Verfahrensinformation



Der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 ist ein im Jahre 2013 in das Vereinsregister eingetragener Verein. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) verbot ihn und acht weitere Vereine bzw. Organisationen als dessen Teilorganisationen mit Verfügung vom 22. März 2021 und löste diese auf. Es verbot zudem die Verwendung ihrer Kennzeichen sowie ihre Internetauftritte, beschlagnahmte deren Vermögen, zog dieses zugunsten des Bundes ein, ordnete die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen und Forderungen Dritter sowie die sofortige Vollziehung mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen an. Zur Begründung führte das BMI an, dass der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 einschließlich seiner Teilorganisationen gemäß Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG den Strafgesetzen zuwiderlaufende Zwecke und Tätigkeiten verfolge und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. Er habe mit seinen Teilorganisationen Gelder gesammelt und mit seinem Geflecht aus Vereinen und Einzelpersonen nicht nur humanitäre Projekte verwirklicht, sondern insbesondere terroristische Organisationen in Syrien, dem Gazastreifen und Somalia unterstützt sowie deren verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.


Gegen die Verbotsverfügung haben der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 sowie zwei als dessen Teilorganisationen eingeordnete Vereine (Az. BVerwG 6 A 2.21 und 6 A 4.21) bei dem hierfür erst- und letztinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Der Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 macht geltend, lediglich vier der in der Verfügung genannten Vereine seien seine Teilorganisationen, nicht aber die anderen Organisationen, zu denen auch die Kläger in den beiden anderen Verfahren zählten. Es lägen keine Verbotsgründe vor. Er verwirkliche in zahlreichen Ländern humanitäre Projekte, die allen Menschen zugutekämen. Er unterstütze keine terroristischen Vereinigungen im Ausland. Die beiden anderen Kläger machen mit ihren Klagen jeweils geltend, sie seien keine Teilorganisationen, sondern gegenüber dem Kläger im Verfahren BVerwG 6 A 3.21 selbständige Vereine.


Die Verfahren BVerwG 6 A 2.21 und BVerwG 6 A 4.21 sind am 7. Juli 2023 entschieden worden (siehe PM Nr. 57/2023 und PM Nr. 58/2023).


Pressemitteilung Nr. 61/2023 vom 21.08.2023

Vereinsrechtliches Verbot von Ansaar International e. V. bestätigt

Das mit Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 22. März 2021 ausgesprochene Verbot von Ansaar International e. V. ist rechtmäßig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der klagende Verein ist als Hilfsorganisation weltweit tätig. Mit der genannten Verfügung verbot das BMI den Kläger mitsamt acht Teilorganisationen, weil er mit seinen Zwecken und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufe und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung richte. Begründet wurde dies zum einen mit der Unterstützung terroristischer Vereinigungen. Der Kläger sammle Spendengelder. Damit verwirkliche er - teilweise auch über seine Teilorganisationen - humanitäre Projekte in den Herrschafts- und Einflussbereichen der Jabhat al-Nusra (al-Nusra) bzw. Hai´at Tahrir al-Sham (HTS) in Syrien, der HAMAS im Gazastreifen und der Al-Shabab in Somalia. Dies sei nur mittels Geldzahlungen und Ablieferung von Hilfsgütern an diese Organisationen möglich. Des Weiteren unterstütze er die al-Nusra bzw. HTS mit der Lieferung militärischer Ausrüstungsgegenstände und Geld für Waffenkäufe. Er erfülle damit den Straftatbestand der Terrorismusunterstützung und wegen der zugleich vorliegenden Identifizierung mit den Zielen dieser Terrororganisationen die Verbotstatbestände der Strafgesetzwidrigkeit sowie des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Zum anderen begründete das BMI das Verbot des Klägers mit dessen Missionierungstätigkeiten im In- und Ausland, mit denen er sich sowohl gegen den Gedanken der Völkerverständigung als auch die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Kläger habe im Inland zwischen 2013 und 2015 Benefizveranstaltungen durchgeführt, auf denen islamistische Prediger aufgetreten seien, die für den politischen und jihadistischen Salafismus stünden. Er vertreibe darüber hinaus islamistische Bücher über seine Teilorganisation Ummashop, in denen die Errichtung des Kalifats und die Durchsetzung der Scharia propagiert würden. Seine Missionierungstätigkeit in den von ihm etwa in Ghana betriebenen Waisenhäusern und Schulen habe ebenfalls eine salafistische Ausrichtung. Gleiches gelte für die von ihm betriebene und finanzierte Hadith- und Koranakademie in Bursa (Türkei).


Der Kläger hat gegen die Verbotsverfügung Klage erhoben und geltend gemacht, er verwirkliche keine Verbotsgründe. Mit Ausnahme von vier in der Verfügung aufgeführten Organisationen, die er gegründet habe, um nach der Schließung seiner Konten weiter Spenden auf Girokonten sammeln zu können, seien die anderen Organisationen nicht in sein Vereinsgeflecht eingegliedert. Deren Verhalten könne ihm nicht zugerechnet werden. Dies gelte insbesondere für die Vereine WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e. V. (WWR) und Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e. V. (SKIB). Mit seinen humanitären Projekten unterstütze er keine Terrororganisationen. Ebenso wenig liefere er Ausrüstungsgegenstände und Geld für Waffenkäufe an die al-Nusra. Seine Missionierungstätigkeit habe keine islamistische Ausrichtung, sondern sei von der Religionsfreiheit gedeckt. Angesichts seiner weltweiten humanitären Hilfeleistungen sei das Verbot zudem unverhältnismäßig.


Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich entscheidet, hat keinen Erfolg. Die Beklagte ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger, der seit seiner Gründung im Jahre 2012 bis zum Erlass der Verbotsverfügung weit über 30 Millionen Euro an Spendengeldern vereinnahmt hat, sämtliche Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt. Zu diesem Ergebnis ist das Gericht nach fünftägiger Verhandlungsdauer einschließlich einer umfangreichen Beweisaufnahme gelangt.


Der Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit ist gegeben, weil der Kläger terroristische Vereinigungen unterstützt hat. Bei humanitären Hilfeleistungen in terroristisch kontrollierten Krisengebieten ist das nur anzunehmen, wenn mit den Hilfeleistungen der Tatbestand der Unterstützung terroristischer Vereinigung verwirklicht wird und die Hilfeleistungen nicht die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit achten. Neutralität und Unparteilichkeit der Hilfeleistungen fehlen jedenfalls dann, wenn sich die Hilfsorganisation mit den Zielen der in dem Krisengebiet herrschenden Terrororganisation identifiziert. Das ist beim Kläger der Fall.


Mit seinen humanitären Projekten wie der Lieferung von Krankenwagen, der Verteilung von Lebensmitteln, dem Bau und Betrieb von Schulen und Krankenhäusern im Dominanzbereich der al-Nusra bzw. HTS in Syrien sowie - mithilfe seiner Teilorganisation SKIB (vgl. Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21) - der Al-Shabab in Somalia hat er diese Vereinigungen unterstützt. Derartige Hilfeleistungen sind ohne Geldzahlungen bzw. die Ablieferung von Hilfsgütern an diese Terrorgruppen unmöglich. Schließlich identifizierte sich der Kläger mit den Zielen von al-Nusra bzw. HTS und Al-Shabab, vor allem mit der Errichtung eines Gottesstaats - verbunden in Bezug auf die al-Nusra zugleich mit der Vernichtung Israels - und mit der Einführung der Scharia. In Bezug auf den Gazastreifen erfüllte zwar nicht der Kläger, aber die Vereinigung WWR mit ihren dortigen Projekten den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Denn WWR unterstützte einen Sozialverein der HAMAS und damit die HAMAS unmittelbar. Das Verhalten des WWR muss sich der Kläger für den Zeitraum von 2016 bis März 2019 zurechnen lassen, weil WWR währenddessen eine Teilorganisation des Klägers gewesen ist (vgl. Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 4.21). Im Übrigen hat der Kläger auch deshalb strafgesetzwidrig gehandelt, weil er die Terrororganisation al-Nusra - über die Zahlung generell verlangter Zwangsabgaben hinaus - mit im Ausland beschafften Geräten sowie mit nach Syrien transferierten Geldern aktiv unterstützt hat.


Die vorstehend aufgeführten Aktivitäten des Klägers erfüllen zugleich den Verbotsgrund des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Dieser Verbotsgrund ist darüber hinaus gegeben, weil der Kläger eine auf die Errichtung eines Gottesstaats und die Einführung der Scharia - notfalls auch mittels Gewalt - gerichtete Missionierungstätigkeit ausgeübt hat. Diese fand sowohl in Ghana in seinem Waisenhaus und der angegliederten Schule sowie an der von ihm betriebenen Hadith- und Koranakademie in Bursa (Türkei) statt. Ziel der Akademie ist es, Prediger in einem fundamentalistisch-islamistischen Sinne auszubilden, die als Multiplikatoren in ihre Heimatländer zurückkehren und dort dieses Gedankengut propagieren sollen. Aus diesem Grunde richtet er sich zudem gegen die verfassungsmäßige Ordnung, soweit die ausgebildeten Prediger auch in Deutschland tätig werden sollen.


Die Aktivitäten, mit denen er die Verbotsgründe erfüllt, prägen den Kläger. Auch wenn er zahlreiche humanitäre Projekte durchführt, die nicht im Zusammenhang mit der Verwirklichung von Verbotsgründen stehen, lassen seine Unterstützung terroristischer Vereinigungen sowie seine Missionierungstätigkeit den Schluss zu, dass er maßgeblich auf diese ausgerichtet ist. Der Kläger hat die von ihm eingeworbenen Spenden in erheblichem Umfang für diesen Teil seiner Aktivitäten eingesetzt. Mildere Mittel als das ausgesprochene Vereinsverbot sind angesichts des vom Kläger aufgebauten umfangreichen Vereinsgeflechts nicht ersichtlich.


BVerwG 6 A 3.21 - Urteil vom 21. August 2023


Urteil vom 21.08.2023 -
BVerwG 6 A 3.21ECLI:DE:BVerwG:2023:210823U6A3.21.0

Erfolglose Klage einer Vereinigung gegen ihr Verbot

Leitsätze:

1. Auf die Klage einer Vereinigung gegen ihr Verbot umfasst die gerichtliche Prüfung in materiell-rechtlicher Hinsicht insbesondere die Verwirklichung von Verbotsgründen. Sie erstreckt sich inzident auf die Einbeziehung von Teilorganisationen in das Verbot, soweit deren Verhalten für die Verwirklichung von Verbotsgründen maßgeblich ist.

2. Die verbotene Vereinigung muss sich das Verhalten ihrer Teilorganisation zurechnen lassen; dies gilt auch dann, wenn eine Teilorganisation zugleich selbst ohne Wissen und Wollen des Gesamtvereins einen Verbotstatbestand des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt.

3. Das Handeln einer Vereinigung mit humanitärer Zielsetzung kann unter die Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG fallen, wenn die Hilfeleistungen selbst den allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit des humanitären Völkerrechts widersprechen (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160). Hiervon ist auszugehen, wenn sich die verbotene Vereinigung mit den Zielen derjenigen Terrororganisation identifiziert, in deren Gebiet sie die humanitäre Hilfe erbringt.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und 2
    VereinsG §§ 2, 3, 10, 11, 12, 17 Nr. 1 und 3
    GmbHG § 5a
    VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 2, § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1, §§ 121, 154 Abs. 1, § 173 Satz 1
    ZPO § 256 Abs. 2
    RL (EU) 2017/541 Art. 1, 18 lit. d)
    VwVfG § 28 Abs. 2 Nr. 1
    AO § 51 Abs. 3 Satz 2
    EMRK Art. 11
    EU-GrCh Art. 12, 52 Abs. 3
    StGB § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 21.08.2023 - 6 A 3.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:210823U6A3.21.0]

Urteil

BVerwG 6 A 3.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni, 27. Juni, 5. Juli, 15. August und 16. August 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
am 21. August 2023 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein eingetragener Verein, wendet sich gegen die Verfügung des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 22. März 2021, mit der er und acht weitere Organisationen als seine Teilorganisationen verboten werden.

2 Der im Jahr 2012 unter dem Namen Ansaar Düsseldorf e. V. gegründete Kläger wurde am 7. Februar 2013 in das Vereinsregister eingetragen. Im September 2014 beschloss die Mitgliederversammlung die Umbenennung in Ansaar International e. V. Seit der Gründung ist Herr K., genannt ..., Vorsitzender des Klägers. Stellvertretende Vorsitzende war zunächst Frau W. R., die Ehefrau von Herrn K., und sodann seit Ende 2016 Frau T. A., die Schwägerin von Herrn K. Die weiteren Vorstandsämter wurden zuletzt seit 2014 von Herrn Ch. (Schriftführer) und Herrn B. (Finanzverwalter) wahrgenommen.

3 Gemäß § 1 der Vereinssatzung i. d. F. vom 19. September 2014 verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige mildtätige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Genannt werden die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die Förderung der Religion, die Hilfe für Flüchtlinge, Vertriebene, Kriegsopfer und Katastrophenopfer sowie die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz und des Völkerverständigungsgedankens. Verwirklicht werden seine Zwecke nach der Satzung insbesondere durch Waisenkind-Patenschaften, Hilfsgüter-Lieferungen, Lebensmittelverteilungen und die Finanzierung von gemeinnützigen Einrichtungen wie Waisenschulen und -häuser. Des Weiteren will der Kläger mithilfe von Infoständen die Religion fördern und Vorurteile abbauen. Gemäß § 2 der Satzung ist der Kläger selbstlos tätig und verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Zwecke. Das Vereinsvermögen soll im Falle seiner Auflösung oder des Wegfalls der steuerbegünstigten Zwecke nach § 13.2 der Satzung an das "Somalische Komitee e. V." gehen.

4 Der Kläger betreibt vor allem in Deutschland verschiedene Sammelstellen bzw. Spendentaxis für Sach- und Geldspenden und hat Teams in verschiedenen deutschen Städten, die für ihn auf Facebook werben und Spenden sammeln. Auf seiner Internetseite bezeichnet sich der Kläger selbst als muslimisch geprägter Hilfsbund, der insbesondere Menschen in Kriegs- und Krisengebieten unabhängig von ihrem Glauben humanitär unterstützt.

5 Das BMI leitete gegen den Kläger ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren ein. Im Zuge dessen wurden am 10. April 2019 die Büroräume des Klägers und weitere Objekte durchsucht. Dort aufgefundene Gegenstände, Unterlagen und Gelder wurden sichergestellt und beschlagnahmt.

6 Mit am 5. Mai 2021 zugestellter Verfügung vom 22. März 2021 stellte das BMI fest, dass der Kläger einschließlich seiner acht Teilorganisationen WWR-Help.WorldWide Resistance-Help e. V. (WWR), Aktion Ansar Deutschland e. V. (Aktion Ansar), Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e. V. (SKIB), Frauenrechte ANS.Justice e. V. (ANS), Änis Ben-Hatira Help e. V./Änis Ben-Hatira Foundation (Ben-Hatira Help), Ummashop Düsseldorf (Ummashop), Helpstore Secondhand UG (Helpstore) und Better World Appeal e. V. (BWA) den Strafgesetzen zuwiderlaufende Zwecke und Tätigkeiten verfolgt und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet (Ziff. 1). Es verbot den Kläger sowie die Teilorganisationen und löste sämtliche Vereine und Unternehmen auf (Ziff. 2). Neben der Verwendung ihrer Kennzeichen (Ziff. 3) verbot es zudem unter Ziff. 4 ihre Internetauftritte einschließlich deren Bereitstellung, Hosting und weitere Verwendung. Mit Ziff. 5 beschlagnahmte es das Vermögen des Klägers und seiner Teilorganisationen und zog es zugunsten des Bundes ein. Darüber hinaus ordnete das BMI die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen und Forderungen Dritter nach Maßgabe der Ziff. 6 und 7 sowie unter Ziff. 8 die sofortige Vollziehung mit Ausnahme der Einziehungsanordnungen an.

7 Zur Begründung führte das BMI im Wesentlichen aus, der Kläger nutze ein Geflecht aus Vereinen und Einzelpersonen, um Spenden zu generieren, welche er nicht nur für humanitäre Zwecke, sondern insbesondere zur Unterstützung terroristischer Organisationen verwende. Der Vorsitzende des Klägers sei die zentrale Figur, die nicht nur die Aktivitäten des Klägers, sondern auch der Teilorganisationen steuere. Der Kläger habe die als Teilorganisationen anzusehenden Vereine und Unternehmen genutzt, um wegen der Kündigung seiner Konten und nach Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit am 12. Oktober 2015 aufgrund seiner Erwähnung im damaligen Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen auf neue Strukturen zugreifen und weiterhin Spenden sammeln zu können. Hierzu habe er einige seiner Teilorganisationen selbst gegründet und andere Vereinigungen faktisch übernommen. Die Teilorganisationen seien tatsächlich in die Gesamtorganisation des Klägers eingebunden.

8 Die Vereinigungen Aktion Ansar, BWA und ANS seien Teilorganisationen, weil der Kläger sie zu dem Zweck der Eröffnung von Girokonten gegründet habe. Sie wiesen enge personelle Verflechtungen zum Kläger auf, weil deren Vorstandsmitglieder Mitarbeiter des Klägers seien oder in verwandtschaftlichen Beziehungen zu dessen Vorsitzenden stünden. Ihre organisatorische und finanzielle Verflechtung ergebe sich vor allem daraus, dass diese Vereinigungen dem Kläger Konten zur ausschließlichen Nutzung überließen, über die er Spenden sammeln und Gelder transferieren könne. Entsprechendes gelte für die von dem Kläger gegründete Helpstore Secondhand UG.

9 Zu den Teilorganisationen gehöre des Weiteren die Vereinigung WWR, die dem Kläger ebenfalls einige Konten zur ausschließlichen Nutzung überlassen und ihn in die Lage versetzt habe, in ihrem Namen Spendenquittungen auszustellen und Verträge abzuschließen. Die Schwiegermutter von Herrn K., Frau N. R., sei Vorstandsmitglied des WWR gewesen. Der Kläger habe zahlreiche Unterlagen des WWR besessen und spätestens ab Juli 2017 die Buchhaltung des WWR übernommen. Ab November 2017 habe er auch Einfluss auf die originären Vereinsaktivitäten des WWR im Sinne eines Über-/Unterordnungsverhältnisses ausgeübt. WWR habe für den Kläger zahlreiche Rechnungen, die wirtschaftlich dem Kläger zuzuordnen seien, erhalten und deren Bezahlung übernommen. Die Vorsitzende des WWR habe ihre Kernaufgaben verloren. WWR werde von den Verantwortlichen des Klägers federführend und organisatorisch geleitet.

10 Eingebunden in die Gesamtorganisation des Klägers sei auch der Verein SKIB. Der Kläger unterstütze diese Vereinigung seit 2012 im Rahmen gemeinsamer Projekte in Somalia. Aufgrund der Zusammenarbeit habe SKIB sein jährliches Spendenvolumen von etwas mehr als 3 000 € im Jahr 2009 auf knapp 638 000 € im Jahr 2018 steigern können. Die Abhängigkeit von dem Kläger werde durch erhebliche Geldzuflüsse belegt, die aus dem Vereinsgeflecht um den Kläger getätigt würden; zwischen 2015 und 2018 habe dieser Anteil ca. 60 Prozent der Gesamtspendeneinnahmen von SKIB betragen. Diese Teilorganisation habe den Kläger in die Lage versetzt, ein Konto von SKIB für die Generierung von Spendengeldern zu nutzen und Spendenbescheinigungen im Namen von SKIB auszustellen. Letzteres sei dem Kläger aufgrund der Aberkennung seiner Gemeinnützigkeit selbst nicht mehr möglich gewesen.

11 Die Teilorganisationseigenschaft von Ben-Hatira Help ergebe sich daraus, dass der Vorsitzende und ein Mitarbeiter des Klägers im Vorstand jenes Vereins gewesen und beide Vereinigungen organisatorisch und finanziell verbunden seien. Ben-Hatira Help werbe für dieselben Projekte wie der Kläger und verwirkliche mit diesem gemeinsame Projekte im Gazastreifen. Auf dem Konto von Ben-Hatira Help habe es Geldzuflüsse und -abflüsse mit Bezug zu den anderen Teilorganisationen des Klägers gegeben. Der Kläger habe Kontozugangsdaten und weitere Unterlagen von Ben-Hatira Help besessen. Im Falle der Auflösung von Ben-Hatira Help gehe das Vereinsvermögen an SKIB.

12 Bei dem Ummashop handele es sich um ein Ladenlokal in Düsseldorf, in welchem unter anderem Kleidung der Marke des Klägers namens "Ansaar Clothing" sowie "traditionelle" muslimische Produkte vertrieben würden. Er sei eine Teilorganisation, weil seine Gewinne vollständig den Projekten des Klägers zugutekämen. Zwischen der ehemaligen Geschäftsführerin des Ummashops und dem Vorsitzenden des Klägers bestünden familiäre Beziehungen. Strukturelle Verbindungen würden dadurch sichtbar, dass sich auf dem Computer der ehemaligen Geschäftsführerin Dokumente einschließlich Abrechnungen mit Bezug zum Kläger und seinen Teilorganisationen befunden hätten. Zudem sei der Kläger im Besitz der Kontozugangsdaten des Ummashops. Neben dem Ummashop verkaufe der Kläger unter anderem Kleidung im Internet über den von ihm betriebenen Charityshop.

13 Der Kläger verwirkliche mit seinen Teilorganisationen sämtliche Verbotstatbestände. Durch gegenseitige familiäre und finanzielle Abhängigkeiten sei bewusst eine Organisationsstruktur geschaffen worden, die allein dem Zweck gedient habe, Geldflüsse zu verschleiern. Die Gelder würden zu großen Teilen terroristischen und extremistischen Organisationen zugeführt. Die Spendensammlungen des Klägers seien in der Absicht erfolgt, die Gelder an terroristische Vereinigungen im Ausland weiterzugeben, insbesondere an die Jabhat al-Nusra li-ahli ash-sham (Hilfsfront für das Volk Großsyriens; nachfolgend: JaN), die Harakat al-Muqawama al-Islamiya (HAMAS) sowie die Harakat al-Shabab al-Mujahidin (Al-Shabab). Hierzu habe sich der Kläger des Netzwerks von Vereinen und Organisationen bedient, die er gesteuert habe. Zudem verbreite der Kläger in verschiedenen Staaten weltweit extremistisch-salafistische Inhalte.

14 Die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers liefen den Strafgesetzen zuwider. Der Kläger unterstütze mithilfe seiner Teilorganisationen fortlaufend terroristische Vereinigungen im Ausland (§§ 129a, 129b StGB). Die Unterstützung liege in direkten Geldzuflüssen oder in scheinbar karitativen Projekten, die unmittelbar zum Wirkungskreis der terroristischen Vereinigungen zählten. Gerade letzteres sichere den terroristischen Vereinigungen Macht und Dominanz in der jeweiligen Region, erleichtere die Rekrutierung von Aktivisten und erspare ihnen Geld, welches sie für die Realisierung von Straftaten verwenden könnten.

