Beschluss vom 24.05.2023 -
BVerwG 5 B 20.22ECLI:DE:BVerwG:2023:240523B5B20.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.05.2023 - 5 B 20.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:240523B5B20.22.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 20.22

  • VG Augsburg - 20.10.2016 - AZ: Au 2 K 14.1167
  • VGH München - 02.06.2022 - AZ: 24 B 20.2144

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Mai 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 796,94 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daraus herleiten möchte, dass "das Berufungsgericht keinen sachkundigen Gutachter zur Bewertung der Beweisfrage benannt hat, sondern in eigener Sachkunde die Patientenakte auswertete", formuliert sie schon keine konkrete Rechtsfrage im vorgenannten Sinne. Eine solche muss sich grundsätzlich auf eine bestimmte Norm des revisiblen Rechts beziehen und deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2020 - 5 B 5.20 - juris Rn. 17 m. w. N.). Abgesehen davon ist dieses Vorbringen mit der Bezugnahme auf die "Beweisfrage" und die "Patientenakte", die das Berufungsgericht be- bzw. ausgewertet hat, in einem so hohen Maße auf die besonderen Umstände des Einzelfalles zugeschnitten, dass auch deshalb eine über den Einzelfall hinausführende, verallgemeinerungsfähige Aussage nicht zu erwarten wäre.

5 Ebenso wenig genügt das weitere Vorbringen der Beschwerde, die grundsätzliche Bedeutung ergebe
"sich daraus, dass in diesen Fällen stets eine Beweisaufnahme mit mündlicher Verhandlung erfolgen muss, die Sache immer schwierig ist und nicht im vereinfachten Verfahren entschieden werden darf",
den an die Darlegung einer Grundsatzrüge zu stellenden Anforderungen. Die Beschwerde formuliert auch insoweit keine konkrete Rechtsfrage im vorgenannten Sinne, sondern beschränkt sich darauf, die Verfahrensgestaltung und materielle Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtshofs im Einzelfall als fehlerhaft zu rügen. Damit kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht aufgezeigt werden.

6 2. Die Beschwerde ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

7 Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 2. März 2016 - 5 B 62.15 - juris Rn. 2). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.

8 Sie rügt zwar, der Verwaltungsgerichtshof sei von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 2020 - 1 B 2.20 - (Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 92) abgewichen. Eine abstrakte Rechtssatzdivergenz zeigt sie jedoch im Hinblick auf diese Entscheidung nicht auf. Denn soweit sie dem vorgenannten Beschluss entnimmt,
"dass die Grenzen von § 130a Satz 1 VwGO erreicht sind, wenn ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten aufweist"
und dass "[...] insoweit die Gesamtumstände des Einzelfalles [maßgeblich sind]", bezeichnet sie keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz, den der Verwaltungsgerichtshof aufgestellt hat. Die Beschwerde beschränkt sich im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Begründung der geltend gemachten Divergenz vielmehr darauf zu behaupten, "gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht verstoßen". Damit beanstandet sie im Kern, dass der Verwaltungsgerichtshof aus den in dem Beschluss vom 21. Januar 2020 angeblich enthaltenen Rechtssätzen nicht die für zutreffend erachteten rechtlichen Schlüsse gezogen hat. Mit einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine Rechtssatzdivergenz nicht begründet werden.

9 Eine andere Bewertung ist auch nicht im Hinblick darauf angezeigt, dass die Beschwerde im Rahmen der Begründung der darüber hinaus erhobenen Verfahrensrüge unter Bezugnahme auf den vorgenannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ausführt, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die Berufung gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss zu entscheiden, sei rechtsfehlerhaft, weil sie auf sachfremden Erwägungen und einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruhe. Bei seiner Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO habe das Gericht entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht berücksichtigt, dass das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, umso stärker werde, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung sei. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Rechtssatz auf, der zu den der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 2020 entnommenen Rechtssätzen im Widerspruch steht, sondern beanstandet auch damit letztlich nur eine unzutreffende Rechtsanwendung durch den Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall.

