Beschluss vom 28.08.2025 -
BVerwG 1 WB 32.24ECLI:DE:BVerwG:2025:280825B1WB32.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 28.08.2025 - 1 WB 32.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:280825B1WB32.24.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 32.24
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt, den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Sendner und den ehrenamtlichen Richter Oberleutnant Käßler am 28. August 2025 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen seine Versetzung zum X in W.
2 Der ... geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem Januar 2034 enden. Im Lauf des gerichtlichen Verfahrens wurde der Antragsteller zum Leutnant befördert. Seit November 2024 wird er beim Y in P. verwendet.
3 ... wurde der Antragsteller in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes übernommen und dem ... Offizieranwärterjahrgang zugeordnet. Zum Oktober ... wurde er für die Offizierausbildung zur ... der Bundeswehr versetzt, wo er ab Februar 2023 am Offizierlehrgang ... teilnahm. Im September 2023 wurde ausweislich einer ärztlichen Meldung für die Personalakte durch den Truppenarzt festgestellt, dass der Antragsteller nur mit erheblichen Einschränkungen verwendungsfähig ist. Daraufhin wurde er mit - hier nicht streitgegenständlichem - Bescheid vom 29. September 2023 vom Zugführerlehrgang (OL ...) abgelöst und dem ... Offizieranwärterlehrgang zugeordnet.
4 Mit der streitgegenständlichen Verfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 29. September 2023, dem Antragsteller am 4. Oktober 2023 ausgehändigt, wurde er auf einen mit A 3 bis A 8 Z bewerteten Dienstposten als Offizier in Ausbildung für ein Truppenpraktikum bis zur erneuten anteiligen Teilnahme am Zugführerlehrgang (OL ...) zum X versetzt.
5 Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit einer undatierten, am 23. Oktober 2023 bei seinem Disziplinarvorgesetzten eingegangenen Beschwerde. Ihm sei ein Rätsel, warum ausgerechnet er Teile des OL ... wiederholen müsse. Schießausbilder sei keine ATN, die er zur Erfüllung künftiger Aufträge benötige. Die Ausbildung könne er in der Truppe nachholen. Dies erfolge dort schneller als in der ... Er werde anders behandelt als Kameraden, die Ausbildungsabschnitte neben ihrer Zugführertätigkeit wiederholen durften. Sein Personalführer benachteilige und diskriminiere ihn entgegen § 1 AGG und des Soldatinnen- und Soldatengleichbehandlungsgesetzes wegen seiner ethnischen Herkunft und seines Alters.
6 Mit Bescheid vom 14. Mai 2024, ausgehändigt am 29. Mai 2024, wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Die zulässige Beschwerde sei unbegründet. Für die Versetzung gebe es ein dienstliches Erfordernis, weil der Antragsteller vom Zugführerlehrgang/Offizierlehrgang ... habe abgelöst werden müssen. Nach einer ärztlichen Mitteilung vom 18. September 2023 sei er für mindestens einen Monat erheblich eingeschränkt verwendungsfähig gewesen. Er habe auf Nachfrage des damaligen Disziplinarvorgesetzten auch keine Bereitschaft gezeigt, die Ausbildung dennoch nach eigenem Ermessen zu absolvieren. Vielmehr habe er die Verletzung zunächst auskurieren wollen. Daher habe er für die erfolgreiche Lehrgangsteilnahme wesentliche Ausbildungsabschnitte verpasst. Der Verzicht auf die Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans sei nachträglich erfolgt. Entgegen seinem Beschwerdevorbringen werde er nicht diskriminiert oder im Vergleich mit Kameraden ungleich behandelt. Eine Kameradin habe anders als der Antragsteller die Ausbildung trotz einer Verletzung nach eigenem Ermessen fortgesetzt, was der Antragsteller abgelehnt habe. Im Vergleich mit einem anderen Kameraden, der nur die Schießausbildung habe wiederholen müssen, habe er umfangreichere Inhalte des Zugführerlehrganges verpasst, die nicht in kurzen Präsenzphasen nachzuholen seien.
7 Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 4. Juni 2024 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 17. Juli 2024 dem Senat vorgelegt.