15 Der Kläger generiere Gelder aus Bargeldspenden, Online-Spenden und Spenden durch Überweisungen. Vielen Einzahlungen in kleineren Beträgen auf seinem Konto bei der Postbank in den Jahren 2013 und 2014 in Höhe von insgesamt 1,7 Millionen € hätten 33 Barabhebungen von 1,17 Millionen € gegenübergestanden, sodass die Mittelverwendung insoweit nicht habe nachvollzogen werden können. Weitere Gelder seien von dem Konto innerhalb des Vereinsgeflechts oder ins Ausland transferiert worden. Nach Schließung dieses Kontos habe der Kläger Spenden in bar und über seine Teilorganisationen sowie Privatpersonen eingenommen und diese zwischen den Teilorganisationen und ins Ausland transferiert. Eine Auswertung der beschlagnahmten Bankunterlagen habe einen tatsächlich erwirtschafteten Gesamtumsatz zwischen 2016 und 2019 von mindestens 11,355 Millionen € ergeben, wobei die tatsächlich eingenommenen und abfließenden Gelder aufgrund der vielen Überweisungen zwischen den verbotenen Vereinigungen nicht beziffert werden könnten. Die Geschäftsvorgänge widersprächen dem Prinzip einer transparenten Buchhaltung. Der Vorsitzende des Klägers habe im Jahr 2019 angegeben, eine Summe von 30 bis 40 Millionen € an Spendengeldern generiert zu haben.

16 Mit diesen finanziellen Mitteln habe der Kläger zum einen die 2011 gegründete terroristische Vereinigung JaN in Syrien unterstützt, die dort Gebiete militärisch kontrolliere. Die Provinzen Aleppo und Idlib hätten 2013 und 2014 zum Einfluss- und Operationsgebiet dieser Terrororganisation gezählt. Mittlerweile sei die JaN in der am 28. Januar 2017 gegründeten "Hai'at Tahrir al-Sham" (HTS) aufgegangen, die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation gelistet werde. Der Kläger sei seit seiner Gründung in den Provinzen Aleppo und Idlib aktiv gewesen. Ohne Absprachen zu Hilfsgütern mit den dort herrschenden Widerstandsgruppen und der Leistung von Zahlungen an diese hätte sich der Kläger dort nicht bewegen können. Auch heute noch sichere sich HTS auf diese Weise Einnahmen, um die eigenen Strukturen finanzieren zu können. Zudem gebe es Hinweise auf eine anderweitige Unterstützung der JaN durch den Kläger, etwa durch Lieferung von Kampfausrüstung nach Syrien. Dessen Vorsitzender habe in den Jahren 2015 bis 2018 laufend Kontakt mit dem salafistischen Aktivisten D. gehabt, der für Projekte des Klägers als Vermittler aufgetreten sei und mit der JaN sympathisiere. Auch der Kläger sei ideologisch der JaN zuzuordnen, was durch Aussagen in Videos sowie Spendenaufrufe bestätigt werde. Anhaltspunkt hierfür sei auch der Kauf eines Grundstücks in der Provinz Aleppo zu einer Zeit, in der sowohl die JaN als auch die Vorgängerorganisation des IS dort aktiv gewesen seien. Der Kläger habe Hilfsgüter gezielt in die von der JaN beherrschten Gebiete geliefert, was dieser Terrororganisation zugutegekommen sei.

17 Zum anderen unterstütze der Kläger mit den eingenommenen Spendengeldern die HAMAS, die seit 2003 auf der EU-Terrorliste geführt werde. Er verwirkliche im Gazastreifen scheinbar karitative Projekte wie die Bereitstellung dauerhafter Elektrizität durch Stromspeichersysteme. Hierzu bediene sich der Kläger vor Ort der "Childhood Welfare Association" (CWA). Bestandteil des Elektrizitätsprojekts sei die "Mahmud Abul Khair Moschee" im nördlichen Gazastreifen, die den Qassam-Brigaden und damit dem militärischen Arm der HAMAS zuzurechnen sei. Ebenfalls aktiv im Gazastreifen sei die Teilorganisation WWR, die persönliche Kontakte zur HAMAS aufgebaut und diese finanziell durch die Weiterleitung von Spendengeldern gefördert habe. Es bestehe eine enge Kooperation zwischen WWR und der Islamic Society Jabaliya (ISJ), die ein Sozialverein der HAMAS sei. Darüber hinaus habe WWR im Rahmen von Vereinbarungen Spendengelder an andere Organisationen im Gazastreifen wie der El-Adham-Charitable Association und der Nour El-Marifa Association weitergeleitet, die der HAMAS zuzurechnen seien. Die Unterstützung der HAMAS durch WWR sei dem Kläger zuzurechnen, der Kenntnis von dieser Kooperation gehabt habe.

18 Schließlich fördere der Kläger zusammen mit SKIB in Somalia die terroristische Vereinigung Al-Shabab, die den Süden dieses Landes seit 2010 kontrolliere. Obwohl Hilfsorganisationen dort nur sehr schwer Zugang erhielten, sei es SKIB und dem Kläger möglich, in diesem Teil Somalias Hilfe zu leisten. Hilfsprojekte könnten nur im Falle von Geldzahlungen an Al-Shabab verwirklicht werden, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger und SKIB mit dieser Terrororganisation zusammenarbeiteten. Indiz hierfür sei die nicht belegte Mittelverwendung durch SKIB. So seien die Angaben von SKIB über Zahlungen an den dortigen Kooperationspartner "Tawakal Emergency and Development Organization" (TEDO) nicht nachvollziehbar. Bescheinigungen von TEDO über die Mittelverwendung in Somalia seien gefälscht.

19 Der Kläger und WWR seien sich bewusst, dass sie mit terroristischen Vereinigungen zusammenarbeiteten. Dies ergebe sich aus der antisemitischen Haltung des Klägers, belegt durch Äußerungen, Bildmaterialien und Kontakte zu Antisemiten. Für den WWR zeige sich dies insbesondere aus israelfeindlichen Äußerungen der Vorsitzenden sowie ihren Kontakten zu Personen, die die Zusammenarbeit mit der HAMAS suchten.

20 Der Kläger habe mit seinen Teilorganisationen durch die finanzielle Unterstützung von JaN, HAMAS und Al-Shabab zugleich gegen das Bereitstellungsverbot des § 18 AWG sowie mit der Angabe des Spendensammelns für humanitäre Zwecke und dem Ausstellen von Spendenquittungen durch WWR zugunsten des Klägers gegen weitere Strafvorschriften verstoßen.

21 Die den Strafgesetzen zuwiderlaufenden Aktivitäten des Klägers prägten dessen Charakter. Selbst wenn der Kläger und seine Teilorganisationen auch humanitäre Zwecke verwirklichten, nehme der beschriebene Anteil der Aktivitäten doch den überwiegenden Raum ein. Schon die Konstruktion des Vereinsgeflechts und seine regelmäßigen Erweiterungen zeigten, welche Bedeutung der Kläger selbst den beschriebenen Aktivitäten beimesse. Es sei alles daran gesetzt worden, sie trotz der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden und daraus folgenden Schwierigkeiten weiter zu führen. Der Kläger habe bewusst sein Vereinsgeflecht um Teilorganisationen wie etwa WWR und SKIB erweitert, die die strafrechtlich relevanten Aktivitäten in bestimmten Regionen maßgeblich durchführten.

22 Der Kläger richte sich mitsamt seinen Teilorganisationen auch gegen den Gedanken der Völkerverständigung, weil er terroristische Vereinigungen unterstütze. Die terroristischen Vereinigungen wendeten sich ihrerseits gegen die Völkerverständigung. Sie begingen nicht nur Straftaten, sondern trügen mit ihren Angriffen auf die Zivilbevölkerung des jeweiligen Staates Gewalt in das Verhältnis zwischen den Völkern in Syrien, Israel und Somalia. Sie seien darauf ausgerichtet, die staatliche Ordnung in Syrien bzw. Somalia sowie die Existenz Israels zu beseitigen. Für die Annahme dieses Verbotsgrundes spreche zusätzlich die vom Kläger gebilligte politische Unterstützung der HAMAS durch seine Teilorganisation WWR.

23 Darüber hinaus erfülle der Kläger den Verbotsgrund des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung durch die Verbreitung islamistisch-extremistischer Inhalte ("Da'wa"), die ein essentieller Bestandteil der Arbeit des Klägers sei. Die Missionierungstätigkeit habe der Kläger zunächst in Deutschland ausgeübt, indem er unter anderem Veranstaltungen zum Generieren von Spendengeldern und für Konversionen durchgeführt habe. Seit 2015 habe er diese Tätigkeit primär in das Ausland und in die sozialen Medien verlagert. Der Kläger betreibe seine Missionierungstätigkeit im Ausland in verschiedenen Ländern zusammen mit dem salafistischen, gewaltbefürwortenden Prediger M.C. In den vom Kläger gebauten Schulen, Koranschulen, Moscheen, Waisenhäusern wie etwa dem Waisenhaus "Home of Taqwa" in Ghana und in der von ihm finanzierten und betriebenen "Koran- und Hadith-Akademie Bursa" in der Türkei werde salafistisches Gedankengut verbreitet. In Deutschland vertreibe er entsprechende Inhalte über den Ummashop und die von ihm erworbene Instagram-Seite "Der Islam verbindet". Schließlich ziehe er mit seinen Aktivitäten islamistische Extremisten an, die einen wesentlichen Teil der Mitglieder und Spender ausmachten. Der Kläger habe sich weder nach seiner Nennung im Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen noch nach Beginn des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens umorientiert.

24 Wegen der Unterstützung terroristischer Vereinigungen und der Missionierungstätigkeiten richte sich der Kläger zugleich gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die unterstützten Vereinigungen negierten die Menschenwürde und das Recht auf Leben; der Kläger ermögliche mit seinen Aktivitäten Gewalttaten dieser Vereinigungen. Die weitergegebenen salafistisch-extremistischen Inhalte widersprächen der verfassungsmäßigen Ordnung und sollten durch die Missionierung von Kindern und sonstigen Personen auch in Deutschland verbreitet werden. Darin zeige sich zugleich die kämpferisch-aggressive Haltung des Klägers.

25 Das Verbot sei selbst bei Annahme eines religiösen Charakters des Klägers und seiner Teilorganisationen verhältnismäßig. Mildere Mittel, vor allem strafrechtliche Sanktionen gegen einzelnen Personen, kämen angesichts des umfassenden Vereinsgeflechts und der weitreichenden Aktivitäten nicht in Betracht. Die Tätigkeiten des Klägers und seiner Teilorganisationen, mit denen die Verbotsgründe verwirklicht würden, prägten die Vereinigung.

26 Von der Anhörung des Klägers habe abgesehen werden können, um die aufgrund der klandestinen Organisationsstruktur bestehende Gefahr der Beseitigung von Infrastruktur und Vermögen zu vermeiden.

27 Gegen die am 5. Mai 2021 zugestellte Verbotsverfügung hat der Kläger am 17. Mai 2021 beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er sei ein grundsätzlich islamisch-religiös geprägter Verein, der der sunnitischen Schule folge und nicht von verfassungsfeindlichen religiösen Inhalten geprägt werde. Weltweit verwirkliche er ausschließlich humanitäre Projekte und stehe für den Gedanken der Völkerverständigung. Er habe keine Zahlungen an Mitglieder terroristischer Gruppen geleistet; die Beklagte könne ihm solche Zahlungen auch nicht nachweisen. Sein Vorsitzender bekenne sich zum Existenzrecht Israels. Er habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung 830 Mitglieder gehabt. Seine Mitglieder und Spender bestünden entgegen den Angaben der Beklagten nicht zu einem großen Teil aus islamistisch-verfassungsfeindlichen Extremisten.

28 Er sammele Spenden ausschließlich für seine humanitären Projekte. Seine Hilfeleistungen seien nicht auf Muslime beschränkt. Die Beklagte habe seine Projekte in der Verbotsverfügung tendenziös ausgewählt und dargestellt. Er sei nicht nur in Gaza, Syrien und Somalia, sondern in 56 Ländern aktiv und habe über 5 000 gemeinnützige Projekte unterstützt. Deren Finanzierungsvolumen belaufe sich auf über 32 Millionen €. Hierfür habe er auf diverse kostengünstige Transfermöglichkeiten zurückgegriffen. Sämtliche Geldtransaktionen seien nachvollziehbar. Die Differenz zwischen den in der Finanzanalyse festgestellten Spenden von 11 Millionen € und den von ihm angegebenen 30 bis 40 Millionen € an Spendeneinnahmen beruhe unter anderem darauf, dass die Finanzanalyse der Beklagten nicht alle ihm zurechenbaren Konten und nicht sämtliche verbuchten Bar- und Sachspenden sowie Einnahmen auf Privatkonten berücksichtige. Alle Spendenzwecke seien offen und transparent auf seiner Webseite dargestellt. Bis 2015 habe er "Da'wa"-Stände betrieben, die jedoch nicht der Verbreitung eines islamisch-verfassungsfeindlichen Weltbilds gedient hätten. Auf die Durchführung von Benefizveranstaltungen mit als salafistisch eingeschätzten Predigern habe er ab 2015 verzichtet, nachdem auf seine Nachfrage der Islamismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen ihm gegenüber Bedenken geäußert habe. Er bewerbe seine Projekte mittels Videos in sozialen Medien. Hierzu gehöre auch die Facebook-Seite "Der Islam verbindet"; dort veröffentlichte andere Inhalte seien ihm nicht zuzurechnen. Auf der gleichnamigen Instagram-Seite würden keine verfassungsfeindlich-islamistischen Inhalte geteilt. Er kooperiere nicht mit verfassungsfeindlich-islamistischen Strukturen und habe sich - auch öffentlich - wiederholt gegen terroristische Vereinigungen ausgesprochen.

29 In Syrien habe er Projekte mit 7 573 747,57 € (Anlage K 1) unterstützt. Dazu zählten die Errichtung und der Betrieb des zweitgrößten gebührenfreien Krankenhauses in Dana, Provinz Idlib, einer Schule und des größten Waisenhauses auf einem ihm gehörenden Grundstück sowie die Unterstützung eines Krankenhauses in Aleppo. Er sei wie andere internationale Hilfsorganisationen in Aleppo und Idlib aktiv gewesen und habe nicht die JaN unterstützt. Seine dortigen Hilfsprojekte habe er nicht in Gebieten verwirklicht, die unter der Kontrolle der JaN gestanden hätten. Seine zwischen 2012 und 2014 durchgeführten Hilfskonvois nach Syrien seien mehrfach kontrolliert worden, ohne dass Waffen oder militärische Ausrüstungsgegenstände aufgefunden worden seien. Er habe wie auch andere Hilfsorganisationen auf den Schutz der Freien Syrischen Armee (FSA) zurückgegriffen.

30 In Somalia habe er Projekte mit 7 792 538,06 € unterstützt, darunter das größte Bildungszentrum des Landes. Darüber hinaus habe er Ramadan-Pakete finanziert und diese unter dem Schutz von Soldaten der Afrikanischen Union (AMISOM) selbst nach Somalia geliefert. Die somalische Regierung erkenne seine dortigen Leistungen an und habe ihm bestätigt, weder mit Al-Shabab noch al-Qaida zusammenzuarbeiten. Er operiere ausschließlich in Gebieten, die von der AMISOM oder somalischen Polizeikräften kontrolliert würden, wie Jubaland, Bay und Beledweyne.

31 In Ghana finanziere er den Bau des größten Waisendorfs des Landes "Home of Taqwa". In der zugehörigen Schule finde christlicher und islamischer Religionsunterricht statt. Darüber hinaus habe er 159 Brunnen in Ghana gebaut und dort das christlich-muslimische Kooperationsprojekt "African Peace Movements" gegründet.

32 In Palästina unterstütze er den Gazastreifen mit humanitärer Hilfe über die CWA, die kein Sozialverein der HAMAS sei. Er versorge sieben Prozent der Einwohner mit sauberem Trinkwasser, betreibe ein Waisenhaus sowie eine Schule. Zudem kümmere er sich um die Versorgung mit stabiler Elektrizität wie etwa bei der Mahmud-Abbas-Abu-al-Khair-Moschee. Demgegenüber sei die in der Verbotsverfügung genannte Abu-al-Khair-Moschee nie von ihm unterstützt worden. Er vertrete keine israelfeindliche Haltung; vielmehr habe er sich von der HAMAS ferngehalten und nicht mit ihr zuzurechnenden Organisationen zusammengearbeitet.

33 In Pakistan unterstütze er den Al-Ehya Welfare Trust, die Binoria Media University und Lebensmittelverteilungen in der Provinz Kaschmir. Keine der dortigen Aktivitäten sei Ausdruck einer salafistischen Missionierung. Über den türkischen Verein AYDA habe er Projekte sowohl in der Türkei als auch teilweise in Syrien finanziert. An der Akademie in Bursa werde der sunnitische Islam gelehrt und eine Ausbildung zum Imam ermöglicht; zudem existiere dort eine Sprachschule. Verfassungsfeindliche islamistische Inhalte würden nicht vermittelt. AYDA sei inzwischen selbständig und von ihm unabhängig. Er betreibe darüber hinaus zahlreiche weitere Krankenhäuser in den von ihm unterstützten Ländern, Waisenhäuser in Afghanistan und im Jemen, ein Witwenversorgungszentrum im Jemen, zahlreiche Brunnenbauprojekte sowie in Myanmar ein Flüchtlingszentrum für Rohingya. Er unterstütze in Nigeria die Bevölkerung mit Lebensmitteln und habe dort bis zum Erlass der Verbotsverfügung das größte Waisendorf des Landes errichtet.

34 Die Verbotsverfügung sei formell rechtswidrig. Der Erlass einer Verbotsverfügung ohne richterliche Anordnung sei mit den europarechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 nicht vereinbar. Die Beklagte hätte ihn vor Erlass der Verfügung anhören müssen. Mit einer Anhörung wäre kein Ankündigungseffekt verbunden gewesen, da er bereits aufgrund der Durchsuchungen im Jahr 2019 von der Einleitung des Verbotsverfahrens gewusst habe. Die Gefahr, dass er im Falle einer Anhörung Vermögen beiseiteschaffen und seine Infrastruktur dem Zugriff der Behörde entziehen würde, habe schon wegen der Fortsetzung seiner Tätigkeit nach der Durchsuchung nicht bestanden. Eine Anhörung hätte schließlich durchgeführt werden müssen, um ihn in die Lage zu versetzen, diejenigen Mitglieder auszuschließen und sich von diesen zu distanzieren, bei denen nachrichtendienstliche Erkenntnisse vorlägen.

35 Aktion Ansar, ANS, BWA und Helpstore gehörten zu seinem Vereinsgeflecht. Er habe diese Organisationen gegründet, um Zugang zu einem Bankkonto zu bekommen, weil er aufgrund der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht keine Konten mehr im Inland habe führen und eröffnen können. Diese Vereinigungen hätten keine unabhängige Geschäftsführung gehabt und keine weiteren tatsächlichen Zwecke verfolgt. Demgegenüber seien WWR, SKIB, Ben-Hatira Help und Ummashop keine Teilorganisationen. Die Vereinigungen seien rechtlich und tatsächlich selbständig aktiv gewesen und hätten ihm lediglich Konten zur Verfügung gestellt. Hierauf beruhe auch die wechselnde Angabe von Konten auf seiner Webseite. Da seine Partnerorganisationen ihm Konten zur Verfügung gestellt hätten, habe er im Besitz der Kontozugangsdaten sein müssen. Als Empfänger der Gelder seien diese Organisationen zur Ausstellung der Spendenbescheinigungen verpflichtet gewesen. Dabei habe er sie unterstützt und deshalb ihre Listen und Stempel etc. in seinem Büro aufbewahrt. Angesichts dessen seien weder WWR noch SKIB als Teilorganisation anzusehen. Soweit er mit SKIB gemeinsame Projekte in Somalia verwirklicht habe, sei er dieser Vereinigung gegenüber nicht weisungsbefugt gewesen. SKIB sei nicht von ihm - dem Kläger - finanziell abhängig gewesen und habe ihm lediglich für ein Jahr ein Konto zur Verfügung gestellt. Ben-Hatira Help sei von Änis Ben-Hatira, einem ehemaligen Fußballprofi, gegründet worden. Bei der Gründung habe der Kläger unterstützt und beraten. Während beide Vereine zu Beginn noch gemeinsame Projekte durchgeführt hätten, habe Ben-Hatira Help später vorrangig eigene Projekte verwirklicht. Die gemeinsame Werbung für Projekte rechtfertige nicht den Schluss auf das Vorliegen einer Teilorganisation. Herr K. und sein Mitarbeiter Herr Ka. seien nur bis zum Sommer 2019 im Vorstand von Ben-Hatira Help gewesen. Zudem habe er sich bereits zuvor von Herrn Ka. getrennt. Dieser habe 2017 die We Traid International UG gegründet und seitdem mit WWR kooperiert. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung sei die Teilorganisationseigenschaft von Ben-Hatira Help daher entfallen. Der Ummashop sei zunächst eine selbständige Nebenorganisation gewesen. Zwar habe der Kläger den Shop gegründet und die Erträge hätten ihm zustehen sollen, jedoch habe die Geschäftsführung stets selbständig agiert. Er - der Kläger - habe keinen Einfluss auf das Angebot und keinen Zugriff auf die Konten des Ummashops gehabt. Nach dem Verkauf im Jahre 2020 habe er keine Spenden mehr erwartet, zumal der neue Eigentümer alle Entscheidungen selbständig getroffen habe.

36 Seine Aktivitäten liefen nicht den Strafgesetzen zuwider. Insbesondere unterstütze er keine terroristischen Vereinigungen im Sinne von §§ 129a und 129b StGB. Nicht jede Form humanitärer Hilfe in terroristisch kontrollierten Krisengebieten dürfe wegen ihrer mittelbar fördernden Effekte durch Vereinsverbote unterbunden werden. Allein generelle Akzeptanz- und Entlastungsvorteile, die ausgelöst werden könnten, wenn karitative Einrichtungen und Vereine mit sozialer Zwecksetzung in tatsächlich terroristisch kontrollierten Gebieten unterstützt würden, könnten nicht als Anknüpfungspunkt für ein Vereinsverbot dienen. Dies zeigten auch die Regelungen für die Leistung humanitärer Hilfe in bewaffneten Konflikten in dem Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten und dem 1. Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte. Zielten Spenden auf die Linderung von Not und achteten sie die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit, erfülle ein Verein nicht den Verbotstatbestand des Art. 9 Abs. 2 GG. Nach diesen Grundsätzen sei die Hilfe des Klägers nicht geeignet, ein Vereinsverbot zu begründen. Er helfe neutral allen Hilfsbedürftigen vor Ort unabhängig von Religion, sozialem Status oder politischen Ansichten.