10 3. Die Beschwerde ist nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

11 Die Beschwerde rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO zurückgewiesen, obwohl der Kläger nicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, sondern einen förmlichen Beweisantrag gestellt habe. Dies sei unter dem Blickwinkel eines fairen Verfahrens für den Kläger unzumutbar gewesen und stelle sich als eine unzulässige Überraschungsentscheidung und eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dar. Überdies sieht die Beschwerde bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens eine Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit (§ 101 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) für gegeben. Diese geltend gemachten Verfahrensmängel sind jedoch überwiegend schon nicht entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt und liegen jedenfalls in der Sache nicht vor.

12 a) Das gilt zunächst, soweit die Beschwerde das Absehen von einer mündlichen Verhandlung und die Wahl der Entscheidungsform nach § 130a VwGO als verfahrensfehlerhaft rügt.

13 Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt nicht unmittelbar ein Anspruch auf mündliche Verhandlung oder mündliche Anhörung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765/89, 1 BvR 766/89 - BVerfGE 89, 381 <391> und Kammerbeschluss vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 366/15 - NJW 2015, 3779). Dementsprechend ist das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlung kein Verfassungsgrundsatz, sondern eine - einfachrechtliche - Prozessmaxime (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 1963 - 2 BvR 629/62, 2 BvR 637/62 - BVerfGE 15, 303 <307>). Es ist grundsätzlich Sache des (einfachen) Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise rechtliches Gehör gewährt werden soll und inwieweit in einem bestimmten Verfahren ein Anspruch auf mündliche Verhandlung eingeräumt wird (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juni 2015 - 1 BvR 366/15 - NJW 2015, 3779 m. w. N.). Für das Berufungsverfahren im Verwaltungsprozess schreibt das Gesetz nicht zwingend eine mündliche Verhandlung vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2009 - 5 B 107.08 <5 PKH 3.09 > - juris Rn. 3 m. w. N.). Vielmehr liegen unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 130a VwGO die Wahl der Verfahrensart und die Form der Anhörung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765/89, 1 BvR 766/89 - BVerfGE 89, 381 <391>). Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Berufungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör wird in diesem Fall zunächst dadurch genügt, dass die Beteiligten nach § 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO vor der Entscheidung ordnungsgemäß gehört werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2009 - 5 B 107.08 <5 PKH 3.09 > - juris Rn. 3).

14 Die Regelung des § 130a VwGO, bei der es sich um eine Ausnahme von der grundsätzlich im Mittelpunkt des Berufungsverfahrens stehenden mündlichen Verhandlung handelt, verleiht dem Berufungsgericht damit unter bestimmten Voraussetzungen zwar die Befugnis, auch gegen den Willen der Beteiligten von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter der Regelung sowie auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK werden in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an das Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen jedoch strenge Anforderungen gestellt. Die nach § 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO vorgeschriebene Anhörungsmitteilung muss unmissverständlich erkennen lassen, wie das Berufungsgericht zu entscheiden beabsichtigt. Das gilt sowohl hinsichtlich der Verfahrensweise (ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss) als auch hinsichtlich der beabsichtigten Sachentscheidung (Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung). Den Beteiligten muss zu beiden Punkten Gehör gewährt werden (stRspr, vgl. etwa zuletzt BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 - 5 C 8.21 - Rn. 10 zur Veröffentlichung vorgesehen und Beschluss vom 10. Dezember 2021 - 6 B 1.21 - juris Rn. 11, jeweils m. w. N.). Demgegenüber setzt eine ordnungsgemäße Anhörung nicht voraus, dass bereits zu diesem Zeitpunkt etwa die in § 130a Satz 1 VwGO verlangte einstimmige Überzeugungsbildung des Senats vorliegen muss, auf die es erst bei der anschließenden Beschlussfassung nach § 130a VwGO ankommt (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 2000 - 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 <76> und vom 2. Februar 2023 - 5 C 8.21 - Rn. 10 zur Veröffentlichung vorgesehen).