8 Zur Begründung verweist der Antragsteller auf sein Beschwerdevorbringen, welches der Wahrheit entspreche. Sein damaliger Disziplinarvorgesetzter habe ihm empfohlen, sich nach der Verletzung erst auszukurieren, und nicht erwähnt, dass er dann dem ... Offizieranwärterjahrgang zugeordnet werde. Die Absicht der Personalführung sei ihm nicht mitgeteilt worden. Er habe versucht, Verbindung aufzunehmen. Ein Kamerad werde befördert, obwohl dieser den Grundlagenlehrgang nicht bestanden habe und normalerweise hätte abgelöst werden müssen. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hege ihm, dem Antragsteller, gegenüber einen persönlichen Groll. Es habe ihm einen Schießausbilderlehrgang in W. verwehrt. Er fordere Schadlosstellung aufgrund der überlangen Verfahrensdauer.
9
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
10 Zur Begründung verweist es auf den Beschwerdebescheid. Dem Antragsteller gegenüber gebe es weder persönlichen Groll noch eine Ungleichbehandlung zu seinem Nachteil.
11 Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 1. Juli 2025 sind die Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, dass das Verfahren um die Versetzung des Antragstellers zum X durch dessen Weiterversetzung zum Y erledigt und der Antrag damit unzulässig sein dürfte. Das Bundesministerium der Verteidigung stimmt der Einschätzung zu, dass Erledigung eingetreten sei. Der Antragsteller hat von der Gelegenheit zur Stellungnahme binnen der hierfür gesetzten Frist keinen Gebrauch gemacht.
12 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
13 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
14 1. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass er die Aufhebung der streitgegenständlichen Versetzungsverfügung und des Beschwerdebescheides begehrt.
15 Klarstellend sei darauf verwiesen, dass den Gegenstand dieses Verfahrens nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 4. Juni 2024 vorgibt. Dieser richtet sich allein gegen den Beschwerdebescheid zum Aktenzeichen RO III 3 25-05-10 1372/23. Dieser vom 14. Mai 2024 datierende Bescheid betrifft nur die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 29. September 2023 (Nr. 2300485562). Soweit der Antragsteller erst im gerichtlichen Verfahren zu einem Anspruch auf Schadlosstellung vorträgt, geschieht dies ohne Zusammenhang zu der hier in Rede stehenden Verwendungsentscheidung im Kontext der den Gegenstand des Verfahrens 1 WB 33.24 bildenden Ausbildung zum Offizier und wird in diesem Verfahren geprüft.
16 2. Der Antrag ist bereits unzulässig.
17 Der Rechtsstreit um die Aufhebung der streitgegenständlichen Versetzungsverfügung hat sich erledigt, nachdem das Bundesamt für das Personalmanagement mit Verfügung Nr. 2400534594 vom 16. Oktober 2024 den weiteren Wechsel des Antragstellers zum 1. November 2024 von dem Dienstposten beim X auf einen anderen Dienstposten beim Y in P. angeordnet hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. März 2021 - 1 WB 12.21 - juris Rn. 22, vom 29. Februar 2024 - 1 WB 74.22 - juris Rn. 20 und vom 20. März 2024 - 1 WB 42.22 - juris Rn. 25). Denn damit ist Grundlage der Verwendung des Antragstellers nicht mehr die hier streitbefangene Versetzungsverfügung. Ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Verfügung ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.
18 3. Der Antrag wäre zudem auch unbegründet. Die streitgegenständliche Versetzung war nicht zu beanstanden.
19 a) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2002 - 1 WB 30.02 - juris Rn. 7 m. w. N. und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus der Allgemeinen Regelung (AR) A-1420/37 zur "Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten" ergeben. (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom 14. Dezember 2017 - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32).
20 b) Diesen Maßstäben wird die Versetzung gerecht.
21 aa) Die angegriffene Versetzung ist nicht aus formellen Gründen aufzuheben.
22 Zwar müssen nach Nr. 211 AR A-1420/37 Soldaten zu den Gründen für beabsichtigte Versetzungen angehört werden und es ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Dieses aus § 28 Abs. 1 VwVfG folgende Erfordernis ist hier nicht gewahrt. Allerdings ist die nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG mögliche Heilung im gerichtlichen Antragsverfahren erfolgt. Dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG auch für die in der angefochtenen Personalverfügung nicht enthaltene Begründung nach § 39 Abs. 1 VwVfG.
23 Auf die Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans (§§ 21, 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 SBG) hatte der Antragsteller mit E-Mail vom 30. April 2024 verzichtet. Damit war eine Nachholung, die grundsätzlich zulässig ist (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2005 - 1 WB 60.04 - juris Rn. 6 und vom 11. Januar 2007 - 1 WDS-VR 7.06 - juris Rn. 27), nicht mehr veranlasst.