37 Mit seiner Tätigkeit in Syrien habe er keine terroristischen Vereinigungen unterstützt. Soweit er sich dort von lokalen Kräften habe helfen lassen, habe es sich stets um Einheiten der FSA gehandelt. Wenn Personen vor Ort Handlungen für die JaN vorgenommen hätten, seien ihm deren Aktivitäten nicht zuzurechnen. Die von der Beklagten für Syrien vorgelegten Indizien könnten die Unterstützung terroristischer Vereinigungen nicht belegen. Insbesondere habe die Beklagte keine Zahlungen oder Waffentransporte des Klägers an die JaN nachweisen können. Schließlich entbehre ihre Behauptung jeglicher Grundlage, er hätte terroristische Vereinigungen durch die Lieferung von Hilfsgütern in Gebieten unterstützt, die von einer solchen Vereinigung kontrolliert würden. Überdies weise er auch keine ideologische Nähe zur JaN auf.

38 Ebenso wenig unterstütze er mit seinen Projekten die HAMAS im Gazastreifen. Seine Hilfeleistungen könnten nicht anders gewertet werden als die Unterstützung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) durch die Beklagte. Er habe keine antisemitische oder israelfeindliche Grundhaltung. Der Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen durch die israelische Kriegsführung in Gaza sei kein Anzeichen antisemitischer Gesinnung. Dies bekräftige auch die UN-Resolution 58/292 über den Status des besetzten palästinensischen Gebietes einschließlich Ost-Jerusalems. Keines der von der Beklagten für eine Unterstützung der HAMAS vorgelegten Indizien rechtfertige die Annahme der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die Aktivitäten von WWR im Gazastreifen seien ihm nicht zurechenbar, weil dieser Verein keine Teilorganisation sei. § 3 VereinsG sehe lediglich eine Zurechnung des Verhaltens "von oben nach unten" vor, weil das Verbot einer Vereinigung deren Teilorganisationen umfasse. Erfülle eine Teilorganisation ohne Wissen und Wollen des Gesamtvereins den Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 VereinsG, könne dieses Handeln der Gesamtvereinigung - d. h. also hier dem Kläger - nicht zugerechnet werden. Vielmehr sei dann diese Teilorganisation eigenständig als Verein zu verbieten. Die Voraussetzungen einer Zurechnung des Verhaltens nach § 3 Abs. 5 VereinsG seien nicht erfüllt. Im Übrigen stellten die Aktivitäten des WWR keine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung dar.

39 Der Kläger habe in Somalia keine terroristische Vereinigung wie die Al-Shabab unterstützt. Unzutreffend sei schon die Behauptung, SKIB sei gegründet worden, um Geld in den Süden Somalias zu transferieren. SKIB habe seine Mittelverwendung nachgewiesen. In dessen Buchhaltung und Aktivitäten abseits gemeinsamer Projekte habe der Kläger keinen Einblick gehabt. Er habe in Gebieten operiert, die unter Kontrolle der somalischen Regierung bzw. der Einheiten der afrikanischen Union gestanden hätten; das schließe eine Kooperation mit Al-Shabab aus. Ungeachtet dessen stellten Zahlungen aufgrund einer Schutzgelderpressung durch Al-Shabab keine Unterstützung dieser Vereinigung dar; sie wären nach strafrechtlichen Maßstäben gerechtfertigt bzw. entschuldigt. Im Übrigen beruhe die Behauptung von Zahlungen des Klägers an Al-Shabab auf reinen Vermutungen. Hilfsorganisationen müssten auch in von terroristischen Vereinigungen kontrollierten Gebieten wirken können, selbst wenn dies mit Kosten für Sicherheitsausgaben und Schutzgeldzahlungen einherginge.

40 Der Kläger erfülle nicht den subjektiven Tatbestand der Unterstützung terroristischer Vereinigungen. Sein Vorsitzender, Herr K., vertrete kein verfassungsfeindlich-islamistisches Weltbild. Der Vorwurf, er unterhalte über seinen Vorsitzenden Kontakte zu antisemitischen Personen, sei unberechtigt. So habe dieser den Kontakt zu Herrn L. schon vor Jahren abgebrochen, die antisemitischen Äußerungen von Herrn S. seien ihm nicht bekannt gewesen.

41 Da der Kläger keine terroristischen Vereinigungen unterstütze und Handlungen anderer Organisationen ihm nicht zuzurechnen seien, verstießen seine Aktivitäten auch nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Er verbreite weder im In- noch im Ausland gegen die Völkerverständigung gerichtete Inhalte. Die anderslautende Bewertung der Beklagten beruhe auf einem unzutreffenden Begriff des "Salafismus". Seine satzungsgemäß festgelegte Aufklärung über den Islam und seine Missionierungstätigkeit seien von der weit zu verstehenden Religionsfreiheit (Art. 4 GG) geschützt. Der Bau von Moscheen sei nicht Ausdruck eines Sichrichtens gegen die Völkerverständigung. Die Annahme der Beklagten, er verbreite im Waisenhaus in Ghana extremistisch-salafistische Inhalte, sei unzutreffend. Von verfassungsfeindlichen und gewaltbefürwortenden Aussagen oder Handlungen seiner Kontaktpersonen distanziere er sich; deren Verhalten sei ihm nicht zuzurechnen. Die bei seinem Vorsitzenden aufgefundenen Dokumente, Bilder und Videos ließen keinen Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung erkennen.

42 Schließlich richte sich der Kläger aus den genannten Gründen nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Soweit er seinen muslimisch-sunnitischen Glauben vertrete und verbreite, sei dies von der Religionsfreiheit gedeckt. Die Beklagte habe insoweit keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass in den von ihm betriebenen Einrichtungen ein verfassungsfeindlich-islamistisches Weltbild vermittelt werde. Auch die Geschlechtertrennung sowie das Tragen von Kopftüchern und Niqab seien Teil der Religionsausübung und keine Indizien für ein solches Weltbild. Da er die "Da'wa"-Stände und die Benefizveranstaltungen bereits 2015 aufgegeben habe, könnten diese kein im Jahr 2021 erlassenes Verbot begründen. Im Übrigen kooperiere er nicht mit Predigern, denen nach den unbelegten Angaben im Verfassungsschutzbericht verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstellt würden.

43 Das Verbot sei unverhältnismäßig. Dem Kläger hätten als mildere Maßnahmen die Veränderung seiner Vereinssatzung, die Änderung seines Betätigungsfeldes oder Tätigkeitsbeschränkungen aufgegeben werden können. Auch die konsequente Anwendung strafrechtlicher Vorschriften sei vorrangig vor einem Vereinsverbot. Die Verbotsbehörde müsse am Maßstab der Grundrechte, wie sie auch in der Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert seien, die Verhältnismäßigkeit positiv nachweisen; dies habe die Beklagte nicht beachtet. Das Verbot sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil vereinzelte Handlungen seiner Organe, insbesondere des Herrn K., ihm nicht zugerechnet werden könnten. Ungeachtet dessen hätte die Beklagte ein eigenständiges Verbot von WWR und SKIB wegen des Vorwurfs der Unterstützung terroristischer Vereinigungen erwägen müssen. Nicht zuletzt stehe das dem Kläger vorgeworfene Unrecht in keinem Verhältnis zu der von ihm geleisteten humanitären Hilfe, sodass sich ein Verbot der Gesamtvereinigung auch aus diesem Grunde als unangemessen erweise.

44 Der Kläger beantragt,
die Verbotsverfügung der Beklagten vom 22. März 2021, zugestellt am 5. Mai 2021, aufzuheben
sowie
im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass der Kläger sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet und seine Zwecke oder Tätigkeiten nicht den Strafgesetzen zuwiderlaufen.

45 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

46 Sie verteidigt die angefochtene Verfügung und weist darauf hin, dass gegen Herrn K. und weitere Personen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren laufe.

47 Ergänzend führt sie zur Begründung im Wesentlichen aus, der Kläger folge bei der Eingliederung von Organisationen in den Gesamtverein einem Muster. So seien in den Vorständen von WWR, SKIB und Ben-Hatira Help sowie in der Geschäftsführung des Ummashops Personen aktiv gewesen, die zum Kläger gehörten oder in familiärer Beziehung zu dessen Vorsitzenden stünden. Darüber hinaus habe der Kläger Zugriff auf die Konten auch dieser Teilorganisationen gehabt. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und Nachweise sei die Annahme gerechtfertigt, dass die Vereine und der Ummashop auch noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung als Teilorganisationen anzusehen seien.

48 Der Kläger mitsamt seinen Teilorganisationen unterstütze terroristische Organisationen im Ausland in Kenntnis von deren terroristischen und völkerverständigungswidrigen Aktivitäten; dies beruhe auf einer ideologischen Identifikation mit deren Zielsetzungen. Auf das Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten mit dem 1. Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte könne sich der Kläger nicht berufen. Denn er sei keine neutrale Hilfsorganisation, die Abgaben an die Terrororganisationen allein um des übergeordneten Zwecks humanitärer Hilfeleistung bei sonst beachteter Neutralität leiste.

49 Bei den Hilfslieferungen und Projekten des Klägers in Syrien, vor allem in den Provinzen Aleppo und Idlib, sei es ausgeschlossen, diese ohne Absprachen und Zahlungen von Geldern mit den dort jeweils dominierenden Gruppierungen durchführen zu können. Dementsprechend kämen Hilfslieferungen aus dem Ausland unmittelbar oder mittelbar Organisationen wie der JaN und der HTS zugute. Der Kläger habe seine Hilfslieferungen und Projekte bewusst und gezielt in denjenigen Gebieten erbracht, die von den genannten Terrororganisationen beherrscht worden seien. Damit habe er deren bewaffneten Kampf unterstützt. Darüber hinaus habe er diese Terrororganisationen durch die Finanzierung von Waffenkäufen und die Übergabe weiterer für den Kampf gedachter Gegenstände wie Laptops, Kameras, Nachtsichtgeräte, Wanzenscannern, Panzerwesten und Sturmhauben gefördert. Diese Gegenstände seien bei Mitarbeitern des Klägers gelagert worden. Der Kläger identifiziere sich ideologisch mit den Zielen der JaN und der HTS. Dies ergebe sich aus den ihm zuzurechnenden Äußerungen sowie den bei ihm aufgefundenen und für die Werbevideos verwandten religiösen Gesänge (sogenannte Nashids), die einen Bezug zum Jihad und unter anderem zur JaN aufwiesen. Hierfür spreche auch die Kooperation des Klägers mit Herrn D., der mit der JaN sympathisiere, entsprechende Kontakte habe und in die Besorgung und Lieferung von Ausrüstung für die "Mujaheddin" in Syrien eingebunden gewesen sei.

50 Der Kläger habe mithilfe seiner Teilorganisationen, insbesondere des WWR, die HAMAS mit ihren Sozialvereinen im Gazastreifen unterstützt. Ziel der HAMAS sei die Vernichtung des Staates Israel und die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet "Palästina". Die ISJ sei als Sozialverein untrennbarer Bestandteil der HAMAS. WWR habe seine Projekte im Gazastreifen seit 2016 im Rahmen einer Kooperation mit diesem Sozialverein verwirklicht und damit die HAMAS unterstützt. Die anderslautende, im Rahmen der Durchsuchungen aufgefundene schriftliche Bestätigung, wonach die ISJ keine Verbindung zur HAMAS habe, sei als Gefälligkeitsbescheinigung anzusehen. Mit seinen Aktivitäten habe WWR die HAMAS materiell und ideologisch unterstützt. Dessen Vorsitzende, Frau T. Ab., habe Kontakte zu führenden HAMAS-Funktionären gepflegt und diese Kontakte auch an andere Personen wie Herrn Hörstel, dem Vorsitzenden der Partei "Neue Mitte", vermittelt, die ebenfalls für die Vernichtung Israels einstehe. Auf Datenträgern in den Vereinsräumen des WWR sei HAMAS-Propagandamaterial aufgefunden worden. Es sei davon auszugehen, dass WWR die ISJ und damit die HAMAS zwischen 2016 und 2018 mit über 1 Million € unterstützt habe, da die Vorsitzende in diesem Umfang Bargeld von den Vereinskonten abgehoben habe. WWR habe ab 2017 versucht, sein Engagement für die ISJ wegen deren Nähe zur HAMAS zu verheimlichen. Hierzu hätten WWR und ISJ die im Gazastreifen ansässige El-Adham-Charitable Association für den Empfang von Geldleistungen des WWR eingeschaltet, die ebenfalls der HAMAS zuzurechnen sei. Hinzu trete die Kooperation mit der HAMAS-nahen Nour El-Marifa Association. Die Vorsitzende des WWR identifiziere sich mit den politischen Zielen und den Aktivitäten der ISJ. Der Kläger, der ab 2017 die Buchhaltung des WWR übernommen habe, habe hiervon Kenntnis gehabt. Auch der Kläger selbst habe die ISJ bei einem Ramadan-Projekt im Jahr 2016 unterstützt und mit ihr zusammengearbeitet. Zudem teilten der Kläger und seine Mitarbeiter die Ideologie der HAMAS.

51 Schließlich hätten der Kläger und seine Teilorganisation SKIB die Al-Shabab in Somalia unterstützt. Der Hilfe sowohl des Klägers als auch von SKIB fehle die erforderliche Neutralität angesichts des Umstandes, dass SKIB seine Mittelverwendung in Südsomalia nicht belegen könne. Bestätigungen von dessen Kooperationspartner TEDO reichten hierfür nicht aus. Die Gelder für die Projekte von SKIB stammten zudem in erster Linie von dem Kläger.

52 Zugleich richte sich der Kläger mitsamt seinen Teilorganisationen gegen den Gedanken der Völkerverständigung, weil er mit seinen Aktivitäten Vereinigungen fördere, die sich ihrerseits völkerrechtswidrig betätigten. Die Behauptung des Klägers, seine Projekte dienten der Völkerverständigung und seien nicht auf Muslime als Hilfeempfänger beschränkt, sei nur vorgeschoben. Schließlich richte sich der Kläger wegen der Verfassungsfeindlichkeit der postulierten islamistisch-salafistischen, antisemitischen Staats- und Gesellschaftsvorstellungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Dies schlage sich in der Ausrichtung seiner Projekte und Einrichtungen, für die er vor allem in Deutschland Werbung mache, sowie den Veranstaltungen des Klägers und seiner Zusammenarbeit mit salafistischen Predigern nieder.

53 Das den Kläger und seine Teilorganisationen umfassende Verbot sei verhältnismäßig. Mildere Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Es sei nicht Aufgabe der Verbotsbehörde, einer Vereinigung Vorgaben für deren Satzung oder Aktivitäten zu machen oder sie unter staatliche Aufsicht zu stellen, um auf diese Weise von einem Verbot absehen zu können.

54 Eine Anhörung sei nicht geboten gewesen, da vereinsrechtliche Ermittlungsmaßnahmen nicht denselben Ankündigungseffekt entfalteten wie eine Anhörung zu einem konkreten Verbot. Da sich der Kläger und seine Teilorganisationen nach der ersten Durchsuchung weiterhin betätigt hätten, habe auch weiterhin die Gefahr bestanden, dass neue Beweismittel und Infrastruktur durch die Anhörung dem Zugriff der Behörden entzogen worden wären.

55 Der Rechtsstreit ist am 26. und 27. Juni 2023 gemeinsam mit den Klagen von SKIB (Aktenzeichen: BVerwG 6 A 2.21 ) und WWR (Aktenzeichen: BVerwG 6 A 4.21 ) verhandelt worden. Über die Klagen jener Vereinigungen hat der Senat mit Urteilen vom 7. Juli 2023 entschieden. Im Rahmen der weiteren mündlichen Verhandlung des hiesigen Verfahrens am 5. Juli, 15. und 16. August 2023 hat er eine Beweisaufnahme durchgeführt. Der Senat hat den Vorsitzenden des Klägers als Beteiligten und die Zeugen Si. Z., Sü. Z., W. R., M. A. und S. K. einvernommen sowie eine schriftliche Bekundung einer Auskunftsperson eingeholt und diese im Wege des Urkundenbeweises eingeführt. Darüber hinaus hat er Videos, Bilder, Karten und Gegenstände in Augenschein genommen.

56 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf die Streitakte mit den Niederschriften über die mündliche Verhandlung, die von dem Kläger und der Beklagten vorgelegten Unterlagen sowie die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II

57 Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erst- und letztinstanzlich entscheidet, ist teilweise unzulässig (1.) und im Übrigen unbegründet (2.).

58 1. Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger mit ihr im Wege der Anfechtungsklage die Aufhebung der Verbotsverfügung begehrt (a)). Demgegenüber liegen die Sachurteilsvoraussetzungen für den erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Feststellungsantrag des Klägers nicht vor (b)).

59 a) Die gegen die am 5. Mai 2021 zugestellte Verbotsverfügung des BMI vom 22. März 2021 gerichtete Anfechtungsklage ist statthaft und zulässig. Der Kläger hat seine Klage form- und fristgerecht mit am 17. Mai 2021 bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz erhoben. Er ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da er geltend machen kann, dass das ihn betreffende Vereinsverbot rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten aus Art. 9 Abs. 1 GG verletze.

60 b) Die Klage ist jedoch unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass er sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet und seine Zwecke oder Tätigkeiten nicht den Strafgesetzen zuwiderlaufen.

61 Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt wird. Eine solche Zwischenfeststellungsklage ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig, wenn ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten streitig ist und von der Feststellung dieses Rechtsverhältnisses die Entscheidung in der Hauptsache abhängt. Ihr Zweck ist die Ausdehnung der Rechtskraft auf das dem Anspruch zugrundeliegende Rechtsverhältnis, das sonst von der Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO nicht erfasst würde. Sie ist unzulässig, wenn sie ein Rechtsverhältnis betrifft, das zum Streitgegenstand gehört und hinsichtlich dessen ohnehin Rechtskraftwirkung eintritt. Für ihre Erhebung ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 1971 - 8 C 6.69 - BVerwGE 39, 135 <138> und vom 12. Januar 2012 - 7 C 5.11 - BVerwGE 141, 311 Rn. 12; Beschluss vom 14. Februar 2011 - 7 B 49.10 - NVwZ 2011, 509 Rn. 23; BGH, Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 247/05 - BGHZ 169, 153 Rn. 12). Danach erweist sich die Zwischenfeststellungsklage des Klägers mangels Vorgreiflichkeit als unzulässig, da mit dem Urteil über die Anfechtungsklage, deren Gegenstand die Rechtmäßigkeit des erlassenen Vereinsverbots einschließlich des Vorliegens von Verbotsgründen ist, die vereinsrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten erschöpfend entschieden werden.

62 2. Die Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Verbotsverfügung der Beklagten vom 22. März 2021 ist, soweit sie den Kläger betrifft, rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

63 Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt ihres Erlasses (a)). Die den Kläger betreffenden Regelungen in der Verbotsverfügung finden ihre Grundlage in den Bestimmungen des Vereinsrechts (b)). Der Kläger kann eine umfassende Prüfung der Verbotsverfügung verlangen (c)), die formell (d)) und materiell (e)) rechtmäßig ist.

64 a) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses. Dabei können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie im maßgeblichen Zeitpunkt noch aussagekräftig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 25 m. w. N.). In rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sind daher die Verhältnisse am 5. Mai 2021, dem Tag der Zustellung der Verbotsverfügung, zugrunde zu legen. Das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593) findet hiernach i. d. F. des Art. 5 des Gesetzes vom 30. November 2020 (BGBl. I S. 2600) Anwendung.

65 b) Rechtsgrundlage für die Feststellung, dass der Kläger sämtliche Verbotsgründe erfüllt, sowie für dessen Verbot und Auflösung ist § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst dann als verboten im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass der Verein einen der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen (Verbot).

66 Die Einbeziehung der in der Verfügung genannten Organisationen als Teilorganisationen beruht auf § 3 Abs. 3 VereinsG. Nach dessen Satz 1 erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Für nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit gilt dies gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Diese Bestimmungen sind hier anzuwenden. Als in das Vereinsregister eingetragene Vereine haben WWR, Aktion Ansar, SKIB, ANS, Ben-Hatira Help und BWA eine eigene Rechtspersönlichkeit; sie sind in der Verbotsverfügung als Teilorganisationen ausdrücklich benannt und als nichtgebietliche Organisationen im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG einzuordnen.

67 Gleiches gilt für die Organisation Helpstore, bei der es sich um eine Unternehmensgesellschaft und damit um eine besondere Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt (vgl. § 5a GmbHG). Als solche ist sie eine Wirtschaftsvereinigung, auf die über § 17 Nr. 3 VereinsG die Regelung des § 3 Abs. 3 VereinsG Anwendung findet, da sich das Verbot des Klägers unter anderem auf die Verbotsgründe des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung und damit auf die in § 17 Nr. 1 VereinsG genannten Gründe stützt.

68 Soweit die Verbotsverfügung auch den Ummashop erfasst, handelt es sich hierbei um ein Einzelhandelsgeschäft und somit um eine nichtgebietliche Organisation ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Als Rechtsgrundlage kommt hier allein § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG in Betracht.

69 Das gleichzeitig ausgesprochene Verbot, den Betrieb der in dem Tenor der Verfügung genannten Internetseiten etc. des Klägers einzustellen, ergibt sich aus der Natur des Vereinsverbots und der Auflösungsanordnung, ohne dass es einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 30 m. w. N.). Die in der Verbotsverfügung in Bezug auf den Kläger getroffenen weiteren vereinsrechtlichen Entscheidungen beruhen auf § 9 Abs. 1 VereinsG (Kennzeichenverbot), § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 10 und 11 VereinsG (Vermögensbeschlagnahme und -einziehung) sowie § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 i. V. m. § 12 Abs. 1 und 2 VereinsG (Einziehung bestimmter Forderungen und Sachen Dritter).

70 c) Der Kläger kann als nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG verbotener Gesamtverein eine umfassende gerichtliche Überprüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des Verbots verlangen (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2020 - 6 A 1.19 - BVerwGE 167, 293 Rn. 25).

71 In materiell-rechtlicher Hinsicht umfasst die Prüfung insbesondere die Verwirklichung von Verbotsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG. Sie erstreckt sich inzident auf die Einbeziehung von Teilorganisationen in das Verbot, soweit deren Verhalten für die Verwirklichung von Verbotsgründen maßgeblich ist. Denn das Verhalten seiner Teilorganisationen ist dem verbotenen Verein zuzurechnen. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung in § 3 Abs. 1 und 3 VereinsG, zur effektiven Gefahrenabwehr mit dem Vereinsverbot sämtliche auf die Verwirklichung von Verbotsgründen gerichteten Aktivitäten des Gesamtvereins, also des Hauptvereins und seiner Teilorganisationen, zu unterbinden. Diesem Regelungszweck ist immanent, dass dem Hauptverein das Verhalten seiner Teilorganisationen zuzurechnen ist. In materieller Hinsicht hat der Gesetzgeber dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sich das Verbot eines Vereins nach Maßgabe von § 3 Abs. 3 VereinsG zugleich auf dessen Teilorganisationen erstreckt und eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung notwendig ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 67). Das Merkmal der Identität rechtfertigt es, dem verbotenen Verein das Verhalten seiner Teilorganisation zuzurechnen (ebenso im Ergebnis bereits BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 46). Konsequenterweise muss der verbotene Verein geltend machen können, eine von der Behörde als Teilorganisation angesehene Organisation erfülle nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VereinsG, sodass ihm deren Verhalten nicht zugerechnet werden könne.