15 Des Weiteren kann die Entscheidung des Berufungsgerichts, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung nach § 130a VwGO durch Beschluss zu entscheiden, lediglich daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Seine Entscheidung ist seitens des Revisionsgerichts dementsprechend nur zu beanstanden, wenn sie auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung beruht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213> und vom 2. Februar 2023 - 5 C 8.21 - Rn. 29 zur Veröffentlichung vorgesehen jeweils m. w. N.). Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, wird umso stärker, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung ist. Mit dem Grad der Schwierigkeit der Rechtssache wächst daher zugleich auch das Gewicht der Gründe, die gegen die Anwendung des § 130a VwGO und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen. Die Grenzen von § 130a Satz 1 VwGO sind erreicht, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten aufweist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 B 95.21 - juris Rn. 12 m. w. N.). Zudem hat das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens Art. 6 Abs. 1 EMRK mit dem Inhalt, den die Vorschrift in der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden hat, vorrangig zu beachten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 - 5 C 8.21 - Rn. 29 zur Veröffentlichung vorgesehen und Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 47.14 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 85 Rn. 5 m. w. N.). Eine mündliche Verhandlung ist im Berufungsverfahren grundsätzlich dann geboten, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht angesprochene Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich werden. Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit muss von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ausgegangen werden (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 2022 - 4 C 7.21 - ZfBR 2023, 374 Rn. 13 m. w. N.).

16 aa) Gemessen an den vorgenannten Maßstäben hat die Beschwerde zunächst nicht aufgezeigt, dass der Kläger vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht ordnungsgemäß nach § 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO angehört worden wäre.

17 Soweit die Beschwerde in diesem Sinne verstanden werden möchte, steht dem entgegen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beteiligten zu der Verfahrensweise, durch Beschluss nach § 130a VwGO zulasten des Klägers zu entscheiden, mit Schreiben vom 14. April 2022 erkennbar noch entsprechend den dargelegten gesetzlichen Anforderungen vorab gehört hat. Er hat in diesem Schreiben zwar auch um Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist gebeten, ob die Beteiligten auf eine erneute mündliche Verhandlung (gemäß § 101 Abs. 2 VwGO) verzichten. Aus seinen weiteren Ausführungen war jedoch aus der Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage des anwaltlich vertretenen Klägers ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof, wenn ein Verzicht nicht innerhalb der Frist erklärt werde, im schriftlichen Verfahren nach § 130a VwGO entschieden werde. So hat der Verwaltungsgerichtshof in der Anhörungsmitteilung vom 14. April 2022 zunächst darauf hingewiesen, er könne nach § 130a VwGO die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Im unmittelbaren Anschluss daran hat er zudem ausgeführt, nach dem bisherigen Sachstand komme hier eine solche Entscheidung in Betracht. Insbesondere hat er - obwohl er hierzu im Rahmen der Anhörungsmitteilung nicht zwingend verpflichtet war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2021 - 6 B 1.21 - juris Rn. 11 m. w. N.) – die Gründe dargelegt, die nach seiner vorläufigen Auffassung für die Beurteilung der Berufung als unbegründet wesentlich seien. Er hat dabei konkrete Mängel im tatsächlichen Vortrag des Klägers aufgezeigt, derentwegen auf der Grundlage des bisherigen Sachstandes eine Komplextherapie im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 BBhV (in der Fassung vom 8. September 2012) nicht zu bejahen sei. Zudem hat er erklärt, dass er sich hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBhV (in der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Fassung) mit höherrangigem Recht der Rechtsauffassung des vormals zuständigen Senats des Verwaltungsgerichtshofs anschließe. In der Gesamtschau hat der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der Auffassung der Beschwerde - damit aus Sicht eines objektiven Empfängers unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Berufung des Klägers als unbegründet ansehe und (jedenfalls bei Unterbleiben eines weiteren substantiierten Vorbringens bzw. eines Verzichts auf mündliche Verhandlung innerhalb der gesetzten Frist) eine Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO treffen werde.