24 Die sechsmonatige Schutzfrist bei Änderungen des Dienstorts (Nr. 226 Satz 2 AR A-1420/37) – deren Verletzung allerdings ohnehin nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche berühren würde (stRspr, vgl. zur Vorläufervorschrift der Nr. 602 Satz 1 ZE B-1300/46 BVerwG, Beschluss vom 26. November 2015 - 1 WB 34.15 - juris Rn. 30 m. w. N.) – galt hier nicht, da es sich um eine Versetzung im Rahmen der Ausbildung handelte (Nr. 226 Satz 4 Buchst. c AR A-1420/37).
25 bb) Die Versetzungsverfügung ist materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
26 aaa) Nach Nr. 204 Buchst. a AR A-1420/37 können Soldaten versetzt werden, wenn ein dienstliches Erfordernis besteht. Dabei ist für die Frage, ob ein dienstliches Erfordernis besteht, im Ausgangspunkt nicht die Einschätzung des Antragstellers, sondern diejenige des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden, den Haushalt bewirtschaftenden und das Personal führenden Stellen maßgeblich. Ebenso wenig ist das Gericht befugt, sich über die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus an die Stelle der Personalführung zu setzen (BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 1 WDS-VR 8.16 - juris Rn. 28, vom 7. Juni 2018 - 1 WB 32.17 - juris Rn. 28 und vom 25. Juni 2020 - 1 WB 7.20 - juris Rn. 20).
27 Hiernach bestand das dienstliche Erfordernis darin, dass die Ausbildung des Antragstellers durch ein Truppenpraktikum fortgesetzt werden sollte, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen vom OL ... an seiner bisherigen Dienststelle abgelöst werden musste. Die Ablösung vom Lehrgang war durch die Bekanntgabe des entsprechenden Bescheides vom 29. September 2023 am 4. Oktober 2023 trotz der Beschwerde des Antragstellers wirksam (vgl. § 3 Abs. 1 WBO). Die personalbearbeitende Stelle war damit berechtigt, hieraus Konsequenzen für die weitere Verwendung des Antragstellers zu ziehen. Sie war aus den im Beschluss des Senats vom heutigen Tage - 1 WB 33.24 - erläuterten Gründen zudem rechtmäßig. Objektive Anhaltspunkte für sachwidrige Erwägungen oder eine Voreingenommenheit seines Personalführers sind auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers nicht ersichtlich. Sie folgen insbesondere nicht daraus, dass ihn dieser telefonisch auf den Dienstweg verwies und nicht jeden Anruf des Antragstellers angenommen hatte.
28 bbb) Die Versetzungsverfügung ist nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil ihr ein höher zu bewertender, persönlicher Grund des Antragstellers entgegenstehen würde.
29 Nach Nr. 206 Satz 2 AR A-1420/37 kann von einer Versetzung abgesehen werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vorrangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach Nr. 208 Satz 2 AR A-1420/37 kann von einer Versetzung darüber hinaus abgesehen werden, wenn andere Gründe vorliegen, die der Person des Soldaten oder seinen privaten Lebensumständen zugerechnet werden müssen und das Absehen von der Versetzung mit dienstlichen Belangen in Einklang gebracht werden kann.
30 Dies ist hier weder ersichtlich noch substantiiert geltend gemacht.
31 4. Dem Antrag auf Einbeziehung des Vertreters des Bundesinteresses steht § 35 Abs. 1 Satz 2 VwGO entgegen. Der damit verbundene Antrag auf Öffentlichkeit geht ins Leere. Eine öffentliche mündliche Verhandlung findet gemäß § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO regelmäßig nicht statt. Hier ist sie auch nicht ausnahmsweise erforderlich. Denn der vorliegende Fall wirft nur Rechts- oder Tatsachenfragen auf, die sich unter Heranziehung der Akten und der schriftlichen Erklärungen der Beteiligten angemessen lösen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 8.22 - NVwZ-RR 2023, 153 Rn. 15). Insofern liegen Umstände vor, die ein Absehen von der mündlichen Verhandlung ausnahmsweise gestatten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 2021 - 2 WNB 2.21 - BVerwGE 173, 290 Rn. 13 und EGMR, Urteil vom 28. Mai 2020 - 17895/14, Evers/Deutschland - NJW 2021, 3441 Rn. 94 ff.).