72 Die Auffassung des Klägers, die erforderliche Identität der Teilorganisation mit dem verbotenen Verein erlaube allenfalls, einer Teilorganisation das Verhalten des verbotenen Vereins "von oben nach unten" – nicht aber umgekehrt - zuzurechnen, widerspricht diesem Regelungszweck. Darüber hinaus muss entgegen der Auffassung des Klägers der verbotene Verein das Verhalten seiner Teilorganisation auch dann gegen sich gelten lassen, wenn die Teilorganisation zugleich selbst ohne Wissen und Wollen des Gesamtvereins einen Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt. Das Verbot einer Organisation als Teilorganisation setzt nicht voraus, dass diese selbst einen Verbotsgrund verwirklicht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1988 - 1 A 14.83 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 12). Liegen bei einem Verein sowohl die Voraussetzungen für ein Verbot nach § 3 Abs. 1 VereinsG als auch für ein Verbot als Teilorganisation eines anderen Hauptvereins nach § 3 Abs. 3 VereinsG vor, obliegt es der Entscheidung der zuständigen Verbotsbehörde, auf welcher Rechtsgrundlage sie diesen Verein verbieten will (so auch die Gesetzesbegründung: vgl. BT-Drs. IV/430 S. 15). Für die Frage der Zurechnung ergeben sich aus dieser Entscheidungsfreiheit der Verbotsbehörde keine maßgebenden Gesichtspunkte.

73 d) Die angefochtene Verfügung ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Dies gilt insbesondere für die Zuständigkeit des BMI (aa)) und das Absehen von der Anhörung der Betroffenen vor deren Erlass (bb)).

74 aa) Die Zuständigkeit folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG. Danach ist das BMI Verbotsbehörde für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist bei dem Verbot eines Gesamtvereins auf die Organisation oder Tätigkeit des zu verbietenden Vereins einschließlich seiner Teilorganisationen abzustellen, auf die die Verbotsbehörde das Verbot nach § 3 Abs. 3 VereinsG erstreckt. Deshalb ist das BMI für den Erlass einer Verbotsverfügung jedenfalls dann zuständig, wenn sich die Organisation des Gesamtvereins auf mehrere Bundesländer verteilt (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 20 und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 54). So verhält es sich hier. Die angefochtene Verbotsverfügung erfasst den Verein Ansaar International e. V. mit Sitz in Nordrhein-Westfalen und weitere Organisationen als dessen Teilorganisationen, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen (WWR, Aktion Ansar, ANS, BWA, Ummashop, Helpstore), Hessen (SKIB) bzw. Berlin (Ben-Hatira Help) haben.

75 Art. 18 lit. d) der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88/6) – nachfolgend Richtlinie (EU) 2017/541 - steht der Zuständigkeit des BMI für den Erlass eines Vereinsverbots nach den Bestimmungen des Vereinsgesetzes nicht entgegen. Die Norm sieht vor, dass die Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 aufgrund einer Verurteilung wegen einer darin aufgeführten Straftat als Sanktion gegen juristische Personen deren richterlich angeordnete Auflösung vorsehen können. Nach Art. 1 der Richtlinie (EU) 2017/541 enthält diese Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und die Festlegung von Sanktionen auf dem Gebiet von terroristischen Straftaten, Straftaten im Zusammenhang mit einer terroristischen Vereinigung und Straftaten im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten sowie Maßnahmen zum Schutz, zur Unterstützung und zur Hilfe der Opfer von Terrorismus. Die in Art. 18 der Richtlinie (EU) 2017/541 vorgesehenen und von den Mitgliedstaaten bei deren Umsetzung in Betracht zu ziehenden Sanktionen knüpfen - wie der Normzusammenhang mit Art. 17 dieser Richtlinie und auch die Formulierung in Erwägungsgrund 18 zeigen - an eine strafrechtliche Verurteilung einer juristischen Person wegen einer terroristischen Straftat an, wie sie abschließend dort festgelegt werden. Die Vorschrift zählt insoweit lediglich beispielhaft die in diesen Fällen gegen juristische Personen in Betracht kommenden wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen auf. Die in Art. 18 lit. d) der Richtlinie (EU) 2017/541 genannte richterlich angeordnete Auflösung einer juristischen Person als Sanktion bzw. Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung berührt nicht die Kompetenzen der Mitgliedstaaten zur Regelung von behördlichen Befugnissen im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr. Dies gilt insbesondere für das behördlicherseits ausgesprochene Verbot eines Vereins nach Maßgabe des Vereinsgesetzes, das ein Instrument des "präventiven Verfassungsschutzes" ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 101 m. w. N.). Da der auf repressive Maßnahmen bezogene Charakter der Richtlinie (EU) 2017/541 derart offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel hieran keinerlei Raum bleibt, sieht der erkennende Senat keinen Anlass, eine Frage zur Auslegung von Art. 18 lit. d) der Richtlinie (EU) 2017/541 dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 9. März 2023 - 3 C 6.22 -‌ NVwZ 2023, 1258 Rn. 26 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union).

76 bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts kann die zuständige Behörde vor Erlass eines Vereinsverbots nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von einer Anhörung der Betroffenen absehen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass sonst aufgrund des mit der Anhörung verbundenen "Ankündigungseffekts" Beweismittel und Vermögenswerte beiseite geschafft und dem behördlichen Zugriff entzogen werden (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 161; BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69, vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 36 und vom 14. Dezember 2022 - 6 A 6.21 - DVBl. 2023, 598 Rn. 20; Beschlüsse vom 25. August 2008 - 6 VR 2.08 - juris Rn. 8 und vom 21. September 2020 - 6 VR 1.20 - juris Rn. 11 f.). Die Ermessensentscheidung hierüber bedarf einer Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Gesichtspunkte sowie einer Begründung, die erkennen lässt, auf welchen Erwägungen das Absehen von der Anhörung beruht (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2022 - 6 A 6.21 - DVBl. 2023, 598 Rn. 20 m. w. N.).

77 Die zuständige Behörde kann die Entscheidung über ein Absehen von der Anhörung vor dem Erlass des Verbots eines Vereins mitsamt seinen Teilorganisationen gegenüber den Adressaten nur einheitlich treffen, da das in einem Verwaltungsverfahren erlassene Verbot nach § 3 VereinsG den Gesamtverein erfasst. Hat die Behörde von einer Anhörung abgesehen, kann eine Teilorganisation im anschließenden gerichtlichen Verfahren nur geltend machen, ein Ankündigungseffekt wäre bei dem Gesamtverein nicht eingetreten. Die Berufung darauf, dass ein solcher Effekt nur bei ihr nicht hätte eintreten können, ist in diesem Fall ausgeschlossen. Diesen Einwand kann sie nur geltend machen, wenn sie als Teilorganisation nachträglich in ein bereits erlassenes Vereinsverbot aufgrund einer gesonderten Verfügung einbezogen wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77).

78 Danach hat das BMI mit der in der Verbotsverfügung angeführten Begründung von der Anhörung absehen können. Es hat sich darauf gestützt, dass andernfalls der Erfolg einer Zerschlagung der Vereinsstrukturen von Ansaar International e. V. und seinen Teilorganisationen aufgrund der klandestinen Organisationsstruktur gefährdet sowie Infrastruktur und Vermögen beiseitegeschafft worden wären. Diese Begründung genügt den rechtlichen Anforderungen. Die Beklagte hat aufgrund der Fortführung der Tätigkeit des Gesamtvereins nach der ersten Durchsuchung am 10. April 2019 davon ausgehen dürfen, dass der Kläger und seine Teilorganisationen über neue Beweismittel, Barmittel bzw. weiteres Vermögen verfügen, die im Falle einer Anhörung einem Zugriff hätten entzogen werden können. Der Ankündigungseffekt ist auch nicht wegen der hier vorliegenden besonderen Umstände entfallen. Zwar war schon mit der ersten Durchsuchung aus Anlass der Einleitung des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine gewisse Ankündigung des Inhalts verbunden, dass die Verbotsbehörde gegen den Gesamtverein vereinsrechtlich ermittelt und die Voraussetzungen für den Erlass einer Verbotsverfügung prüft. Auch gab es im Anschluss hieran gerichtliche Verfahren gegen die Durchsuchungsanordnungen. Da aber eine Anhörung dem Gesamtverein darüber hinaus bedeutet hätte, dass die zuständige Behörde die Voraussetzungen einer Verbotsverfügung als gegeben ansieht und deren Erlass nunmehr beabsichtigt, unterscheidet sich der mit ihr verbundene Ankündigungseffekt von demjenigen, der durch die erste Durchsuchungsmaßnahme hervorgerufen worden ist. Mithin hätte eine Anhörung auch zwei Jahre nach der ersten Durchsuchung Anlass geben können, vorhandenes Vermögen und Beweismittel beiseitezuschaffen, auch wenn weder der Kläger noch eine seiner Teilorganisationen hiermit nach dem 10. April 2019 begonnen haben sollten und dieses den Sicherheitsbehörden bekannt gewesen sein sollte.

79 Schließlich war das Absehen von der Anhörung auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil eine Anhörung den Kläger in die Lage versetzt hätte, sich von nachrichtendienstlich bekannten Mitgliedern zu trennen und zu distanzieren. Denn dies entspricht nicht dem Zweck der Anhörung, dem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in dessen Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 28 Abs. 1 VwVfG).

80 e) Die Verbotsverfügung begegnet, soweit sie den Kläger betrifft, keinen materiell-rechtlichen Bedenken. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Verbots hat das Gericht im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO den gesamten Streitstoff des Verfahrens umfassend zu würdigen (aa)). Der Kläger ist ein Verein im Sinne von § 2 VereinsG, der weit mehr als 32 Millionen € an Spenden gesammelt hat (bb)). Die in der Verfügung genannten weiteren Organisationen sind als Teilorganisationen des Klägers anzusehen; für WWR gilt dieses jedoch nur für Handlungen im Zeitraum zwischen 2016 und bis längstens Ende März 2019 (cc)). Das Verbot des Klägers kann nur auf die in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten Verbotsgründe gestützt werden (dd)). Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger mithilfe seiner Teilorganisationen die Verbotsgründe der Strafgesetzwidrigkeit (ee)) sowie des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung (ff)) und gegen die verfassungsmäßige Ordnung (gg)) verwirklicht. Hiervon werden seine Aktivitäten geprägt; mildere Mittel als das Verbot sind nicht ersichtlich (hh)). Die den Kläger betreffenden Nebenentscheidungen in der Verbotsverfügung sind ebenfalls nicht zu beanstanden (ii)).

81 aa) Bei der gerichtlichen Überprüfung einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung hat das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen; seine Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beruht, der Eigenart der Materie entsprechend, regelmäßig und so auch hier in erheblichem Umfang auf der zusammenfassenden tatrichterlichen Wertung von Indizien. Das Gericht hat sich auf der Grundlage der festgestellten Indizien und nach umfassender Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten, der von diesen vorgelegten und vom Gericht einbezogenen Unterlagen, des ergänzenden Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung darüber zu bilden, ob der klagende Verein mithilfe von Teilorganisationen in ihn prägender Weise Verbotsgründe verwirklicht hat (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 ‌- 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 17 und vom 26. Januar 2022 ‌- 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 46).

82 bb) Der Kläger ist ein Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG. Der Verein wird seit seiner Gründung im Jahr 2012 von Herrn K. als Vorsitzendem geführt. Im Vorstand sind im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung des Weiteren Frau T. A. als stellvertretende Vorsitzende, Herr Ch. (Schriftführer) und Herr B. (Finanzverwalter).

83 Laut seiner Vereinssatzung i. d. F. vom 19. September 2014 verfolgt der Kläger ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige mildtätige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Hierzu gehört die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen, die Förderung der Religion, die Hilfe für Flüchtlinge, Vertriebene, Kriegsopfer und Katastrophenopfer sowie die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz und des Völkerverständigungsgedankens. Er verwirklicht seinen Zweck nach der Satzung insbesondere durch Waisenkind-Patenschaften, Hilfsgüter-Lieferungen, Lebensmittelverteilungen und der Finanzierung von gemeinnützigen Einrichtungen wie Waisenschulen und -häusern. Des Weiteren will der Kläger mithilfe von Infoständen die Religion fördern und Vorurteile abbauen (§ 1 der Satzung). Das Vereinsvermögen des Klägers soll im Falle seiner Auflösung oder des Wegfalls der steuerbegünstigten Zwecke nach § 13.2 der Satzung SKIB zufallen.

84 Der Kläger war steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt, bis das Finanzamt Düsseldorf-Mitte ihm mit dem das Jahr 2013 betreffenden Körperschaftssteuerbescheid vom 12. Oktober 2015 unter Hinweis auf § 51 Abs. 3 AO die Gemeinnützigkeit entzog. Zur Begründung führte der Bescheid aus, gegen den Kläger lägen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung und eine entsprechende Einstufung durch das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen im damals aktuellen Verfassungsschutzbericht vor. Der Bescheid ist bestandskräftig, soweit mit ihm die Gemeinnützigkeit des Klägers aberkannt wurde. Nach insoweit erfolglos eingelegtem Einspruch hatte der Kläger seine anschließend erhobene Klage mit Schriftsatz vom 14. August 2020 zurückgenommen und das Finanzgericht Düsseldorf hat das Verfahren mit Beschluss vom 18. August 2020 (Aktenzeichen: 6 K 499/19 K) eingestellt. Aufgrund dessen kann der Kläger seit dem Erlass dieses Bescheids im eigenen Namen keine steuerrechtlich anzuerkennenden Zuwendungsbestätigungen (Spendenquittungen) mehr ausstellen. Auch für die Jahre 2014 und 2015 erließ das Finanzamt Düsseldorf-Mitte jeweils auf den 12. Dezember 2017 datierte Körperschaftssteuerbescheide, in denen dem Kläger weiterhin die Gemeinnützigkeit mit Hinweis auf § 51 Abs. 3 Satz 2 AO versagt wurde.

85 Für seine Aktivitäten sammelte der Kläger auf verschiedenen Wegen Spenden. Er betrieb Sammelstellen für Bar- und Sachspenden in verschiedenen deutschen Städten und in Istanbul (Türkei) sowie Spendentaxis in der Schweiz und in Bonn. Er verfügte begleitend hierzu über Teams in einigen deutschen Städten, die für ihn auf Facebook Werbung machten und ebenfalls um Spenden baten. Darüber hinaus sammelte er Spenden auf Benefizveranstaltungen, die er bis 2015 durchgeführt hat. Der Kläger konnte in den ersten Jahren seiner Tätigkeit Geldspenden noch auf eigenen Konten sammeln. So besaß er nach dem Analysebericht des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 2020 zum Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen 2 BJs 388/19-9 (nachfolgend: Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020) ein Konto bei der Postbank mit der IBAN DE65 4401 0046 0095 2284 61, das am 24. Januar 2013 eröffnet und am 7. November 2014 geschlossen wurde. Verfügungsberechtigt waren Herr K. und seine Ehefrau, die damalige stellvertretende Vorsitzende des Klägers. Es waren Zahlungseingänge auf dem Konto in Höhe von ca. 1,7 Millionen € zu verzeichnen, die sich aus nationalen und internationalen Spenden natürlicher Personen größtenteils zwischen 5 und 150 € zusammensetzten. Die eingegangenen Gelder wurden im Umfang von 1,1708 Millionen € mittels 33 Abhebungen in bar ausgezahlt. Der Rest wurde an andere Vereinigungen überwiesen; allein an SKIB erfolgten 128 Überweisungen in einer Gesamthöhe von ca. 350 000 €.

86 Da der Kläger im Laufe des Jahres 2014 über keine eigenen Konten mehr verfügte, griff er nach seinen eigenen Angaben und den Feststellungen im Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 auf verschiedene Privatpersonen wie etwa Frau Bo. und Herrn H. zurück, die auf ihren Namen Konten eröffneten und diese als Spendenkonten zur Verfügung stellten. Allein Herr H. soll auf diese Weise für den Kläger nach dessen Angaben auf seinem Konto Summen in Millionenhöhe bzw. zumindest in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro gesammelt haben. Zeitgleich nutzte der Kläger Konten von Vereinen und einer Unternehmensgesellschaft, die er zu diesem Zweck selbst gegründet hatte, sowie von anderen Vereinen, die ihm im Rahmen einer Zusammenarbeit Konten zur Verfügung stellten (vgl. dazu im Einzelnen sogleich unter cc)). Ergänzend nutzte der Kläger nach dem genannten Analysebericht LKA NRW und eigenen Angaben eine Vielzahl elektronischer Spendenmöglichkeiten wie MYFUNDBOX, Krypto-Spendenkonten, TransferWise und PayPal zum Sammeln von Geldern.

87 Der Kläger nahm nach eigenen Angaben bis zum Erlass des Vereinsverbots weit mehr als 32 Millionen € an Spendengeldern ein. In einem aus dem Jahr 2019 stammenden, nach der ersten Durchsuchung angefertigten Video gab der Vorsitzende an, in sieben Jahren "30, 40 Millionen €" Spendengelder gesammelt zu haben. Hinzu kommen die in der Folgezeit vereinnahmten Gelder in Millionenhöhe. So sammelte der Kläger allein auf dem ihm von SKIB zur Nutzung überlassenen Konto in der Zeit von September 2019 bis Ende 2020 knapp 3,5 Millionen € (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21 -). Dies korrespondiert mit den Angaben des Klägers zu seinen Projektausgaben. Diese hätten sich allein 2018 auf 8 bis 10 Millionen € belaufen. Nach der von ihm im Gerichtsverfahren vorgelegten Projektübersicht gab er insgesamt 32 217 833,89 € für seine Projekte und sonstige Kosten aus. Die sich aus den vorstehenden Einlassungen und Angaben ergebende Einschätzung, dass der Kläger weit mehr als 32 Millionen € an Spenden erhielt, wird nicht durch die Ausführungen in der Verbotsverfügung infrage gestellt, wonach ausweislich einer Analyse der Geldflüsse an den Kläger lediglich Einnahmen in Höhe von 11,355 Millionen € festzustellen seien. Denn hierbei handelt es sich ersichtlich nur um einen die Einnahmen zwischen 2016 und 2019 erfassenden Mindestbetrag, der zudem nur die dort genannten und damit nicht alle Konten umfasst, auf denen der Kläger Spenden sammelte.

88 cc) Zu dem Kläger als Gesamtverein gehören die in der Verbotsverfügung aufgeführten Teilorganisationen mit der Maßgabe, dass diese Einordnung für den WWR nur von 2016 bis Ende März 2019 zutreffend ist. Deren Verhalten muss sich der Kläger - wie dargelegt - zurechnen lassen. Die Voraussetzungen des Vorliegens einer Teilorganisation (aaa)) bei Aktion Ansar, ANS, BWA und Helpstore hat der Kläger eingeräumt (bbb)). Sie sind darüber hinaus auch bei Ben-Hatira Help (ccc)), dem Ummashop (ddd)) und SKIB (eee)) gegeben. WWR erfüllte diese Voraussetzungen ebenfalls, aber nur in dem genannten Zeitraum und nicht mehr im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung (fff)).

89 aaa) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG verlangt für das Vorliegen einer Teilorganisation im Unterschied zu reinen Hilfs- oder Nebenorganisationen, dass eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung besteht. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein. Eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, ist allerdings nicht erforderlich. Die Gliederung muss im Wesentlichen von der Gesamtorganisation beherrscht werden. Indizien hierfür können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten, respektive auch aus hierarchischen Strukturen, ergeben. Anhaltspunkte für derartige Strukturen können Berichtspflichten sowie eine ständige Begleitung und Betreuung durch Vertreter des Gesamtvereins sein. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei sich die jeweilige Aussagekraft der Indizien nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles richtet. Nicht notwendig ist es daher zum einen, dass sämtliche genannten Indizien nach dem Gesamtbild die Annahme einer Teilorganisation tragen. Zum anderen können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Januar 2016 - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 18, vom 4. November 2016 - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 14 und vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 67).

90 bbb) Anhand dieses Maßstabes ergibt sich jeweils als Gesamtbild, dass Aktion Ansar, ANS, BWA und Helpstore nichtgebietliche Teilorganisationen des Klägers im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG sind, die in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt werden. Deren Identität mit dem Kläger folgt bereits aus dessen Einlassung, er habe die drei Vereine und Helpstore wegen der Kontenproblematik allein zum Zwecke der Eröffnung von Girokonten in deren Namen gegründet; sie hätten keine vom Kläger unabhängige Geschäftsführung und verfolgten keine weiteren tatsächlichen Zwecke. Diese Angaben decken sich mit den insoweit feststellbaren Indizien.

91 Aktion Ansar wurde Anfang 2015 von Personen gegründet, die überwiegend zu den Vertrauten des Vorsitzenden des Klägers oder seinen Mitarbeitern gehörten. Beteiligt an der Gründung waren ausweislich des Protokolls der Mitgliederversammlung insbesondere die Herren Sü. Z. (zuständig für Syrien und AYDA), S. K. (ebenfalls zuständig für Syrien), Ch. (zugleich Schriftführer im Vorstand des Klägers), W. und M. A. (jeweils Mitarbeiter des Klägers). Die Satzung des Vereins ist mit derjenigen des Klägers weitestgehend identisch und weist ebenfalls SKIB als Begünstigten im Falle der Auflösung aus. Der Vorstand bestand nach dem Vereinsregisterauszug zuletzt seit Juni 2015 aus den Herren W. (Vorsitzender), S. K. (stellvertretender Vorsitzender) und Ch. (Schriftführer). Der Verein mit Sitz in Warendorf eröffnete nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 insgesamt fünf Konten und stellte diese dem Kläger zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung. Die dortigen Einnahmen bestanden überwiegend aus Spenden. Auf den Konten waren Geldabflüsse in Gestalt von Barabhebungen in erheblichem Umfang sowie Überweisungen auf Konten anderer Vereine wie WWR, SKIB und AYDA zu verzeichnen. Der Kläger bat auf seiner Facebook-Seite um Spenden für seine Projekte und gab dabei ein Konto von Aktion Ansar bei der Sparkasse Köln/​Bonn an. Das letzte Konto wurde am 20. August 2018 geschlossen. Der Vorsitzende des Klägers steuerte die Zahlungsströme auf den Konten nach dem Ergebnis der Auswertung seiner Kommunikation mit dem Vorsitzenden von Aktion Ansar.

92 Die Satzung des ANS wurde laut Vereinsregister am 16. Juni 2016 beschlossen. Der Verein mit Sitz in Aachen wurde am 2. Februar 2017 in das Vereinsregister eingetragen. Der Vorstand bestand aus den Frauen H. M. (Vorsitzende), T. A. (stellvertretende Vorsitzende und Schwägerin von Herrn K.), M. M. (Schriftführerin) und C. S. (Finanzverwalterin). Der Verein stellte dem Kläger nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 insgesamt sechs Konten zur Verfügung, von denen einige im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung noch nicht beschlagnahmt oder geschlossen waren. Verfügungsberechtigt war jeweils die stellvertretende Vorsitzende T. A., bei einigen Konten zusätzlich die Vorsitzende des ANS. Der Kläger war im Besitz der Zugangsdaten von mindestens drei dieser Konten, die er jeweils als Spendensammelkonto und für den Einzug seiner Mitgliedsbeiträge nutzte. Überweisungen von den Konten gingen an andere Organisationen wie SKIB, WWR, CWA, Hand4Burma und AYDA. Zudem besaß ANS ein PayPal-Konto, welches der Kläger ebenfalls für seine Zwecke einsetzte. ANS war nach der Aussage der Zeugin Sch., einer Mitarbeiterin des Klägers, am 15. Dezember 2020 bei dem LKA NRW als gemeinnützig anerkannt und konnte für den Kläger steuerwirksame Zuwendungsbestätigungen ausstellen.