18 Soweit dem Beschwerdevorbringen im Übrigen zu entnehmen ist, der Verwaltungsgerichtshof habe die Beteiligten aufgefordert, der Entscheidung im vereinfachten Verfahren nach § 130a Satz 1 VwGO zuzustimmen, trifft dies nicht zu. Er hat sie vielmehr darauf hingewiesen, dass sie Gelegenheit erhielten, sich zur Beurteilung der Berufung als unbegründet und zur vorgesehenen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (vgl. "hierzu") binnen einer Frist von vier Wochen ab Zustellung des Schreibens zu äußern, wodurch nicht der von der Beschwerde geltend gemachte Eindruck erweckt werden konnte, ohne Zustimmung des Klägers zum vereinfachten Verfahren werde erneut (mündlich) verhandelt. Der Kläger hat von seiner Äußerungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Der Gerichtsakte ist insbesondere kein Anhaltspunkt für das Vorbringen der Beschwerde zu entnehmen, förmliche Beweisanträge seien zuletzt mit Schreiben vom 2. Mai 2022 gestellt worden. Aus der Gerichtsakte ergibt sich vielmehr, dass sich der Kläger in dem Zeitraum zwischen Zugang der Anhörungsmitteilung vom 14. April 2022 und Erlass des angefochtenen Beschlusses gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr (schriftsätzlich) geäußert hat.

19 Dass der Kläger gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof nicht sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt hat, hinderte den Verwaltungsgerichtshof - so die Beschwerde in diesem Sinne verstanden werden möchte - ebenfalls nicht, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO zu entscheiden. Denn diese Vorschrift verleiht - wie dargelegt - dem Berufungsgericht unter den in ihr genannten Voraussetzungen die Befugnis, nach seinem Ermessen auch ohne und gegen den Willen der Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 - 5 C 8.21 - Rn. 10 zur Veröffentlichung vorgesehen).

20 bb) Der Vortrag der Beschwerde führt - gemessen an den oben aufgeführten rechtlichen Maßstäben - auch nicht darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof von dem ihm nach § 130a Satz 1 VwGO eingeräumten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht hätte.

21 Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde erschöpft sich zunächst in der pauschalen Rüge, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, beruhe auf sachfremden Erwägungen und einer groben Fehleinschätzung sowie der ebenfalls pauschalen Behauptung, die Sache sei "sowohl tatsächlich als auch rechtlich schwierig" gewesen. Hinreichend konkrete Umstände, aus denen sich ein - für die Feststellung eines Ermessensfehlers erforderlicher - außergewöhnlich hoher Schwierigkeitsgrad ergeben könnte, legt die Beschwerde nicht dar. Ihr Hinweis auf die (lange) Verfahrensdauer genügt hierfür nicht. Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerde darauf beruft, die Sache sei vom Bundesverwaltungsgericht zur Aufklärung der Sachfrage des Vorliegens einer naturheilkundlichen Komplexbehandlung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen worden, und darauf hinweist, der Verwaltungsgerichtshof habe auch im ersten Durchgang mündlich verhandelt, ohne diese Sachfrage umfassend zu thematisieren, weil es nach seiner (damaligen) Auffassung nicht darauf angekommen sei. Auch daraus lassen sich keine genügenden Anhaltspunkte für einen außergewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht oder die Komplexität des Streitfalles herleiten.

22 Schließlich lässt sich ein ermessensfehlerhaftes Absehen von der mündlichen Verhandlung - so die Beschwerde ihr Vorbringen in diesem Sinne verstanden wissen möchte - nicht damit darlegen, die offenen Fragen hätten in der mündlichen Verhandlung im Beisein des Geschäftsführers der V. Klinik geklärt werden können, den der Kläger nach den weiteren Ausführungen der Beschwerde in der mündlichen Verhandlung als Zeugen aufzurufen beabsichtigte. Denn auch dadurch wird zum einen nicht aufgezeigt, dass die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich schwierig gewesen ist. Zum anderen lassen sich daraus auch keine Hinweise darauf ableiten, dass eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren deshalb geboten gewesen wäre, weil für die Entscheidung des Berufungsgerichts neue noch nicht angesprochene Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich gewesen sind. Gleiches gilt für den Vortrag der Beschwerde, dass es aus Sicht des Klägers geboten gewesen sei, einen Sachverständigen mit der Bewertung der Patientenakte zu betrauen, weil der Verwaltungsgerichtshof dies mangels medizinischer Fachkunde nicht selbst habe vornehmen dürfen.

