vom 8. Mai 2023 gestellten Anträge auf Ablehnung der genannten Richter des 5. Revisionssenats wegen Besorgnis der Befangenheit haben keinen Erfolg.
2 1. Über die Ablehnungsgesuche entscheidet der Senat nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO in seiner durch den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts vorgesehenen Zusammensetzung ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter.
3 2. Die Antragstellerin hat keine Gründe geltend gemacht, die geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO). Danach ist es nicht notwendig, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Andererseits reicht die rein subjektive Vorstellung eines Beteiligten, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund für die Befürchtung ersichtlich ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des Beteiligten hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2015 - 2 AV 2.15 - NVwZ 2016, 253 Rn. 7 m. w. N.). Dass ein Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts oder dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Entsprechendes gilt für die von einem Richter gewählte Gestaltung des Verfahrens (BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2016 - 5 C 10.15 D - juris Rn. 5). Stellt ein Betroffener einen Ablehnungsantrag, hat er die zur Begründung seines Antrags notwendigen Tatsachen nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen, soweit diese nicht offenkundig sind (§ 291 ZPO). Hierdurch soll das Gericht in die Lage versetzt werden, ohne den Fortgang des Verfahrens verzögernde weitere Ermittlungen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Hinsichtlich der zur Glaubhaftmachung zugelassenen Beweismittel genügt nach § 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Bezugnahme auf das Zeugnis des abgelehnten Richters, der sich nach § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat.
4 In diesem Sinne hat die Antragstellerin keine Gründe geltend gemacht, die bei objektiver Betrachtung eine Ablehnung der im Tenor bezeichneten Richter des 5. Revisionssenats wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.
5 Die Antragstellerin leitet die Besorgnis der Befangenheit daraus her, dass die abgelehnten Richter an dem Beschluss vom 12. April 2023 - 5 PKH 1.23 - mitgewirkt haben, mit dem ein Antrag der Antragstellerin, ihr für eine gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2023 noch einzulegende "Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde" Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, abgelehnt wurde. Zur Begründung der Entscheidung wird ausgeführt, dass die in dem Antrag genannten Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg böten, weil Entscheidungen eines Oberverwaltungsgerichts nur in den in § 152 Abs. 1 VwGO aufgeführten Fällen angefochten werden könnten, zu denen der fragliche Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht gehöre, mit dem die Beschwerde der Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wurde. Sollten die Ausführungen der Antragstellerin außerdem als Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zu verstehen sein, wäre diese unzulässig, weil sie bei dem Gericht zu erheben wäre, dessen Entscheidung angegriffen werde (§ 152a Abs. 2 Satz 4 VwGO).
6 Diesen Beschluss hält die Antragstellerin im Wesentlichen für mit derart groben Verfahrensfehlern (z. B. Nichterklären, warum keine Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde zulässig sein sollte und damit willkürliche Entscheidung; Fehlen einer substantiierten Begründung; Missachtung, Überspannung und Überschreitung der Grundsätze eines fairen Verfahrens) behaftet, die Ablehnung und Misstrauen rechtfertigten. Sie geht davon aus, die abgelehnten Richter hätten mit Vorsatz das tatsächliche Begehren missachtet, obwohl sie es in dem Beschluss vom 12. April 2023 zutreffend dahin erläutert hätten, dass für ein beim Bundesverwaltungsgericht noch einzulegendes Rechtsmittel gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2023 die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt werde. Dadurch liege der Verdacht einer Aliud-Entscheidung vor. Aus diesem Grund sowie wegen evidenter Sorgfaltsverletzung und des Übergehens eines Prozesskostenhilfegesuchs würden die benannten Richter abgelehnt. Darüber hinaus macht die Antragstellerin geltend, sofern das Bundesverwaltungsgericht seine Zuständigkeit für eine Anhörungsrüge verneine, hätte es diese an das zuständige Gericht verweisen müssen.
7 Dieser Vortrag rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit. Diese wird - wie dargelegt - regelmäßig und so auch hier nicht dadurch begründet, dass ein Beteiligter eine andere Rechtsauffassung als das Gericht vertritt. Daher kann aus der nach Ansicht der Antragstellerin fehlerhaften Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht auf eine Besorgnis der Befangenheit der im Tenor bezeichneten Richter geschlossen werden. Überdies erläutert der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2023 unter Ziffer 2, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung deshalb keine hinreichende Erfolgsaussicht bot, weil Entscheidungen eines Oberverwaltungsgerichts über die Ablehnung einer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ihrerseits nicht mehr (mit irgendeinem) Rechtsmittel vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können (§ 152 Abs. 1 VwGO) und die von der Antragstellerin in Aussicht genommenen Rechtsmittel daher unzulässig sind. Diese Ausführungen sind offensichtlich zutreffend. Daran ändert nichts, dass die Antragstellerin den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2023 für nichtig hält, weil er ihr Rechtsschutzbegehren verkannt habe.
8 Diesen Einwand hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings der Sache nach aufgegriffen und ist unter Ziffer 3 des Beschlusses vom 12. April 2023 vorsorglich auf eine etwaig erhobene Anhörungsrüge eingegangen. Es hat für den (lediglich) unterstellten Fall, dass die Antragstellerin ihr mit Schreiben vom 4. Februar 2023 unterbreitetes Vorbringen (auch) als Erhebung einer Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verstanden wissen möchte, zutreffend darauf hingewiesen, dass deren Zulässigkeit schon deswegen zu verneinen wäre, weil eine Anhörungsrüge bei dem Gericht zu erheben ist, dessen Entscheidung angegriffen wird (§ 152a Abs. 2 Satz 4 VwGO). Mit ihrer jetzigen Erklärung, es sei nicht um eine Anhörungsrüge gegangen, legt die Antragstellerin keinen Grund für die Besorgnis einer Befangenheit der abgelehnten Richter dar. Ebenso wenig erläutert sie mit ihrem unter Hinweis auf Rechtswegverweisungen in isolierten Prozesskostenhilfeverfahren begründeten Einwand, das Bundesverwaltungsgericht hätte ausgehend von seiner Rechtsauffassung das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht verweisen müssen, weshalb die - aus ihrer Sicht fehlerhaft - unterbliebene Verweisung der Anhörungsrüge, deren Erhebung nur angenommen wurde, die Besorgnis der Voreingenommenheit der abgelehnten Richter begründen sollte. Insbesondere zeigt die Antragstellerin keinerlei Anhaltspunkte etwa dafür auf, dass die abgelehnten Richter ihr (etwaiges) Rechtsschutzbegehren missachtet hätten oder sich ihm aus sachfremden Erwägungen nicht hätten annehmen wollen.
9 Sonstige Gründe, die eine Befangenheit der abgelehnten Richter zu begründen vermögen, sind jedenfalls nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht und dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.