93 Die 2017 gegründete und 2018 mit Sitz in Düsseldorf in das Vereinsregister eingetragene Vereinigung BWA wurde ebenfalls vom Kläger gegründet. Laut Aussage der genannten Zeugin Sch. am 15. Dezember 2020 bei dem LKA NRW fragte der Vorsitzende des Klägers unter seinen Mitarbeitern, wer bereit wäre, den Vorstand von BWA zu übernehmen; Herr Schr., ein für die Patenschaftsverwaltung zuständiger Mitarbeiter, erklärte sich danach hierzu bereit. Im Vorstand von BWA befanden sich neben Herrn Schr. unter anderem zunächst Frau Ak.-M., die damalige Lebensgefährtin des Herrn K., Frau T. A. sowie Frau H. M., die zugleich Vorsitzende des ANS war. 2018 schieden die drei Frauen aus dem Vorstand aus und an deren Stelle traten Frau E. und zwei Brüder der Ehefrau von Herrn K., die Herren F. und M. R. BWA stellte nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 dem Kläger ebenfalls ein Konto zur Verfügung, das dieser ausweislich der Verwendungszwecke bei den dort eingegangenen Überweisungen bis zur Beschlagnahme am 14. Juni 2019 als Spendensammelkonto nutzte. Der Kläger war im Besitz der Kontozugangsdaten und der Bankunterlagen. Hierzu passt die Aussage von Frau Sch., wonach Transaktionen von diesem Konto nur in Abstimmung mit Herrn K. vorgenommen werden durften.

94 Helpstore, eine Unternehmensgesellschaft mit Sitz in Duisburg, wurde nach den übereinstimmenden Einlassungen des Klägers und der Frau Sch. in ihrer Zeugenaussage vom 15. Dezember 2020 nach dem Willen von Herrn K. durch Herrn M. R., den Bruder seiner Ehefrau, gegründet und 2018 in das Handelsregister eingetragen. Herr M. R. übernahm die alleinige Geschäftsführung. Als Gegenstand des Unternehmens waren der An- und Verkauf von Waren aller Art sowie die Förderung gemeinnütziger Zwecke angegeben. Die beiden Konten von Helpstore nutzte der Kläger ausweislich des Analyseberichts LKA NRW vom 13. Juli 2020 als Inlandsspendenkonto und für Transaktionen im Geschäftsverkehr. Er war auch hier im Besitz der Zugangsdaten und der Bankunterlagen. Die Konten wurden im April 2019 beschlagnahmt.

95 Nach dem jeweiligen Gesamtbild waren Aktion Ansar, ANS, BWA und Helpstore in das Vereinsgeflecht des Klägers eingegliedert. Bei keiner dieser Organisationen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sie eigene Aktivitäten im Sinne des jeweiligen Vereins- bzw. Gesellschaftszwecks entfaltet hätten. Der Kläger gründete die drei Vereine und die Unternehmensgesellschaft, um in deren Namen am Rechts- und Geschäftsverkehr teilnehmen und seine Aktivitäten fortsetzen zu können. Er nutzte deren Konten und Strukturen, um Spenden zu sammeln, Geschäftsvorfälle abwickeln und - soweit die Vereine als gemeinnützig anerkannt waren - steuerrechtlich wirksame Spendenquittungen ausstellen zu können. Der Vorsitzende des Klägers steuerte deren Aktivitäten durch seine Mitarbeiter und Verwandten in den Vorständen der Vereine bzw. in der Geschäftsführung. Auch wenn ein Großteil der von dem Kläger genutzten Konten dieser Vereine und von Helpstore bereits vor Erlass der Verbotsverfügung geschlossen bzw. beschlagnahmt worden waren, konnte der Kläger deren Strukturen bis zum Verbotserlass im Geschäfts- und Rechtsverkehr nutzen.

96 ccc) Die Beklagte ist in der Verbotsverfügung zu Recht davon ausgegangen, dass auch Ben-Hatira Help eine Teilorganisation des Klägers ist. Hierfür sprechen die Gründungsgeschichte der Vereinigung (1), die enge personelle und organisatorische Verflechtung beider Vereinigungen (2) sowie die bestehenden finanziellen Verbindungen (3). Diese Indizien rechtfertigen die Annahme einer Teilorganisation noch im Zeitpunkt des Verbotserlasses (4).

97 (1) Der Verein, der seinen Sitz in Berlin hat, wurde von Herrn Ben-Hatira gegründet, der zum damaligen Zeitpunkt noch aktiver Fußballprofi war. Er wurde von dem Kläger bei der Gründung des Vereins im Jahr 2016 aktiv unterstützt. Zu den sieben Gründungsmitgliedern des Vereins zählten der Vorsitzende des Klägers und zwei seiner Mitarbeiter, die Herren Ka. und Ha. Die Satzung des Vereins wurde am 18. November 2016 beschlossen. Als Vorlage diente die Satzung des Klägers, die mit derjenigen von Ben-Hatira Help im Wesentlichen identisch ist. Die Satzungen unterscheiden sich nur insoweit, als die weitergehende Beschreibung der Vereinszwecke des Klägers unter § 1 seiner Satzung in derjenigen von Ben-Hatira Help fehlt. Im Gründungsvorstand waren nach dem Auszug aus dem Vereinsregister die Herren Ben-Hatira (Vorsitzender), K. (stellvertretender Vorsitzender, eingetragen mit dem Namen ...), Ka. (Kassenwart) und Kü. (Schriftführer).

98 (2) Der Kläger bestreitet erfolglos eine enge personelle und organisatorische Verbindung der beiden Vereinigungen jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung. Zwar seien sein Vorsitzender und sein Mitarbeiter Ka. im Gründungsvorstand gewesen. Beide seien aber nach der ersten Durchsuchung im April 2019 aus dem Vorstand ausgeschieden; zudem habe er sich von seinem Mitarbeiter Ka. bereits zuvor getrennt. Er - der Kläger - sei lediglich beratend und unterstützend tätig geworden, was ebenfalls nicht für eine Eingliederung in die Vereinsstruktur spreche. Dem kann das Gericht allerdings aufgrund der festgestellten Indizien nicht folgen. Der Kläger und Ben-Hatira Help waren personell und organisatorisch weniger in der Person von Herrn Ka., sondern vielmehr über Herrn K. eng miteinander verbunden.

99 Herr Ka. war zwar bis zum Erlass der Verbotsverfügung im Vereinsregister als Vorstandsmitglied eingetragen. Er kann aber allenfalls in den ersten Monaten des Bestehens von Ben-Hatira Help in dieser Vereinigung für den Kläger aktiv gewesen sein. Denn der Kläger und Herr Ka. trennten sich bereits 2017 im Jahr nach der Gründung von Ben-Hatira Help. Herr Ka. wurde nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 Mitgesellschafter der We Traid International UG. Er kooperierte seitdem nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beteiligten mit WWR.

100 Entscheidend für die enge personelle und organisatorische Verflechtung beider Vereinigungen ist, dass der Vorsitzende des Klägers die Aktivitäten von Ben-Hatira Help im Sinne des Klägers bis zum Erlass der Verbotsverfügung mitbestimmte. Bezeichnend hierfür ist eine ständige Begleitung und Betreuung von Ben-Hatira Help durch den Vorsitzenden des Klägers. Dies folgt bereits aus der Vorstandsfunktion, die Herr K. bis Mitte 2019 und damit während einer Zeit innehatte, in der nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung Herr Ben-Hatira als damals noch aktiver Fußballprofi wenig Zeit für den Verein aufbringen konnte. Er war somit bis zum Übergang der Aufgabe des stellvertretenden Vorsitzenden auf Herrn Sü. und dessen Eintragung in das Vereinsregister am 12. August 2019 in der Lage, die Geschicke von Ben-Hatira Help maßgebend mitzubestimmen. Vor allem aber war der Vorsitzende des Klägers unabhängig von seiner Vorstandsposition bis zuletzt eng in die Aktivitäten von Ben-Hatira Help einschließlich der Öffentlichkeitsarbeit eingebunden, was durch die nachfolgend aufgeführten Vorgänge belegt wird.

101 So leitete etwa der Vorsitzende von Ben-Hatira Help eine an ihn gerichtete Anfrage des Magazins "Der Spiegel" vom 27. Januar 2017, die vor allem die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses beim SV Darmstadt 1898 e. V. und seine Motivation für seine Hilfsprojekte betrafen, an den Kläger weiter, um von dort detailliert ausformulierte Antwortvorschläge zu erhalten. Soweit der Kläger die Antwortvorschläge damit rechtfertigt, dass Änis Ben-Hatira nicht im Umgang mit den Medien außerhalb des Fußballs versiert sei und er die Fragen nicht adäquat habe beantworten können, ist dieses Vorbringen angesichts der generell vorauszusetzenden Erfahrungen eines Fußballprofis und ehemaligen Nationalspielers im Umgang mit Medien und vor allem im Hinblick auf den dargestellten Inhalt der Fragen nicht nachvollziehbar.

102 Des Weiteren haben beide Vereinigungen nicht nur in der Anfangszeit, sondern auch noch nach dem Ausscheiden von Herrn K. aus dem Vorstand gemeinsame Projekte verwirklicht. Auf einem im Rahmen der Durchsuchung am 10. April 2019 im Büro des Klägers beschlagnahmten Datenträger befanden sich nach den Angaben in der Verbotsverfügung unter dem Ordner "Anis" Unterlagen wie der Gründungsbeschluss, das Foto eines Projekts von Ben-Hatira Help aus dem Jahr 2017, das Foto eines Projekts beider Vereine, der Beleg einer Überweisung vom 24. Mai 2018 von Ben-Hatira Help an die CWA, der Partnerorganisation des Klägers im Gazastreifen, und die "Abrechnung Januar ABH Found. 2019" mit Ausgaben für konkrete Projekte des Vereins Ben-Hatira Help. Im Oktober 2020 führte Ben-Hatira Help eine Verteilaktion von Nahrungsmittelpaketen im Gazastreifen in Zusammenarbeit mit dem "Team Gaza" des Klägers und der CWA durch. Über das Ende dieser Aktion berichtete das "Team Gaza" auf seiner Facebook-Seite am 14. Oktober 2020, wonach Ben-Hatira Help die Verteilaktion finanzierte, während das "Team Gaza" sie unter ausschließlicher Verwendung von Logos des Vereins Ben-Hatira Help durchführte.

103 Neben den bereits erwähnten beim Kläger aufgefundenen Dateien mit Bezug zu Ben-Hatira Help spricht für die ständige Begleitung durch den Kläger, dass auf dem Mobiltelefon des Herrn K. Überweisungsbelege dieses Vereins gefunden wurden, die auf den 20. April und 3. Mai 2021 datiert waren. Gleiches folgt aus den Eintragungen in dem Kalender von Herrn K. für das Jahr 2021, wie etwa "ABH Fotos" vom 11. Januar 2021, "ABH Buchung" vom 24. Februar 2021 und "ABH Rechnung" vom 25. Februar 2021. Dass mit diesen Eintragungen der Verein Ben-Hatira Help gemeint ist, ergibt sich aus der beim Kläger aufgefundenen Abrechnung für Januar 2019 mit Ausgaben von Ben-Hatira Help, in der dieser Verein ebenfalls mit "ABH" abgekürzt wurde.

104 (3) Ben-Hatira Help besaß nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 zwei Girokonten bei der Volksbank Düsseldorf Neuss eG, über die sowohl Herr Ben-Hatira als auch der Vorsitzende des Klägers verfügen konnten. Während eines der Konten im Wesentlichen für ein von Ben-Hatira Help geführtes Restaurant genutzt wurde, besaß der Kläger für das andere Konto die Zugangsdaten und nach dem Auswertungsvermerk des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) vom 9. Mai 2020 die Umsatzlisten. Dieses Konto bestand während der gesamten Zeit, in der Herr K. im Vorstand von Ben-Hatira Help war. Auf diesem Konto gingen bis zur Kündigung durch die Bank am 13. Mai 2019 Spenden im Umfang von ca. 56 000 € sowie Zahlungen von WWR über PayPal in Höhe von ca. 244 000 € ein. Überweisungen von diesem Konto erfolgten an Hand4Burma (ca. 47 600 €), SKIB (ca. 86 000 €) sowie ins Ausland (ca. 60 000 €).

105 Nach Schließung dieses Kontos stellte Ben-Hatira Help dem Kläger ein in den Niederlanden eröffnetes Konto als Spendenkonto zur Verfügung. Der Kläger bat in einem Schreiben seine Spender, wegen der Kündigung des Lastschriftverfahrens Spenden nunmehr auf ein niederländisches Konto von Ben-Hatira Help zu überweisen. Das Schreiben, welches sich auf einem Laptop in dem Büro des Klägers befand, ist zwar nicht datiert. Aufgrund seines Inhalts ist aber davon auszugehen, dass es nach Mai 2019 - der Kündigung der Konten von Ben-Hatira Help in Deutschland - von dem Kläger an bisherige Spender versandt wurde. Dementsprechend haben der Kläger, seine Mitarbeiter und Herr H. zwischen März und Mai 2021 in verschiedenen Chats auf dieses Spendenkonto in den Niederlanden hingewiesen.

106 (4) Die Einlassung des Klägers, er habe Änis Ben-Hatira nur beratend und unterstützend zur Seite gestanden und dieser habe sich mit der Gründung vom Kläger abgrenzen wollen, wird durch das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse widerlegt. Hiergegen sprechen schon die Aufnahme von K. und Ka. in den Gründungsvorstand sowie die Tatsache, dass der Vorsitzende des Klägers sowohl bis 2019 als Vorstandsmitglied als auch unabhängig davon bis zum Erlass der Verbotsverfügung eng in die Aktivitäten von Ben-Hatira Help eingebunden war. Der Einfluss und die ständige Begleitung dieser Vereinigung seitens des Klägers wird zum einen durch die Verwirklichung von deren Projekten durch das klägerische "Team Gaza" und die Übernahme der Beantwortung einer Presseanfrage deutlich. Zum anderen folgt dies aus dem Inhalt der Unterlagen, die bei dem Kläger gefunden wurden und einen Bezug zu diesem Verein und dessen Projekten aufweisen. Die Dokumente, Überweisungsnachweise und Kalendereintragungen erstrecken sich auf den Zeitraum bis zum Erlass des Vereinsverbots. Bekräftigt wird die Eingliederung von Ben-Hatira Help in das Vereinsgeflecht des Klägers durch die enge finanzielle Verbindung beider Vereine. Der Kläger konnte nicht nur bis Mai 2019 ein Inlandskonto, sondern im Anschluss an dessen Stelle das niederländische Konto von Ben-Hatira Help als Spendenkonto und für seine Transaktionen nutzen. Eine solche Nutzung des niederländischen Kontos bedingt, dass der Kläger auf die dort eingehenden und ihm zuzuordnenden Gelder Zugriff und entsprechende Kontrollbefugnisse hatte.

107 Sämtliche Umstände rechtfertigen zusammen betrachtet den Schluss, dass das Ausscheiden von Herrn K. aus dem Vorstand von Ben-Hatira Help allein dazu diente, ein Fortbestehen der engen Verbindung beider Vereinigungen zu verheimlichen. Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Aufgabe der Vorstandsposition im engen zeitlichen Zusammenhang mit der kurz zuvor erfolgten Einleitung des vereinsrechtlichen Verfahrens der tatsächliche Einfluss von Herrn K. und die organisatorische wie finanzielle enge Verbindung geschmälert worden sind. Die Teilorganisationseigenschaft endete nicht mit dessen Ausscheiden aus dem Vorstand; die Eingliederung des Vereins Ben-Hatira Help in die Struktur des Klägers bestand vielmehr bis zum Erlass des Vereinsverbots fort.

108 ddd) Bei dem Ummashop handelt es sich ebenfalls um eine nichtgebietliche Teilorganisation des Klägers. Hierfür sprechen die Umstände seiner Gründung, die Person der Geschäftsführerin, die Teammitglieder und die Abführung seiner Gewinne an den Kläger (1). Die Teilorganisationseigenschaft endete nicht durch die Übernahme des Ummashops durch Herrn Ki. im Jahr 2020 (2).

109 (1) Der Ummashop ist ein am 1. Mai 2017 eröffnetes, ca. 300 m² großes Geschäft mit Café in Düsseldorf, in dem unter anderem Kleidung der dem Kläger gehörenden Marke "Ansaar Clothing", traditionelle muslimische Kleidungsstücke, Lebensmittel und Bücher vertrieben werden. Die Kleidung der Marke "Ansaar Clothing" stammt aus Schneidereien, die vom Kläger - etwa in Ghana - als humanitäre Projekte betrieben werden und in denen entsprechend ausgebildete Frauen arbeiten. Der Kläger hat eingeräumt, den Ummashop gegründet zu haben. Der Shop trat die Nachfolge des von ihm betriebenen Ansaar-Shops an, wobei das Konzept einschließlich der Abführung der Gewinne an den Kläger - wie dessen Vorsitzender in einem Video zur bevorstehenden Eröffnung des Ummashops erklärte (www.youtube.com/​watch?v=ILrQ9EHBBaU ab Minute 0:20) – beibehalten wurde.

110 Der Vorsitzende des Klägers fungierte in der Anfangszeit als administrativer Ansprechpartner und Vertreter des Ummashops. Später wurde Frau ... S. als Vertreterin angegeben, bei der es sich um Frau Sr. handeln dürfte, die sich mit dem Vorsitzenden des Klägers in einer islamischen Mehrehe befand. Danach fungierte Anfang 2020 Frau Ak.-M., ehemalige Lebensgefährtin und Mutter eines Kindes von Herrn K., als Geschäftsführerin bis zum Übergang des Geschäfts auf Herrn Ki. Zum Team des Ummashops gehörten Frau W. R. (Ehefrau von Herrn K. und frühere stellvertretende Vorsitzende des Klägers), Herr Ka., dessen Telefonnummer auf der Internetseite des Ummashops eine Zeit lang angegeben war, und ausweislich entsprechender Gehaltszahlungen zwischen August 2018 und Januar 2019 Herr T. Der Kläger war nach dem Analysebericht LKA NRW vom 13. Juli 2020 im Besitz der Zugangsdaten des Geschäftskontos von Ummashop bei der N26 Bank, über das allein Frau Ak.-M. verfügungsberechtigt war. Gewinne des Ummashops wurden dergestalt an den Kläger abgeführt, dass Spenden und Einnahmen zusammengeführt und als Spende an die Teilorganisation Helpstore überwiesen wurden.

111 Nach dem Gesamtbild ist der Ummashop unzweifelhaft bis Anfang 2020 nicht als selbständige Nebenorganisation, sondern als Teilorganisation des Klägers zu qualifizieren. Der Kläger gründete den Ummashop, um unter anderem die von ihm produzierte Kleidung zu veräußern und Einnahmen für seine Zwecke zu erzielen. Dieses Ziel sicherte er dadurch ab, dass sein Vorsitzender den Shop zunächst selbst vertrat und schließlich eine Geschäftsführerin einsetzte, die in enger familiärer Verbindung zu diesem stand. Zudem gehörte dessen Ehefrau zum Team. Er war im Besitz der Kontozugangsdaten, sodass die Abführung der Gewinne an ihn gewährleistet war. Die Behauptung des Klägers, er habe keinen Einfluss auf den konkreten Geschäftsbetrieb genommen, steht den festzustellenden Verflechtungen in personeller, organisatorischer und vor allem finanzieller Hinsicht nicht entgegen.

112 (2) Die Eigenschaft des Ummashops als Teilorganisation des Klägers ist nicht dadurch entfallen, dass Herr Ki. zum 15. Januar 2020 das Geschäft übernahm. Grundlage hierfür waren zunächst die engen Beziehungen des Herrn Ki. zum Kläger. Herr Ki. beantragte beim Kläger seine aktive Mitgliedschaft. Eine entsprechende Erklärung gab er in dem vom Kläger verwandten Formular am 13. September 2019 und damit nur wenige Monate vor der Übernahme des Ummashops ab. Zugleich war Herr Ki. als Model für den Charityshop des Klägers tätig, den dieser auf seiner Internetseite betrieb. Die spätere Ehefrau des Herrn Ki., Frau Sö., war nach ihrem Facebook-Profil als Webadministratorin ebenfalls für den Kläger tätig und ausweislich der Auswertung der vereinsinternen Kommunikation Mitglied der Chatgruppe "Büro Sisters".

113 Des Weiteren sind Indizien festzustellen, die für eine enge organisatorische und finanzielle Verflechtung sprechen. Herr Ki. konnte das gesamte Inventar und die Ware des Ummashops zum 15. Januar 2020 gegen Zahlung von 120 € zuzüglich der Übernahme von zwei rückständigen Monatsmieten, mithin nach den unwidersprochenen Angaben der Beteiligten für insgesamt 3 640 € übernehmen. Dieser Übernahmepreis ist nach Auffassung des Senats angesichts der Größe des Geschäfts von ca. 300 m², seiner Ausstattung und dem Warenbestand, der auf dem Video zur Geschäftseröffnung zu sehen ist, als vergleichsweise günstig anzusehen. Selbst wenn es sich um einen "Freundschaftspreis" handeln sollte, ist jedenfalls festzustellen, dass Herr Ki. das bisherige Warenangebot des Shops - insbesondere die klägerische Kleidungsmarke - auch weiterhin vertrieb und er auf diese Weise das Konzept des Klägers, in dessen Schneiderei-Projekten hergestellte Waren zu veräußern, fortführte. Des Weiteren warb der Ummashop auch nach der Übernahme durch Herrn Ki. damit, dass ein Teil der Gewinne an den Kläger ging. Der hierauf bezogene Vortrag des Klägers, er habe eine solche Gewinnabführung jedenfalls nicht erwartet, weshalb sie nicht als Indiz herangezogen werden könne, ist als Schutzbehauptung zu werten. Denn der Kläger hat in mehreren YouTube-Videos etwa vom 23. Januar, 1. Mai, 11. Juli, 15. Oktober 2020, 29. Januar und 1. Mai 2021 zum Kaufen und Spenden beim Ummashop aufgerufen. Einen solchen Kauf- und Spendenaufruf hätte er nach Auffassung des Senats nicht veröffentlicht, wenn er die Weiterleitung von Gewinnen aus dem Ummashop nicht erwartet hätte. Hiermit korreliert, dass auch Herr Ki. auf der Facebook-Seite des Ummashops mit dem Namen "Tuba-Store" etwa am 10. Januar, 2. Februar, 25. Februar und 6. März 2021 nahezu jeden Beitrag mit dem Hinweis abschloss, dass ein Teil der Bezahlung an den Kläger gehe. Bestätigt wird diese enge Verbindung nach der Übernahme des Shops durch Herrn Ki. letztlich dadurch, dass im Büro des Klägers auf einem USB-Stick ein den Zeitraum 1. bis 10. September 2020 betreffender Kontoauszug des Ummashops sowie mehrere Kundenrechnungen aus dem Jahr 2020 aufgefunden wurden. Die hierfür vom Kläger abgegebene Erklärung, die Unterlagen seien höchstwahrscheinlich von seiner Mitarbeiterin N. in das Büro gebracht worden, weil sie auf Bitten von Herrn Ki. ausgeholfen habe, obwohl der Kläger ihr dieses verboten habe, ist in Würdigung aller Umstände ebenfalls als Schutzbehauptung zu werten. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Mitarbeiterin auch für Büroarbeiten des Ummashops zur Verfügung stellte. Denn Frau N. wurde mit Wissen und Wollen des Klägers etwa auch für die Teilorganisation SKIB zur Erledigung von Büroarbeiten wie das Ausstellen von Spendenquittungen eingesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21 -).