23 b) Keinen Erfolg hat in diesem Zusammenhang auch die Rüge der Beschwerde, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, weil er ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden habe, ohne zumindest zuvor den vom Kläger gestellten förmlichen Beweisantrag zurückgewiesen zu haben. Dem entsprechenden Vortrag des Klägers vermag der Senat nicht zu folgen.

24 Zunächst hat der Kläger weder dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass er einen "förmlichen Beweisantrag" über die Hinzuziehung eines Sachverständigen gestellt hat. Nach Aktenlage ist dies weder vor noch nach der Anhörungsmitteilung des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. April 2022 geschehen. Die Einvernahme des Geschäftsführers der Klinik als Zeugen im Hinblick auf die streitgegenständliche Frage, ob seine Behandlung die Kriterien einer naturkundlichen Komplextherapie erfülle, hat der Kläger zwar im Schriftsatz vom 9. November 2020 angeregt, sie aber nach der Zustellung der Anhörungsmitteilung am 14. April 2022 weder wiederholt noch vorgetragen, in einer mündlichen Verhandlung einen entsprechenden (förmlichen) Beweisantrag stellen zu wollen. Überdies hat der Kläger - was für eine begründete Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs Voraussetzung ist - nicht die ihm verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten ausgeschöpft, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2020 - 5 BN 5.19 - juris Rn. 41 m. w. N.). Denn er hat es - wie bereits erwähnt - versäumt, innerhalb der gesetzten Frist zum Inhalt der Anhörungsmitteilung des Verwaltungsgerichtshofs Stellung zu nehmen und sich auch nach deren Ablauf bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr geäußert. Hierzu hätte deshalb Anlass bestanden, weil die Anhörung nach § 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO ausdrücklich unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes und damit auch des Schreibens vom 9. November 2020 erfolgt ist und der Verwaltungsgerichtshof durch sein Schreiben vom 14. April 2022 (auch) zu erkennen gegeben hat, dass eine Beweiserhebung mangels eines hinreichend substantiierten Sachvortrags des Klägers nicht in Betracht komme.

25 c) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hat auch insoweit keinen Erfolg als die Beschwerde geltend macht, die vom Verwaltungsgerichtshof gewählte Entscheidungsform nach § 130a VwGO stelle sich als eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar und weiter rügt, das Berufungsgericht habe "fehlerhaft in eigener Sachkunde" entschieden und gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es den Kläger zunächst darauf hätte hinweisen müssen, dass es eine Beweisaufnahme für überflüssig halte.