114 Die aufgeführten Indizien lassen den Schluss zu, dass die während des laufenden vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgte Übernahme des Ummashops durch Herrn Ki. nur möglich war, weil der Kläger ihm vertraute. Herr Ki. als aktives Mitglied des Klägers bot die Gewähr dafür, dass er das bisherige Konzept des Ummashops beibehielt und es im Sinne des Klägers fortführte. Die enge persönliche und geschäftliche Bindung des Herrn Ki. zum Kläger wird durch die genannten Indizien bestätigt. Allein der Umstand, dass nach der Übernahme des Ummashops durch Herrn Ki. die Gewinne nicht mehr vollständig, sondern nur noch zu einem Teil an den Kläger abgeführt wurden, stellt die Einordnung als Teilorganisation nicht infrage. Vielmehr ist von einer fortbestehenden Eingliederung des Ummashops in das Vereinsgeflecht des Klägers auszugehen, auch wenn nach dem Vortrag des Klägers Herr Ki. alle geschäftsbezogenen Entscheidungen selbst getroffen haben soll.

115 eee) Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass SKIB ebenfalls eine Teilorganisation des Klägers ist. Eine gegen diese Einordnung gerichtete Klage des SKIB hat das Gericht mit Urteil vom 7. Juli 2023 (BVerwG 6 A 2.21 ) abgewiesen. Auf die darin enthaltenen Ausführungen wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

116 fff) Das Verhalten von WWR muss sich der Kläger lediglich von 2016 bis Ende März 2019 zurechnen lassen, weil nur in diesem Zeitraum die Voraussetzungen einer Teilorganisation vorlagen und zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung entfallen waren. Zu diesem Ergebnis ist der Senat im Verfahren BVerwG 6 A 4.21 gekommen und hat auf die Klage von WWR die Verbotsverfügung mit Urteil vom 7. Juli 2023 teilweise aufgehoben, soweit sie WWR als Teilorganisation des Klägers betrifft.

117 Das Urteil im Verfahren BVerwG 6 A 4.21 führt nicht zum Teilerfolg der hiesigen Klage. Hatte die Anfechtungsklage der (vermeintlichen) Teilorganisation - wie im Verfahren BVerwG 6 A 4.21 - nur deshalb Erfolg, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 VereinsG zwar zuvor, jedoch nicht mehr im maßgeblichen Zeitpunkt des Verbotserlasses vorlagen, ist damit die Qualifikation - hier: des WWR - als Teilorganisation nicht mit ex-tunc-Wirkung entfallen. Vielmehr bleibt die Organisation für den Zeitraum, in dem sie nach der tatrichterlichen Würdigung in den Gesamtverein eingegliedert war, Teilorganisation im Sinne des § 3 Abs. 3 VereinsG. Deshalb kann sich der Kläger als mit der angefochtenen Verfügung verbotener Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG - wie dargelegt - lediglich darauf berufen, dass ihm das Verhalten von WWR bei der Prüfung der Verwirklichung von Verbotsgründen jedenfalls für den Zeitraum ab April 2019 nicht mehr nach § 3 Abs. 3 VereinsG zugerechnet werden kann.

118 dd) Die Beklagte hat das Verbot des Klägers in der Verbotsverfügung auf die in § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG genannten, eng auszulegenden Gründe gestützt (aaa)). Dabei hat sie die humanitären Hilfeleistungen des Klägers in den Blick nehmen dürfen (bbb)).

119 aaa) Art. 9 Abs. 2 GG statuiert - ausgeführt durch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG - ein Vereinigungsverbot als Schranke der Vereinigungsfreiheit, wenn sich die Vereinigung gegen bestimmte Rechtsgüter von hervorgehobener Bedeutung richtet oder diesen zuwiderläuft, nämlich gegen die der Strafgesetze, die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Nur diese ausdrücklich normierten Gründe rechtfertigen das Verbot als weitestgehenden Eingriff in die Grundrechte einer Vereinigung. Sie sind in der Auslegung nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit insbesondere durch Beschränkung auf die Erforderlichkeit eines Verbots eng zu verstehen. Eine verbotene Zwecksetzung einer Vereinigung folgt daher nicht schon daraus, dass im Zusammenhang mit der Vereinigung nur in der Vergangenheit und nur vereinzelt gegen die Schutzgüter von Art. 9 Abs. 2 GG gerichtete Handlungen vorgekommen sind. Vielmehr soll das Vereinigungsverbot künftige und gerade auch mit dem organisatorischen Gefüge der Vereinigung als zweckgerichtetem Zusammenschluss mehrerer Personen einhergehende Beeinträchtigungen der Schutzgüter präventiv verhindern. Die Verbotsbefugnis des Art. 9 Abs. 2 GG ist auch insoweit eng auszulegen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 104, 131, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 1099/16 - NVwZ 2020, 224 Rn. 23, jeweils unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 <253>; Kammerbeschlüsse vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 385/16 - NVwZ 2020, 226 Rn. 12 und vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 2067/17 u. a. - NVwZ 2020, 1424 Rn. 39).

120 Wird ein Vereinigungsverbot nach Art. 9 Abs. 2 GG auf grundrechtlich geschützte Handlungen gestützt oder werden auf andere Weise sonstige Grundrechte beeinträchtigt, müssen diese Grundrechte im Rahmen der Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 9 Abs. 1 GG beachtet werden. Ein Vereinigungsverbot darf nicht bewirken, dass auf diesem Wege untersagt wird, was die Freiheitsrechte sonst erlauben. Aus der kollektiven Grundrechtsausübung kann aber auch kein weitergehender Grundrechtsschutz folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 113 m. w. N.).

121 Das Vereinigungsverbot als weitestgehender Eingriff kommt nur in Betracht, wenn mildere und gleich wirksame Mittel - wie etwa ein Verbot bestimmter Tätigkeiten der Vereinigung oder Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder - nicht ausreichen, um die Ziele der Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG zu erreichen. Eine Vereinigung kann daher insbesondere nicht allein aufgrund vereinzelter Handlungen einzelner Mitglieder verboten werden. Ein Vereinsverbot ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur dann vereinbar, wenn die Verbotsgründe die Vereinigung tatsächlich prägen oder ihr prägend zuzurechnen sind. Je weniger der Verbotstatbestand durch Handlungen der Organe der Vereinigung selbst, der Mehrheit ihrer Mitglieder oder von ihr beherrschter Dritter erfüllt wird, desto klarer muss erkennbar sein, dass die Vereinigung diese Handlungen kennt, billigt und sich mit ihnen identifiziert (subjektive Zwecksetzung), sodass das Ziel des Art. 9 Abs. 2 GG nur durch ein Verbot der Vereinigung erreicht werden kann. Die Verbotsnorm des Art. 9 Abs. 2 GG ist insofern Ausdruck, nicht Ausnahme von der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 103, 129 f., Kammerbeschluss vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 385/16 - NVwZ 2020, 226 Rn. 17).

122 Für den Schutz der Vereinigungsfreiheit ergibt sich aus den innerhalb der deutschen Rechtsordnung zu beachtenden Regelungen des Völkerrechts nichts anderes. Das gilt insbesondere für die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und ihre Zusatzprotokolle, soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGBl. II S. 685, Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953, BGBl. II 1954 S. 14, Neubekanntmachung der Konvention in der Fassung des 11. Zusatzprotokolls in BGBl. II 2002 S. 1054; vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 115 f. m. w. N.), mit hier vor allem für das auch im Anwendungsbereich des Art. 11 EMRK zu berücksichtigende Verhältnismäßigkeitsprinzip im Falle der Auflösung einer Vereinigung (vgl. dazu EGMR, Urteil vom 8. Oktober 2020 - Nr. 77400/14 u. a., Ayoub u. a. / Frankreich - NLMR 2020, 357 Rn. 118 ff.). Da mithin die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit eines Vereinsverbots geklärt sind, sieht der Senat keinen Anlass der Anregung des Klägers zu folgen und die Frage nach den aus Art. 12 und Art. 52 Abs. 3 EU-GrCh i. V. m. Art. 11 EMRK resultierenden Anforderungen an das Verhältnismäßigkeitsprinzip in Bezug auf das Verbot einer Vereinigung gemäß Art. 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

123 bbb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 9 Abs. 2 GG fällt auch ein Handeln mit humanitärer Zielsetzung unter den Tatbestand des Vereinsverbots, wenn es unmittelbar eine Organisation unterstützt, deren Tätigkeiten die völkerverständigungswidrige Betätigung einer anderen Organisation fördert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. -‌ BVerfGE 149, 160 Rn. 133). Allein generelle "Akzeptanz- und Entlastungsvorteile", die ausgelöst werden können, wenn ein Verein humanitäre Hilfeleistungen in tatsächlich terroristisch kontrollierten Gebieten erbringt, genügen nicht als Anknüpfungspunkt, um einen Verein zu verbieten. Zwar trägt humanitäre Hilfe dann regelmäßig auch zur Entlastung der Konfliktparteien bei. Doch gelten insoweit Regeln des humanitären Völkerrechts und der humanitären Hilfe, die sicherstellen, dass humanitäre Hilfe in solchen Gebieten nicht auf Kosten der dort leidenden Bevölkerung unterbleibt. Humanitäre Hilfe durch Spenden kann danach nur dann ein Vereinigungsverbot nach Art. 9 Abs. 2 GG begründen, wenn die Hilfeleistungen selbst das Gebot der Neutralität verletzen. Zielen Spenden auf die Linderung von Not und achten sie die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit, erfüllt ein so tätiger Verein den Verbotstatbestand nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 ‌- 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 134, 137). Der Senat erachtet diese zu Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG entwickelte bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung als auf alle Verbotstatbestände anwendbar, die durch humanitäre Hilfeleistungen in terroristisch kontrollierten Gebieten verwirklicht werden.

124 Für die Beurteilung, ob die Hilfeleistungen das Gebot der Neutralität verletzen, sind die Regeln des humanitären Völkerrechts heranzuziehen. Die in dem Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 (BGBl. II 1954 S. 917) – GA IV - und dem 1. Zusatzprotokoll über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl. II 1990 S. 1550) – ZP I - enthaltenen Regelungen für die Leistung humanitärer Hilfe in bewaffneten Konflikten sollen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung in derartigen Konflikten ermöglichen. Staaten, die nicht an einem bewaffneten Konflikt beteiligt sind, trifft nach humanitärem Völkerrecht die Pflicht, Gütern und Personal für ohne jede nachteilige Unterscheidung unparteiisch erbrachte Hilfeleistungen in bewaffneten Konflikten Durchlass zu gewähren (Art. 23 Abs. 1 und Art. 59 Abs. 3 GA IV, Art. 70 Abs. 2 ZP I). Das gilt nach Art. 23 Abs. 2 GA IV jedoch nur, wenn daraus kein offensichtlicher Vorteil für militärische Anstrengungen erwächst. Zudem muss die Hilfeleistung für die Versorgung der Bevölkerung erforderlich sein und die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit achten. Gleichzeitig greift die völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten, eine unmittelbare und mittelbare Finanzierung von Terrorismus zu unterbinden, wobei die Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht allerdings unberührt bleiben, sie also neutralen humanitären Hilfeleistungen ebenfalls nicht im Wege stehen. Diese Regeln ermöglichen es, zulässige humanitäre Hilfe von einer die Verbotsgründe erfüllenden Förderpraxis abzugrenzen (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 134 ff. m. w. N.).

125 Ob mit humanitären Hilfeleistungen in tatsächlich terroristisch kontrollierten Gebieten ein Verbotsgrund des Art. 9 Abs. 2 GG verwirklicht wird, weil sie die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit missachten, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles. Entscheidend ist, ob die konkreten Aktivitäten eines Vereins die Grenze zulässiger humanitärer Hilfeleistungen überschreiten. Im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 GG kann hierfür die subjektive Zwecksetzung, mit der die Hilfeleistungen erbracht werden, ausschlaggebend sein. Identifiziert sich der Verein mit den Zielen einer terroristischen Vereinigung, in deren Gebiet er die humanitären Hilfeleistungen erbringt, ist davon auszugehen, dass diese weder neutral noch unparteilich im Sinne des humanitären Völkerrechts geleistet werden (vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 18. April 2012 - 6 A 2.10 - NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 68 ff.).

126 Da für die Beurteilung der Zulässigkeit von Hilfeleistungen nach humanitärem Völkerrecht die Umstände des Einzelfalles maßgebend sind, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die allgemeinen Aussagen in der Strategie des Auswärtigen Amtes zur humanitären Hilfe im Ausland 2019 - 2023 (veröffentlicht am 19. April 2019) berufen, wonach "Zugang zu den Bedürftigen ... auch dort möglich bleiben [muss], wo zum Beispiel Anti-Terror-Gesetze den Dialog mit bestimmten Gruppierungen verbieten" (S. 21). Auch der Schluss des Klägers, die vom Auswärtigen Amt geforderte sorgfältige Abwägung bedeute für die ganz überwiegende Zahl deutscher Hilfsorganisationen in Krisengebieten eine Zusammenarbeit mit den lokalen Terrororganisationen, um Schutz für ihr Personal und sicheres Geleit zu bekommen, greift nicht durch. Nach dem rechtlichen Maßstab ist für die Frage, ob Hilfeleistungen vor Ort als Unterstützung von Terrororganisationen zu qualifizieren sind, allein entscheidend, ob die Hilfeleistungen sich als neutrale und unparteiliche Hilfe darstellen. Dies gilt für Hilfeleistungen des Klägers ebenso wie diejenigen anderer Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz.

127 ee) Der Kläger verwirklicht den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Das setzt voraus, dass die Zwecke und Tätigkeiten der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderlaufen (aaa)). Die Beklagte hat in der Verbotsverfügung zutreffend auf den Straftatbestand der Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Ausland gemäß § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 StGB abgestellt (bbb)), da der Kläger in Syrien die JaN und deren Nachfolgeorganisation HTS (ccc)), im Gazastreifen über WWR die HAMAS (ddd)) und in Somalia mit SKIB die Al-Shabab (eee)) unterstützt hat. Ob der Kläger mit seinen Aktivitäten gegen weitere Strafgesetze verstieß, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht und kann dahingestellt bleiben.

128 aaa) Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG setzt ein "Zuwiderlaufen" gegen die Strafgesetze voraus und verlangt nicht, dass Zweck oder Tätigkeit des Vereins strafbar sein müssen. Auch wenn Vereinigungen als solche nicht straffähig sind, können ihre Zwecke und Tätigkeiten rechtlich gleichwohl strafgesetzwidrig sein. Dies ist gegeben, wenn Organe, Mitglieder oder auch Dritte Strafgesetze verletzen und dies der Vereinigung zuzurechnen ist, weil sie erkennbar für die Vereinigung auftreten und diese das zumindest billigt, oder weil die Begehung von Straftaten durch die Vereinigung bewusst hervorgerufen oder bestärkt, ermöglicht oder erleichtert wird. Das kann auch der Fall sein, wenn eine Vereinigung solche Handlungen nachträglich billigt und fördert, sich also mit ihnen identifiziert, oder wenn zunächst nur einzelne Tätigkeiten die Strafgesetze verletzen, diese jedoch mit Wissen und Wollen der Vereinigung fortgesetzt werden. Ein Vereinigungsverbot genügt nur dann den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit, wenn das Vorgehen gegen einzelne Straftaten nicht ausreicht, weil strafwürdige Handlungen gerade aus der Organisation heraus geplant oder begangen werden, also die Verletzung der Strafgesetze gerade mit der Organisation prägend verknüpft ist. Daran fehlt es etwa, wenn nur einzelne Mitglieder der Vereinigung gegen die Schutzgüter gerichtet handeln oder die Vereinigung ganz überwiegend rechtmäßige Zwecke verfolgt (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 ‌- 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 106, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 1099/16 - NVwZ 2020, 224 Rn. 24; BVerwG, Urteile vom 5. August 2009 - 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 16 und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - ‌BVerwGE 154, 22 Rn. 40 f.).

129 Als eigenständiges Mittel präventiven Verfassungsschutzes ist ein Vereinsverbot nicht an strafrechtliche Verurteilungen gebunden (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 106, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 1099/16 - NVwZ 2020, 224 Rn. 24). Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist von der Verbotsbehörde und von dem gegen ein verfügtes Verbot angerufenen Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen (BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1988 - 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <305>, vom 5. August 2009 - 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 17 f. und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 44). Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK steht dem nicht entgegen (dazu ausführlich: BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 a. a. O.).

130 Der Hinweis des Klägers, gegen seine Verantwortlichen und andere Personen sei keine Anklage erhoben und strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen diejenigen Personen seien eingestellt worden, die ihm Konten zur Verfügung gestellt hätten, ist hiernach für die Prüfung der Strafgesetzwidrigkeit ohne Bedeutung. Ungeachtet dessen ist festzustellen, dass gegen den Vorsitzenden des Klägers und weitere Personen nach wie vor sowohl strafrechtlich als auch steuerstrafrechtlich Ermittlungsverfahren laufen und die vom Kläger angeführten eingestellten Verfahren nicht Verantwortliche des Klägers oder seiner Teilorganisationen betreffen.

131 bbb) Nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft, wer eine Vereinigung (§ 129 Abs. 2 StGB) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) zu begehen. Gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer unter anderem in den Fällen des Absatzes 1 eine dort bezeichnete Vereinigung unterstützt. Dies gilt über § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet (§ 129b Abs. 1 Satz 2 StGB).

132 Eine Vereinigung ist nach § 129 Abs. 2 StGB in der Fassung des seit dem 22. Juli 2017 geltenden Vierundfünfzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2440) ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses. Danach müssen ein organisatorisches, ein personelles, ein zeitliches und ein interessenbezogenes Element gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 ‌- 3 StR 21/21 - BGHSt 66, 137 Rn. 20). Die Vereinigung muss - soweit vorliegend entscheidungserheblich - auf die in § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Straftaten gerichtet sein, d. h. die in Aussicht genommenen Straftaten dürfen voraussichtlich weder gerechtfertigt noch entschuldigt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - AK 15/22, AK 16/22 - NStZ-RR 2022, 191 <192>).

133 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (vgl. BGH, Urteile vom 14. August 2009 ‌- 3 StR 552/08 - BGHSt 54, 69 Rn. 136 und vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17 -‌ BGHSt 63, 127 Rn. 17; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20 - NStZ-RR 2022, 13). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt. Ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08 -‌ BGHSt 54, 69 Rn. 134 und vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17 - BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07 - BGHSt 51, 345 Rn. 11, vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15 - NStZ 2016, 528 und vom 11. August 2021 ‌- 3 StR 268/20 - NStZ-RR 2022, 13). Der Organisation muss durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. ergänzend BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 - BGHSt 32, 243 <244> und vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 <17>; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13/13 u. a. - ‌BGHSt 58, 318 Rn. 19).

134 ccc) Die Aktivitäten des Klägers in Syrien erfüllen den Tatbestand des § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB. Die JaN und ihre Nachfolgeorganisation HTS sind ausländische Terrororganisationen (1), die von dem Kläger aktiv unterstützt wurden (2). Diese Unterstützungshandlungen sind dem Kläger vereinsrechtlich zuzurechnen und erfüllen den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit (3).

135 (1) Die JaN und deren Nachfolgeorganisation HTS sind ausländische Terrororganisationen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129 Abs. 2 sowie § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB. Diese Einschätzung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den Ausführungen des BMI im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 und den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes (BND). Die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Feststellungen, die sich der Senat zu eigen macht, beruhen auf entsprechenden Strukturermittlungen des Generalbundesanwalts sowie Erkenntnissen des BND und des Bundeskriminalamts (BKA) (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. März 2021 - AK 1 und 2/21 - juris Rn. 12, vom 10. März 2021 - StB 8/21 - juris Rn. 13 und vom 10. Juni 2021 - StB 23/21 - juris Rn. 11).

136 Danach wurde die JaN Ende 2011 von Abu Muhammad al-Jawlani und anderen syrischen Mitgliedern der seinerzeitigen Organisation "Islamischer Staat im Irak" (ISI) im Auftrag des Anführers dieser Organisation, Abu Bakr al-Baghdadi, in Syrien gegründet und sollte als deren Ableger im Nachbarland operieren. Die Gründung wurde im Januar 2012 in einem im Internet veröffentlichten Video bekannt gegeben. Zwischen den zwei Gruppierungen kam es im April 2013 zum Bruch, als al-Baghdadi die Vereinigung der Teilorganisationen ISI und JaN im neu ausgerufenen "Islamischen Staat im Irak und Großsyrien" (ISIG) verkündete. Al-Jawlani wies dies als Anführer der JaN zurück, betonte die Eigenständigkeit seiner Gruppierung und legte den Treueeid auf den Emir der Kern-al-Qaida, Ayman al-Zawahiri, ab. Die JaN fungierte danach als Regionalorganisation von al-Qaida in Syrien. Ihr Ziel war der Sturz des dortigen Assad-Regimes, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Scharia ersetzen wollte. Darüber hinaus erstrebte sie die "Befreiung" des historischen Großsyriens, d. h. Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanon, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgte die Vereinigung mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen sowie gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats und von nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten. Insgesamt werden der Gruppierung mehr als 2 000 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 10 000 Menschen getötet wurden. Die JaN arbeitete im Kampf gegen das Assad-Regime in Operationen mit anderen Terrororganisationen zusammen, so etwa bei der Einnahme der Provinzhauptstadt Rakka im März 2013 und bei dem Angriff auf das Zentralgefängnis von Aleppo im Februar 2014. Ab März 2015 bestand ein dauerhaftes Zweckbündnis mit der Terrorgruppe Ahrar al-Sham. Die JaN war militärisch-hierarchisch organisiert. Dem Anführer al-Jawlani war ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter Schura-Rat zugeordnet. Unterhalb dieser Führungsebene standen die Kommandeure der insgesamt aus mehreren Tausend Personen bestehenden kämpfenden Einheiten, die ihrerseits in die vor Ort agierenden Kampfgruppen untergliedert waren. Ihre militärische Ausbildung erhielten die Kämpfer in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gab es Hinweise auf sogenannte "Scharia-Komitees" in den von der Organisation kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regelten und den Aufbau eines eigenen Justiz- und Verwaltungssystems vorantrieben. Nach einer Videoverlautbarung von Muhammad al-Jawlani vom 28. Juli 2016 benannte sich die JaN unter Loslösung von der Kern-al-Qaida in "Jabhat Fath al-Sham" ("Eroberungsfront für Großsyrien") um. Die JaN erfüllt die Merkmale einer ausländischen Terrororganisation (vgl. zum Vorstehenden: BGH, Beschlüsse vom 10. August 2017 - AK 35 und 36/17 - juris Rn. 14, vom 3. März 2021 - AK 13/21 - juris Rn. 12, vom 10. Juni 2021 - StB 23/21 - juris Rn. 7 ff., vom 9. April 2022 - AK 13/22 - NStZ-RR 2022, 180 (LS) = juris Rn. 6 ff. und vom 20. Oktober 2022 - AK34/22 - juris Rn. 7 ff.; BMI, Verfassungsschutzbericht 2020 S. 199, 237).

137 Die HTS ist ein Zusammenschluss verschiedener Gruppierungen militant-fundamentalistischer Ausrichtung, insbesondere unter Beteiligung der JaN. Nachdem sich die JaN im Juli 2016 von al-Qaida getrennt und sich in "Jabhat Fath al-Sham" umbenannt hatte, gründete diese Organisation Anfang des Jahres 2017 als Reaktion auf die Friedensgespräche in Astana mit weiteren extremistisch-islamistischen Milizen das hierarchisch organisierte Bündnis HTS, das jegliche Friedensgespräche ablehnt, die nicht den Rücktritt Assads beinhalten. Wie die JaN hat sich die HTS zum Ziel gesetzt, das Assad-Regime zu stürzen und einen das Gebiet des Staates Syrien umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden Gottesstaat zu errichten. Das Bündnis bekämpfte im Laufe des Jahres 2017 die Regierungstruppen und oppositionelle Gruppen und konnte im Sommer 2017 die Vorherrschaft etwa im Gebiet um Idlib erringen. Seitdem kontrollierte die HTS im Nordwesten Syriens Teile der Regionen um Idlib und Aleppo (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2021 - StB 8/21 - juris Rn. 6; BMI, Verfassungsschutzbericht 2020, S. 199, 237; BND, Behördenerklärung TE-24/2021 S. 3 ff.). Die HTS ist in der Provinz Idlib militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten. Sie befand sich zwischen 2018 und 2021 im Kampf mit dem IS, ohne dass der IS aus der von der HTS kontrollierten Regionen vollständig verdrängt werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2023 - AK 10/23 -‌ juris Rn. 15). Sie übt die Herrschaft in dem von ihr kontrollierten Gebiet durch nach außen formal unabhängige Strukturen aus, die ihr faktisch unterstellt sind (BMI, Verfassungsschutzbericht 2021, S. 212; BND, Behördenerklärung TE-24/2021 S. 5 f.). Damit erfüllt die HTS ebenfalls die Voraussetzungen einer Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2019 - AK 36/19 - juris Rn. 19).

138 (2) Der Kläger unterstützte diese Terrororganisationen vorsätzlich, indem er zum einen in deren Herrschafts- und Einflussbereich humanitäre Hilfeleistungen erbrachte (2.1). Zum anderen war der Kläger aktiv in die Beschaffung militärischer Ausrüstungsgegenstände im Ausland eingebunden und transferierte Gelder nach Syrien für die JaN und die HTS (2.2).

139 (2.1) Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger bis zu seinem Verbot seine humanitären Hilfeleistungen bewusst in den von der JaN und der HTS kontrollierten Gebieten erbrachte und damit diese Terrororganisationen unterstützte. Diese Überzeugung beruht auf der Feststellung, dass die Orte der Hilfeleistungen des Klägers und der räumliche Herrschafts- und Einflussbereich der JaN bzw. HTS in Syrien einen hohen Überschneidungsgrad aufweisen (2.1.1) und auf den Umständen, unter denen die Hilfeleistungen erbracht wurden (2.1.2).

140 (2.1.1) Da sich der räumliche Herrschafts- und Einflussbereich von JaN und HTS zwischen 2013 und 2021 änderte, ist eine zeitabschnittsweise Betrachtung der Orte, in denen der Kläger seine Hilfeleistungen erbrachte, vorzunehmen. Dabei beruhen die Feststellungen, in welchen Orten und Gebieten der Kläger seine Hilfeleistungen in Syrien erbrachte, insbesondere auf seinen eigenen Angaben, die sich im Wesentlichen auf einzelne Projekte beziehen, einer Auswertung der von ihm vorgelegten und veröffentlichten Videos, mit denen er seine Hilfsprojekte bewarb, den vorliegenden Unterlagen, den Zeugenaussagen der Herren S. K., M. A., Sü. Z. sowie der Einlassung des Vorsitzenden des Klägers im Rahmen seiner Einvernahme. Danach ergibt sich folgendes Bild für die Jahre 2013/2014 (2.1.1.1), die Jahre 2015/2016 (2.1.1.2) und die Jahre 2017 bis 2021 (2.1.1.3):

141 (2.1.1.1) Der Kläger begann seine Hilfeleistungen in Syrien im Jahr 2013 mit der Organisation von Hilfskonvois. Er kaufte in Deutschland gebrauchte Krankenwagen, befüllte sie mit gespendeten oder mit Spendengeldern gekauften Hilfsgütern (Lebensmittel, Medizin, Verbrauchsmaterialien und Verbandsstoffe) und fuhr diese mit eigenen Mitarbeitern nach Syrien. Teilweise wurden, nach der Zeugenaussage des Herrn S. K., der die Hilfeleistungen mitorganisierte, Hilfsgüter auch in der Türkei gekauft. In Syrien verteilte der Kläger die Hilfsgüter und lieferte die Krankenwagen bei von ihm selbst betriebenen oder anderen Krankenhäusern ab. Die Konvois waren mit ein bis zwei Fahrern pro Krankenwagen besetzt und fuhren über Österreich entweder auf der sogenannten Balkanroute oder von Italien weiter mit dem Schiff über Igoumenitsa (Griechenland) in die Türkei bis nach Syrien. Ein Konvoi bestand nach der Aussage des Zeugen Sü. Z. aus zwei bis drei Krankenwagen. Es wurden zwei bis drei Konvois pro Jahr durchgeführt. Kontrolliert wurden die Konvois an der griechisch-türkischen und an der türkisch-syrischen Grenze im dortigen Grenzort Reyhanlı. Zum Grenzübertritt nach Syrien gaben die Zeugen S. K., M. A. und Sü. Z. im Wesentlichen übereinstimmend an, dass sie die Konvois nicht selbst über die Grenze fuhren. Sie wurden von Syrern abgeholt, die sie zuvor benachrichtigt hatten und die die Krankenwagen über die Grenze brachten, während die Zeugen selbst die Grenze zu Fuß überquerten. Von dort aus gingen die Konvois in Begleitung von zwei Fahrzeugen und bewaffneten Personen weiter zu ihren Bestimmungsorten.

142 Der Senat geht davon aus, dass die Konvois für die Städte und Regionen Aleppo und Idlib sowie die Stadt Kessab im Gouvernement Latakia bestimmt waren. Hierfür spricht vor allem die schriftsätzliche Einlassung des Klägers, in den Provinzen Aleppo und Idlib aktiv gewesen zu sein. Die Zielorte ergeben sich auch aus den veröffentlichten Videos über die Hilfeleistungen des Klägers in Syrien. Demgegenüber sind die Aussagen der Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu den Zielorten sehr unbestimmt geblieben; ihre Angaben haben sich auf wenige teilweise uneinheitliche Ortsangaben beschränkt, die erst auf Nachfrage und Vorhalte des Gerichts ansatzweise konkretisiert worden sind. Auf diese Weise sollte aus Sicht des Senats vermieden werden, eine Übereinstimmung der Zielorte mit dem Herrschafts- und Einflussbereich der JaN offenzulegen. So hat der Zeuge S. K. zunächst angegeben, die Krankenwagentransporte, bei denen er immer dabei gewesen sei, seien alle in das Grenzgebiet um die Stadt Ad-Dana, nicht aber nach Idlib gegangen. Erst auf Vorhalt des Gerichts, dass ein Krankenwagentransport nach einem Video vom 9. Mai 2014 (abgerufen unter www.youtube.com/​watch?v=hguIqTebHVI) auch nach Kessab (arabisch: Kasab, armenisch: Kesab) gegangen sein müsse, räumte er ein, für den Kläger einmal zwei Krankenwagen dorthin gebracht zu haben. Der Zeuge M. A. hat angegeben, dass die Fahrt des einzigen Konvois, an dem er teilnahm, ab der Grenze noch eine Stunde gedauert habe; erst auf Nachfrage des Gerichts hat er seiner Erinnerung nach als Ziel dieser Fahrt das Krankenhaus des Klägers in Termini/​Rachnie ausgewiesen. Herr Sü. Z. hat in seiner Aussage diesen Ort als einen der Zielorte bestätigt und des Weiteren "Rif Idlib" genannt, an weitere Orte könne er sich nicht erinnern. Letzteres ist aus Sicht des Senats unglaubhaft, da der Zeuge Sü. Z. nach eigenen Angaben mehrmals jährlich an den Krankenwagentransporten teilnahm und die Mitarbeiter des Klägers Listen mit Orten hatten, in denen die Hilfsgüter zu verteilen waren. Zudem hat der Vorsitzende des Klägers in seiner Einvernahme hervorgehoben, dass sie in Syrien vor Ort gewesen seien und die Güter selbst verteilt hätten. Es sei für das Einwerben weiterer Spenden wichtig gewesen, in Videos zu zeigen, wo die Spenden ankämen. Angesichts der Bedeutung dieses Umstandes für den Kläger erscheint es schlechterdings ausgeschlossen, dass ein Mitarbeiter des Klägers im Nachhinein nicht mehr angeben kann, wohin er die Hilfsgüter geliefert hat. Hinzu kommt, dass der Zeuge Sü. Z. nach seiner Aussage in die Organisation der Transporte eng eingebunden war. Danach hatte der Vorsitzende des Klägers ihm jeweils eine Liste mit den in Syrien benötigten Gegenständen gegeben und beide haben sich vor Reiseantritt besprochen. Dem Zeugen Sü. Z. müssten nach alledem die Ziele seiner - im Übrigen nicht ungefährlichen und nicht alltäglichen - Fahrten nach Syrien noch deutlich vor Augen stehen.

143 Neben den Hilfskonvois betrieb der Kläger ausweislich seiner Einlassungen, den vorliegenden Unterlagen und Videos Krankenhäuser in Aleppo, Homs und Umgebung sowie Schulen in Idlib und Afrin. Bestätigt werden die Angaben durch die insoweit wenig spezifizierte Einlassung des Vorsitzenden des Klägers im Rahmen seiner Einvernahme, wonach der Kläger in den ersten Jahren vor allem Hilfstransporte nach Syrien organisierte und Krankenhäuser auch in "Hama-Land und Homs-Land" betrieb.

144 Die Orte und Regionen, in denen der Kläger seine Hilfeleistungen 2013/2014 erbrachte, lagen mit Ausnahme der Schule in Afrin im Herrschafts- und Einflussbereich der JaN. Dies ergibt sich zum einen aus der von der Beklagten vorgelegten Behördenerklärung TE-24/2021 des BND, wonach die syrischen Provinzen Aleppo und Idlib zum Einfluss- und Operationsgebiet der JaN gehörten. Weitere Gruppen des bewaffneten Widerstands wie der sog. Islamische Staat (IS) bzw. dessen Vorgängerorganisation (der sog. Islamische Staat von Irak und Großsyrien - ISIG) waren in diesen beiden Provinzen ebenfalls aktiv. Für die Durchführung von Hilfsprojekten waren Absprachen mit den in der jeweiligen Region dominierenden Widerstandsgruppen notwendig, um Hilfsorganisationen die eigene Sicherheit und eine gewisse Bewegungsfreiheit in den jeweiligen Gebieten zu ermöglichen. Darüber hinaus ist nach der genannten Behördenerklärung des BND davon auszugehen, dass solche Absprachen auch Vereinbarungen zur Überlassung von Hilfsgütern enthielten oder Zahlungen geleistet werden mussten. Zum anderen stützt der Senat seine Einschätzung auf den von der Beklagten vorgelegten "Middle East Security Report 25 - Jabhat Al-Nusra in Syria", Stand: Dezember 2014. Die darin enthaltenen Karten (S. 20, 27 f.) weisen Aleppo und Umgebung, Idlib und Umgebung sowie die Gebiete jeweils nördlich von Homs und Hama als diejenigen Bereiche aus, in denen die JaN aktiv war bzw. die von der JaN kontrolliert wurden, wobei diese damals um Idlib und Aleppo sowie nördlich von Hama zusammen mit weiteren nahestehenden Gruppen kämpfte. Auch die Stadt Kessab war vom 21. März 2014 bis zur Rückeroberung der Stadt durch die Truppen des Assad-Regimes Mitte Juni 2014, also zu der Zeit der Lieferung von zwei Krankenwagen dorthin, unter der Kontrolle der JaN. Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Bericht über die Stadt in Wikipedia (https://de.wikipedia.org/​wiki/​Kessab#Syrischer_B%C3%BCrgerkrieg, abgerufen am 15. Oktober 2021, den Angaben im "Middle East Security Report 25 - Jabhat Al-Nusra in Syria", Stand: Dezember 2014 <S. 27 f.>) sowie den entsprechenden Berichten über die Einnahme der Stadt und deren Befreiung von The Armenian Weekly vom 23. März 2014 "Kessab Targeted by Al-Qaeda Front Groups in Cross-Border Attack from Turkey" (https://armenianweekly.com/2014/03/23/kessab-targeted-by-al-qaeda-front-groups-in-cross-border-attack-fromturkey/), AP News vom 24. März 2014: "Syrian rebels capture town near Turkish border" (https://apnews.com/‌article/774384b7844041d19a9dde63d2d747d8) und Public Radio of Armenia vom 15. Juni 2014: "Kessab liberated" (https://en.armradio.am/2014/06/15/‌kessab-liberated/). Der Kläger ist der Annahme der Eroberung der Stadt Kessab durch die JaN nicht entgegengetreten, sondern hat lediglich darauf hingewiesen, zum Zeitpunkt des Videos über die Lieferung der Krankenwagen dorthin habe man zunächst davon ausgehen können, dass die Verbündeten der Türkei, der FSA, im Wesentlichen verantwortlich für die Einnahme Kessabs gewesen seien.

145 Auch der Hinweis des Klägers, dass nach einem Bericht von Herrn al-Tamimi vom 18. Juli 2013 (www.joshualandis.com/​blog/​the-islamic-state-of-iraq-and-ash-sham-expands-into-rural-northern-syria/) die Stadt Ad-Dana, Gouvernement Idlib, unter der Kontrolle der ISIS gestanden haben soll, ändert nichts an der Beurteilung, dass die Hilfslieferungen des Klägers zum damaligen Zeitpunkt im Herrschafts- und Einflussbereich der JaN lagen. Denn die diese Einschätzung stützende Behördenerklärung TE-24/2021 des BND berücksichtigt bereits, dass in den Provinzen Aleppo und Idlib weitere islamistische und jihadistische Gruppen aktiv waren; zudem ergibt sich aus dem vorherigen Bericht des vom Kläger zitierten Autors al-Tamimi, dass die Trennung zwischen JaN und ISIS in einigen Teilen Syriens unscharf sei (www.joshualandis.com/​blog/​where-does-jabhat-al-nusra-end-and-the-islamic-state-of-iraq-ash-sham-begin/). Ebenso wenig wird die Reichweite des Herrschafts- und Einflussbereichs der JaN durch den Hinweis des Klägers infrage gestellt, dass zwischen 2012 und 2016 Aleppo wie auch die Provinz Idlib zwischen zahlreichen Rebellengruppen umkämpft gewesen sei. Die Behördenerklärung TE-24/2021 des BND hat die dynamische Entwicklung bei ihrer Einschätzung der Reichweite des Herrschafts- und Einflussbereichs der JaN in den Blick genommen.

146 (2.1.1.2) Der Kläger setzte in 2015 - und nach Aussage des Zeugen Sü. Z. bis in das Jahr 2016 - seine Krankenwagenkonvois mit Lieferungen von Hilfsgütern in die Städte und Regionen von Aleppo und Idlib fort. Im Laufe der Zeit traten an die Stelle der Krankenwagentransporte zunehmend Containertransporte mit Hilfsgütern. Die Container wurden nach der Einlassung des Vorsitzenden des Klägers in seiner Einvernahme über den Landweg und per Schiff bis zum Hafen Mersin in der Türkei gebracht. Von dort aus transportierten entweder Mitarbeiter des Klägers oder eine syrische Spedition die Container durch die Pufferzone. Den Betrieb von Krankenhäusern beschränkte der Kläger ebenfalls auf die Gebiete in und um Aleppo und Idlib, wo er neben der Schule in Afrin auch seine weiteren Projekte fortsetzte. Der Vorsitzende des Klägers hat ausgeführt, die weiteren Krankenhäuser aufgegeben und sich aus "Hama-Land und Homs-Land" wie die anderen Hilfsorganisationen zurückgezogen zu haben, nachdem das Assad-Regime mit Russland diese Regionen übernommen habe.

147 Die Konzentrierung der Aktivitäten des Klägers in 2015 und 2016 auf die Gebiete in und um Aleppo und Idlib korreliert mit den Veränderungen des Herrschafts- und Einflussbereichs der JaN in dieser Zeit. Nach der Behördenerklärung TE-24/2021 des BND veränderte sich die Präsenz der jihadistischen und islamistischen Gruppierungen in den syrischen Provinzen Aleppo und Idlib bereits in den Jahren 2013 und 2014. Infolge von Konflikten und bewaffneten Auseinandersetzungen kam es regelmäßig zu Machtverschiebungen und wechselnden Vorherrschaften über Städte und Regionen in Nordwestsyrien. Diese Entwicklung setzte sich in den Jahren 2015 und 2016 ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Karten des Institute for the Study of War (ISW) mit der Bezeichnung "Control of Terrain in Syria" zu den Zeitpunkten Dezember 2014, 22. Mai, 19. Juni, 14. September und 23. Dezember 2015 fort. Der Herrschafts- und Einflussbereich der JaN und entsprechender Rebellenorganisationen erstreckte sich danach vor allem auf die Provinzen von Aleppo und Idlib, während ihr Einflussbereich nördlich von Homs bereits in 2015 stetig kleiner wurde und nördlich von Hama nicht mehr gegeben war. Aus den Karten ergibt sich auch, dass die JaN in dieser Zeit Teile der Provinzen Aleppo und Idlib allein beherrschte. Hierzu gehörte etwa die Grenzregion um Reyhanlı, wo der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen ein Witwenheim betrieb und mit seinen Hilfsgütern die Grenze zu Syrien übertrat.

148 Soweit in den Karten die anderen Bereiche dieser Provinzen, wie etwa die Stadt Idlib und deren unmittelbare Umgebung, als von Rebellenorganisationen beherrscht ausgewiesen werden, schließt diese Darstellung einen dennoch bestehenden dortigen Einfluss der JaN nicht aus. In der ISW-Karte von Dezember 2014 sind die Herrschaftsbereiche der JaN und der Rebellen noch einheitlich dargestellt und die Beklagte hat zahlreiche Nachrichtenmeldungen vorgelegt, die über die Eroberung von Idlib und Umgebung durch die JaN im März 2015 berichteten. Schließlich hat auch der Kläger eingeräumt, dass die Stadt Idlib - in den Karten ein Gebiet der Rebellen - seit 2015 fast vollständig unter der Kontrolle der JaN stand. Die Entwicklung der Herrschafts- und Einflussbereiche der JaN sowie entsprechender Rebellengruppen wird letztlich bestätigt durch die von dem Kläger vorgelegte Karte des ISW "Russian Enabled Regime Gains in Syria", Stand: 30. Dezember 2015, auf der die Entwicklung der Herrschafts- und Einflussbereiche nach der russischen Invasion nachgezeichnet wird (www.understandingwar.org/​sites/​default/​files/​Russian%20Enabled%20Gains%20Map_ISW_2.png). Auf ihr ist zu sehen, dass Kessab zu diesem Zeitpunkt wieder unter der Kontrolle des Assad-Regimes war, Teile von Aleppo im Osten der Stadt unter der Kontrolle der Rebellenorganisationen standen und die Provinzen Aleppo und Idlib ebenfalls von der JaN und den Rebellengruppen beherrscht wurden, wobei Teile dieser Provinzen unter ausschließlicher Kontrolle der JaN standen. Der Hinweis des Klägers, dass dort Ende 2016 noch Truppen der FSA und der syrischen demokratischen Opposition gewesen seien, ändert die vorstehende Beurteilung des Herrschafts- und Einflussbereichs der JaN nicht. Aus dem zum Beleg für seine Auffassung vorgelegten Artikel der "Zeit" aus November 2016 ergibt sich zugleich, dass in Ost-Aleppo das Spektrum der dort kämpfenden Rebellen von Einheiten der FSA bis zur JaN reichte (abgerufen unter www.zeit.de/​politik/​ausland/2016-11/syrien-krieg-aleppo-politische-zukunft).

149 Ein plausibler Grund dafür, weshalb sich der Kläger aus der Region nördlich von Homs in 2016 zurückzog, ergibt sich des Weiteren aus der Karte des ISW "Russian Airstrikes in Syria: February 2 - 16, 2016" (www.understandingwar.org/​sites/​default/​files/​Russian%20Airstrikes%2002-%2016%20FEB%20-01_5.jpg), wonach der JaN- und Rebellenbereich nördlich von Homs vom 8. bis 16. Februar 2016 von den russischen Streitkräften bombardiert wurde. Zwar erfolgten nach dieser Karte russische Luftangriffe auch in Teilen der Provinzen Aleppo und Idlib; es ist aber nicht ersichtlich, dass hierdurch der Herrschafts- und Einflussbereich der JaN in seiner Reichweite maßgeblich geschmälert wurde. Insbesondere fanden keine russischen Luftangriffe im Grenzbereich zu Reyhanlı statt.

150 (2.1.1.3) Zwischen 2017 und 2021 setzte der Kläger seine bereits bestehenden Projekte und seine Containerlieferungen mit Hilfsgütern mit Bezug auf die Städte und Provinzen Aleppo und Idlib sowie Afrin fort. Hinzu kamen ausweislich der vom Kläger veröffentlichten Videos die Errichtung und der Betrieb eines Waisenhauses ab Mitte 2017 (www.youtu.be/​EykrqYO1lhY) sowie eines Krankenhauses ab 2019 (www.youtu.be/Kq2x-mrar38) in Ad-Dana, Gouvernement Idlib.