26 Die Beschwerde hat eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs unter dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt. Das hinreichende Aufzeigen einer gehörsverletzenden Überraschungsentscheidung scheitert bereits daran, dass die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht dargelegt hat, zu welchen konkreten Tatsachen der Kläger einen förmlichen Beweisantrag unter Hinweis auf welches Beweismittel gestellt habe. Das gilt insbesondere auch für die nach dem Beschwerdevorbringen angeblich zuletzt mit Schreiben vom 2. Mai 2022 gestellten förmlichen Beweisanträge, für die sich überdies - wie bereits erwähnt - in der Gerichtsakte kein Anhaltspunkt findet. Sollte die Beschwerde ihre Rüge auf das im Schriftsatz vom 9. November 2020 angebotene Zeugnis des Geschäftsführers der Klinik bezogen wissen möchten, handelt es sich dabei - wie bereits erwähnt - nicht um einen förmlichen Beweisantrag, sondern um eine Beweisanregung. Abgesehen davon hat das Berufungsgericht dem Kläger - wie bereits oben erörtert - in seiner Anhörungsmitteilung der Sache nach zu verstehen gegeben, dass es eine Beweisaufnahme nicht in Erwägung ziehe und ohne eine solche zu entscheiden gedachte. Vor diesem Hintergrund konnte das Unterbleiben einer Beweisaufnahme vor der Entscheidung nach § 130a VwGO für den Kläger nicht überraschend sein. Hinzu kommt, dass der Kläger auch der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. März 2022 nicht nachgekommen ist, mitzuteilen, ob es sich bei dem auf Seite 11 des von ihm vorlegten Qualitätsberichts der V. Klinik für das Jahr 2014 genannten "Leitenden Arzt" um den Oberarzt W. handelte, der das in der Patientenakte vorhandene Schreiben vom 7. Mai 2014 an Dr. M. in K. unterzeichnet habe, und welchen "Facharzt" Herr W. zum damaligen Zeitpunkt als Titel getragen habe, und - falls es sich nicht um Herrn W. handelte - welchem Arzt ansonsten die Leitung des Klinikteams oblegen und welchen Facharzttitel dieser Arzt 2014 gehabt habe. Auch und gerade in Anbetracht dieser gesamten Umstände musste sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst sehen, im Hinblick auf frühere (vor der Anhörungsmitteilung des Verwaltungsgerichtshofs) angebrachte Beweisanregungen des Klägers von einer Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO abzusehen und stattdessen Beweis zu erheben. Aus den vorgenannten Gründen schiede auch - sofern die Beschwerde ihre Rüge so verstanden wissen möchte - eine hinreichende Darlegung der Verletzung des Aufklärungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) aus (vgl. zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen allgemein BVerwG, Beschluss vom 21. September 2011 - 5 B 11.11 - juris Rn. 15 m. w. N. sowie im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen bei der Rüge angeblich unzulässig unterbliebener Sachverständigengutachten: BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2014 - 5 B 75.13 - juris Rn. 7 m. w. N.).

27 d) An der ordnungsgemäßen Darlegung eines Verfahrensfehlers fehlt es auch, soweit die Beschwerde eine Verletzung des Rechts des Klägers auf ein faires Verfahren darin sieht, dass der Verwaltungsgerichtshof nach der Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht zur weiteren Aufklärung der Sachfrage des Vorliegens einer naturheilkundlichen Komplexbehandlung hierzu nicht (erneut) mündlich verhandelt habe. Denn im Kern wird damit - unter Heranziehung des Begriffs des fairen Verfahrens - eine fehlerhafte Verfahrensweise nach § 130a VwGO geltend gemacht. Weil eine solche - wie oben ausgeführt - nicht aufgezeigt worden ist, bestehen auch für eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelten Grundsatzes des fairen Verfahrens keine hinreichenden Anhaltspunkte.

28 e) Schließlich hat die Beschwerde - wie der Sache nach bereits aus den gesamten vorgenannten Ausführungen folgt - einen Verfahrensfehler auch insoweit nicht dargetan, als sie in der gewählten Entscheidungsform des § 130a VwGO allgemein eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) oder des Grundsatzes der Mündlichkeit (im Sinne des § 101 Abs. 1 i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sieht. Für den Fall, dass die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage des § 130a Satz 1 VwGO nicht vorlägen, verstieße zwar ein dennoch ohne mündliche Verhandlung ergehender Beschluss gegen den Mündlichkeitsgrundsatz des § 101 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO und verletzte zugleich den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 - 5 C 8.21 - Rn. 32 m. w. N. zur Veröffentlichung vorgesehen). Weil hier aber ein Verstoß des Verwaltungsgerichtshofs, nach § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, nicht aufgezeigt worden ist bzw. vorliegt, scheidet insoweit auch eine auf diesen Umstand gestützte Verletzung der vorgenannten Grundsätze aus.

29 4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

30 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.