151 Auch in dieser Zeit deckte sich ein Großteil der Hilfeleistungen und Projekte des Klägers räumlich mit dem Herrschafts- und Einflussbereich der im Jahre 2017 an die Stelle der JaN getretenen HTS. Die HTS bekämpfte - wie bereits dargelegt - im Laufe des Jahres 2017 die Regierungstruppen und oppositionelle Gruppen und konnte im Sommer 2017 die Vorherrschaft etwa im Gebiet um Idlib erringen. Seitdem kontrollierte die HTS im Nordwesten Syriens Teile der Region um Idlib und Aleppo. Die HTS ist in der Provinz Idlib militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten. Nach der Behördenerklärung TE-24/2021 des BND sicherte sich die HTS Anfang Januar 2019 die militärische Vormachtstellung in der Deeskalationszone (DEZ) Idlib, die im Kern die Provinz Idlib sowie Teile der angrenzenden Provinzen Aleppo, Hama und Latakia umfasste. Infolge des Vorrückens der syrischen Streitkräfte vor allem ab Ende 2019 wurde das von der HTS dominierte Gebiet zwischenzeitlich deutlich kleiner als die ursprünglich festgelegte DEZ. Der Umfang des von der HTS kontrollierten Gebiets kann der in der Behördenerklärung enthaltenen Karte entnommen werden. Der Herrschafts- und Einflussbereich der HTS erstreckte sich danach vor allem auf die Stadt und die Provinz Idlib und das nordwestliche Grenzgebiet zur Türkei. Der BND betont in diesem Zusammenhang, dass sich das Operationsgebiet der HTS in der Vergangenheit - also vor 2019 - auch auf andere Teile Syriens erstreckte. Dies ist aus Sicht des Senats nachvollziehbar, weil die HTS den 2017 bestehenden Herrschafts- und Einflussbereich der JaN übernahm. In dem seit 2019 bestehenden Herrschaftsbereich der DEZ Idlib übte die HTS nach der genannten Behördenerklärung des BND die administrative und politische Kontrolle aus, auch nachdem formal die Gebiete in den Zuständigkeitsbereich der sog. Rettungsregierung (SSG) übergeben wurden. Durch die HTS-Kontrolle des Zivilsektors ist es seitdem nahezu ausgeschlossen, internationale Hilfe in Idlib ohne Abflüsse an die Terrororganisationen zu leisten. Solange sich humanitäre Akteure den Vorgaben der HTS unterordnen, sehen sie sich nicht mit repressiven Maßnahmen konfrontiert. Mittels Abgabenerzwingung sichern sich die HTS und die SSG vom Grenzübertritt in die Provinz Idlib bis hin zur Verteilung der Hilfsgüter an die lokale Bevölkerung Gelder, die zur Finanzierung eigener Strukturen genutzt werden. Somit - so die Behördenerklärung des BND - kommen Hilfslieferungen aus dem Ausland zum Teil unmittelbar, aber auch mittelbar über die SSG, der HTS zugute.

152 Die vorstehende Einordnung des Herrschafts- und Einflussbereichs der HTS, der 2017 an denjenigen der JaN anknüpfte und sich später - ab 2019 - auf die DEZ Idlib und den nordwestlichen Bereich der Provinzen Idlib und Aleppo in das Grenzgebiet zur Türkei erstreckte, wird durch die vom Kläger vorgelegten Karten nicht infrage gestellt. Die Karte des ISW "Syria Situation Report: September 14 - 27, 2017" (www.understandingwar.org/​sites/​default/​files/​Syria%20SITREP%2014%20-%2027%20SEP.pdf) zeigt vorrangig die Orte und Daten der Luftangriffe in den verschiedenen Bereichen Syriens in dem Zeitraum vom 14. bis 27. September 2017 und dient nicht der exakten Darstellung von Herrschafts- und Einflussbereichen der jeweiligen Gruppierungen. Das macht auch der in der Legende enthaltene Hinweis deutlich, wonach für diesen Zweck eine gesonderte Karte erstellt werden soll. Dass sich aus der Karte kein ausdrücklicher Herrschafts- und Einflussbereich der HTS ergibt, sondern die Provinzen Idlib und Aleppo als von Oppositionskräften kontrolliert gekennzeichnet werden, ist mithin nicht geeignet, den festgestellten räumlichen Einflussbereich der HTS im Jahr 2017 infrage zu stellen. Im Gegenteil: Die Ausführungen unter Punkt 3 dieser Karte zu den Luftangriffen vom 19. September 2017 belegen, dass die HTS in der Provinz Idlib einschließlich der dortigen DEZ und in Teilen der Provinz Aleppo aktiv und Ziel der Luftangriffe war. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Karte des ISW "Control of Terrain in Syria: March 22, 2018" (www.understandingwar.org/​sites/​default/​files/​Syria%20Control%20of%20Terrain%20-%2020180322.pdf), mit der die jeweiligen Herrschaftsverhältnisse dargestellt werden. Danach standen die Provinz Idlib und Teile der Provinz Aleppo unter der Kontrolle der Oppositionskräfte bzw. von al-Qaida, wobei die Karte nicht zwischen den einzelnen Gruppen differenziert. Sie ist daher ebenfalls ungeeignet, den festgestellten Herrschafts- und Einflussbereich der HTS zwischen 2017 und 2021 infrage zu stellen. Gleiches gilt für die vom Kläger im gerichtlichen Verfahren vorgelegte, aus Wikipedia stammende Karte über türkische Militäroperationen im Gouvernement Idlib, die alle seit dem 7. Oktober 2017 entstandenen türkischen Beobachtungsposten und andere militärische Einrichtungen sowohl in der west-/östlichen als auch in der nord-/‌südlichen Ausrichtung der DEZ Idlib und Umgebung ausweist (https://en.wikipedia.org/​wiki/​Turkish_military_operation_in_Idlib_Governorate). Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus dieser Darstellung der Präsenz des türkischen Militärs in der DEZ Idlib und Umgebung nicht, dass die Annahme eines dortigen Herrschaftsbereichs der HTS und vor allem die in der Behördenerklärung TE-24/2021 des BND enthaltene Karte unzutreffend bzw. falsch sind. Die Karte in der Behördenerklärung TE-24/2021 des BND hat ausweislich ihrer Legende nicht die Präsenz des türkischen Militärs, sondern ausschließlich eine Lagekarte der DEZ Idlib mit den darin enthaltenen HTS-dominierten Gebieten zum Gegenstand. Daher schließt die Militärpräsenz der Türkei in Teilen der DEZ Idlib die Annahme des festgestellten Herrschafts- und Einflussbereichs der HTS nicht aus. Wie die Ausführungen auf der vom Kläger angeführten Internetseite zu der von ihm vorgelegten Karte über türkische Militäroperationen zeigen, sind die türkischen Beobachtungsposten und militärischen Einrichtungen seit 2017 dauerhaft Ziel von Angriffen und Auseinandersetzungen gewesen, in denen auch die HTS verwickelt war. Schließlich verhält sich der klägerische Hinweis auf den Wikipedia-Eintrag zu Ad-Dana (Stand der Bearbeitung: 30. August 2022), wonach diese Stadt aktuell von der Syrischen Nationalarmee beherrscht wird (https://en.wikipedia.org/​wiki/Al-Dana,_Syria), ebenfalls nicht zu den von der HTS kontrollierten Gebieten im hier maßgebenden Zeitraum bis 2021.

153 (2.1.2) Der Kläger hat mit seinen humanitären Hilfeleistungen und Projekten die Terrororganisationen bewusst unterstützt. Ausgangspunkt hierfür ist, dass er - wie zuvor dargestellt - seine humanitären Hilfeleistungen weit überwiegend im Herrschafts- und Einflussbereich der JaN bzw. HTS erbrachte und diese Hilfeleistungen nicht ohne Absprachen und Zahlungen an jene Terrororganisationen durchgeführt werden konnten. Der Kläger bestreitet zwar, derartige Zahlungen an die JaN bzw. HTS erbracht zu haben, und behauptet, die humanitären Hilfeleistungen ohne Zahlungen an Terrororganisationen unter dem Schutz der FSA durchgeführt zu haben. Diesen Vortrag wertet der Senat aber als Schutzbehauptung. Dies folgt aus den hohen Bargeldbeträgen, die die Mitarbeiter des Klägers auf ihren Reisen nach Syrien mit sich führten und deren Verwendung nicht hinreichend belegt ist (2.1.2.1) sowie den weiteren Umständen der Erbringung der Hilfeleistungen (2.1.2.2).

154 (2.1.2.1) Die Mitarbeiter des Klägers nahmen auf ihren Reisen nach Syrien hohe Geldbeträge mit, deren Verwendung für den Kauf von Hilfsgütern und die Projekte vor Ort nicht umfassend belegt ist.

155 Der Zeuge Sü. Z. sagte aus, er habe auf den Reisen nach Syrien Bargeld in der Größenordnung von 20 000 € bis 40 000 € wegen möglicher Kosten für die Reparatur von Fahrzeugen und den Kauf von Hilfsgütern in der Türkei mitgenommen. Das hierfür nicht benötigte Geld sei an Flüchtlinge verteilt, für die Versorgung der Kinder im Waisenhaus sowie für die Löhne und Versorgung des Krankenhauses verwandt worden. Herr S. K. gab bei seiner Zeugenvernehmung einerseits an, nach Griechenland habe man nur weniger als 10 000 € pro Person mit sich führen dürfen, während der Umfang des mitgeführten Bargelds für die türkischen Behörden nicht von Interesse gewesen sei. Bei Kontrollen sei kein Bargeld gefunden worden. Andererseits räumte er ein, dass jeder Mitarbeiter bis zu 10 000 € habe mitnehmen können und deshalb die Bezahlung von Hilfsgütern in der Türkei wie etwa von sechs Tonnen Reis für 2 000 € bis 3 000 € kein Problem gewesen sei. Der Vorsitzende des Klägers führte aus, dass sie - als sie in Syrien ein Krankenhaus und ein Waisenhaus hatten - Bargeldtransporte durchgeführt hätten, um beispielsweise Gehälter im Krankenhaus zahlen zu können. Später habe es dann nur noch Finanzströme und selten Bargeld gegeben.

156 Aus den Aussagen des Vorsitzenden und der Mitarbeiter des Klägers ergibt sich, dass die Mitarbeiter des Klägers sowohl bei den anfänglich durchgeführten Hilfskonvois als auch später im Zuge der Begleitung der Container mit Hilfsgütern große Mengen Bargeld bei sich führten. Da bei den Konvois ein Krankenwagen von ein bis zwei Mitarbeitern gefahren wurde, ist davon auszugehen, dass der Kläger mit jedem Konvoi jeweils mehrere 10 000 € nach Syrien brachte. Es ist nicht ersichtlich, dass die während des Transports auftretenden Kosten die Mitnahme einer solchen Bargeldmenge verlangten. Ebenso lässt die Aussage des Zeugen S. K. betreffend den Kauf von Hilfsgütern in der Türkei trotz Nachfrage des Gerichts nicht erkennen, weshalb der Zeuge Sü. Z. hierfür Geldbeträge von bis zu 40 000 € mit sich führte. Soweit der Vorsitzende des Klägers und der Zeuge Sü. Z. darauf hingewiesen hatten, dass das verbliebene Geld auch für die Projekte vor Ort, also etwa für Gehaltszahlungen verwendet worden sei, mag dies zutreffen. Es ist aber dem Vortrag des Klägers und den gemachten Aussagen nicht zu entnehmen, wann im Einzelnen die Gelder welchen Projekten zugeflossen sein sollen. Dementsprechend lässt sich weder anhand der genannten Zeugenaussagen oder der Einlassung des Vorsitzenden des Klägers noch durch dessen vorgelegte Unterlagen eine vollständige Verwendung der Geldmittel belegen. Die von dem Kläger eingereichte Projektübersicht beziffert die Ausgaben für die Projekte in Syrien mit 7 573 747,57 €, ohne dass der Kläger im Verfahren diese Ausgaben auch nur ansatzweise aufgeschlüsselt hat. Anhaltspunkte dafür, dass sich eine Aufteilung der Ausgaben für die Projekte anhand der von der Beklagten beschlagnahmten Unterlagen vornehmen ließe, sind ebenso wenig festzustellen. Nach den Angaben in dem Analysebericht des LKA NRW vom 13. Juli 2020 konnte ein Gesamtumsatz auf den ermittelten Konten in Höhe von 12 887 579 € und insgesamt von 13 576 853 € festgestellt werden, bei dem es sich - wie schon dargelegt - nur um einen kleinen Teil der vom Kläger erwirtschafteten Umsätze handelt. Die Finanzanalyse hat weitere Finanzströme aufgezeigt, die dem legalen, buchhalterischen Geschäftsvorgang vorsätzlich entzogen worden sind und dem Prinzip einer transparenten Buchhaltung widersprechen. Bestätigt wird diese Einschätzung durch den Vermerk des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf vom 9. August 2022, in dem festgestellt wird, dass Gegenstand der dortigen Ermittlungen die Prüfung der Mittelverwendung ist und die Verwendung der Spenden insbesondere im Ausland nach den bisher gesichteten Unterlagen nicht hinreichend belegt ist. Die anderslautende Behauptung des Klägers, seine Buchhaltung sei nachvollziehbar und vollständig, entbehrt angesichts dieser Feststellungen in Ansehung der hohen Bareinnahmen des Klägers jeglicher Grundlage, sodass der Senat nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO keinen Anknüpfungspunkt für weitere Ermittlungen sieht. Das Vorbringen, sämtliche verbliebenen Gelder seien für die Hilfeleistungen und Projekte erbracht worden, ist jedenfalls als bloße Schutzbehauptung zu werten.

157 (2.1.2.2) Die Verwendung eines Teils des Bargelds zur Absicherung der Hilfeleistungen und Projekte des Klägers in Form von Zahlungen an die Terrororganisationen wird durch die weiteren Umstände bestätigt, unter denen die Hilfeleistungen erbracht wurden.

158 Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sü. Z., S. K. und M. A. sowie des Vorsitzenden des Klägers in der mündlichen Verhandlung bekamen sie bei ihren Projekten Hilfe von einer Familie Hi., die für die bewaffnete Begleitung der Konvois und die Durchführung der Hilfslieferungen sorgte, indem sie den Mitarbeitern des Klägers Listen mit Orten und Personen überreichte, zu denen die Hilfsgüter gebracht werden sollten. Die von der Familie Hi. organisierte Begleitung der Konvois wusste nach der Aussage des Zeugen Sü. Z. und der Einlassung des Vorsitzenden des Klägers, auf welchen Routen sie entlangfahren mussten, um die Hilfslieferungen an die Zielorte zu bringen. Auf den Fahrten seien sie an Checkpoints kontrolliert worden, die sie passieren konnten.

159 Die Begleitung der Hilfskonvois durch bewaffnete Personen wird durch das von dem Kläger veröffentlichte Video vom 8. Juni 2014 bestätigt, in dem Herr M. A. zu sehen ist, der einen Krankenwagen in die Einfahrt eines Krankenhauses fährt. Aus diesem Krankenwagen werden nicht nur Hilfsgüter entladen, sondern es ist im Hintergrund ein Mann erkennbar, der zwei Gewehre aus dem Krankenwagen holt. Des Weiteren zeigt der Vorsitzende des Klägers in dem Video die Einrichtung des Krankenhauses; hierbei wird er von bewaffneten Personen begleitet (www.youtube.com/​watch?v=uKSGSM6MIRY).

160 Darüber hinaus ist der Senat überzeugt, dass die Durchführung der Hilfeleistungen und Projekte jedenfalls nicht ohne Billigung und nicht ohne die notwendigen Absprachen mit der JaN bzw. HTS erfolgen konnte. Das Vorbringen des Klägers, keine Zahlungen an die Terrororganisationen geleistet und die Hilfeleistungen nur in von der FSA kontrollierten Gebieten erbracht zu haben, erachtet der Senat als nicht glaubhaft. Hierbei stützt er sich nicht auf die Aussage von Frau Si. Z., wonach ihr geschiedener Ehemann, der Zeuge Sü. Z., gesagt haben soll, dass sie bei der Lieferung von Hilfsgütern von den Soldaten der JaN unterstützt worden seien. Ob dies tatsächlich der Fall war, vermag der Senat auf der Grundlage der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung nicht festzustellen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Kläger die Hilfskonvois und Projekte nur aufgrund von Absprachen mit der JaN bzw. HTS durchführen konnte und auch tatsächlich durchgeführt hat. Ohne derartige Absprachen mit diesen Terrororganisationen ist es nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht denkbar, dass die Mitarbeiter des Klägers mit der Hilfe der Familie Hi. mehrfach Konvois von der türkischen Grenze bis zu den Zielorten in Begleitung von Fahrzeugen und bewaffneten Personen innerhalb des von den Terrororganisationen kontrollierten Gebietes bewegen und die Hilfsgüter in den jeweiligen Zielorten mit Unterstützung der Ortsbürgermeister verteilen konnten.

161 Zudem sind die entsprechenden Einlassungen des Vorsitzenden des Klägers sowie der Zeugen S. K. und Sü. Z., sie seien von der FSA begleitet worden, nicht überzeugend. Deren Aussagen in der mündlichen Verhandlung über die Begleitung der Konvois unter dem vorgeblichen Schutz der FSA wirken abgesprochen und sind detailarm. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger sein Vorbringen zum Schutz seiner Konvois in Syrien im Laufe des Verfahrens gesteigert und abgewandelt hat. Schriftsätzlich hat er im Vorfeld der mündlichen Verhandlung lediglich behauptet, er habe sich stets von Einheiten der FSA beschützen lassen, wobei Herr S. K. für die Kontakte des Klägers in Syrien zuständig gewesen sei. Die weiteren Einzelheiten und insbesondere die von der Familie Hi. organisierte bewaffnete Begleitung der Konvois hat er nicht erwähnt. Erst in der mündlichen Verhandlung hat sich der Vorsitzende des Klägers darauf berufen, dass die Konvois von einer syrischen Familie und deren Bekannten empfangen worden seien. Diese seien bewaffnet gewesen, wobei manche von den Begleitern der FSA angehört hätten. Die Begleiter seien zivil gekleidet gewesen; der FSA hätten seiner Wahrnehmung nach auch Zivilisten angehört. Entsprechend dem gesteigerten Vorbringen des Klägers haben auch die Zeugen M. A., S. K. und Sü. Z. in der mündlichen Verhandlung nur ausgesagt, dass die Begleiter der Konvois der FSA angehört hätten. Der Zeuge S. K. hat ergänzend ausgeführt, dass die Mitglieder der Familie Hi. die Konvois begleitet hätten, bewaffnet und gegen das Assad-Regime gewesen seien. Sie hätten zur FSA gehört, weil die Begleiter ihm dies auf seine Nachfrage gesagt hätten und die JaN dort nicht gewesen sei. Herr Sü. Z. hat in seiner Zeugenaussage erst auf Vorhalt und Nachfrage des Gerichts die Begleitung der Konvois durch weitere Fahrzeuge und bewaffnete Personen bestätigt und damit den Eindruck erweckt, nicht mehr darüber aussagen zu wollen als notwendig. Zudem hat er nur eingeräumt, dass sie von der Familie Hi. an der Grenze abgeholt worden seien und er mitbekommen habe, dass die FSA vor Ort gewesen sei. Diese Informationen habe er aus den Medien erhalten. Die FSA habe er an deren Abzeichen, einer grün-weiß-schwarzen Flagge, erkannt. Das Abzeichen sei an der Brust und an den Seiten getragen worden. Er konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, ob auf den Abzeichen auch arabische Zeichen waren.

162 Die Behauptungen der Zeugen M. A. und S. K., sie seien von der FSA begleitet worden, vermögen schon angesichts des dargestellten Herrschafts- und Einflussbereichs der Terrororganisationen nicht zu überzeugen. Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass die Zeugen ihre Annahme, bei den bewaffneten Begleitern habe es sich um Angehörige der FSA gehandelt, nicht anschaulich und mit nachvollziehbaren Details zu begründen vermochten, für die Unglaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Dies gilt insbesondere für die Erklärung des Zeugen S. K., der die bewaffneten, ihm bis dahin unbekannten Begleiter zunächst gefragt haben will, welcher Gruppierung sie angehörten. Erst nach Offenlegung der Zugehörigkeit zur FSA will er zu diesen gesagt haben, dies sei gut, nun könne man zusammenarbeiten. Es erscheint dem Senat gänzlich abwegig, in einem Krisengebiet wie Syrien solchermaßen naiv vorab eine "Geschäftsgrundlage" mit unbekannten Bewaffneten geklärt zu haben, um sodann deren Schutz für die Auslieferung von Hilfeleistungen in Anspruch nehmen zu können. Dieser Aussage mangelt es offenkundig an jedem Realitätsbezug.

163 (2.2) Der Kläger verwirklichte den Straftatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Verbotsverfügung zwar nicht mit der Lieferung militärischer Ausrüstungsgegenstände von Deutschland aus an die JaN und die HTS (2.2.1). Er beging dieses Delikt aber dadurch, dass er aktiv in die Beschaffung militärischer Ausrüstungsgegenstände im Ausland eingebunden war und Gelder nach Syrien zur JaN bzw. HTS transferierte (2.2.2).

164 (2.2.1) Soweit die Verbotsverfügung den Tatbestand des § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 i. V. m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 StGB wegen der Lieferung militärischer Ausrüstungsgegenstände von Deutschland aus an die JaN und die HTS als gegeben erachtet, ist dem nicht zu folgen. Weder bei dem Zeugen M. A. (dazu unter 2.2.1.1) noch bei dem Zeugen Sü. Z. (dazu unter 2.2.1.2) befanden sich militärische Ausrüstungsgegenstände, die für die JaN oder HTS bestimmt waren.

165 (2.2.1.1) Das Nachtsichtgerät und das Zielfernrohr, die ausweislich des Durchsuchungsberichts im Rahmen der Durchsuchung am 5. Mai 2021 in der Wohnung von Herrn M. A. gefunden wurden, sind nach der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Inaugenscheinnahme keine militärischen Ausrüstungsgegenstände, sondern handelsübliche Geräte, wie sie etwa von Jägern verwendet werden. Dies gilt sowohl für das Zielfernrohr, welches auf eine Jagdwaffe montiert werden kann, als auch für das Nachtsichtgerät, dessen Verpackung und Bedienungsanleitung nicht auf eine militärische Zwecksetzung schließen lassen. Die Beklagte hat insoweit eingeräumt, dass das Nachtsichtgerät nicht zum Montieren auf einer Waffe geeignet sei.

166 Auch liegt die Annahme fern, dass das Nachtsichtgerät und das Zielfernrohr für die JaN oder die HTS bestimmt waren. Der Senat ist davon überzeugt, dass beide Gegenstände aus einer Wohnungsentrümpelung stammten, die unter Beteiligung von Herrn M. A. durchgeführt wurde. Hierfür sprechen der von dem Kläger vorgelegte Kostenvoranschlag der Firma "UD Umzug und Dienstleistung" vom 8. Februar 2018 für die Entrümpelung eines Hauses in Münster, bei der Herr M. A. nach eigener Aussage mitgewirkt hatte, und die seitens des Gerichts eingeholte schriftliche Aussage von Frau Kl., der Auftraggeberin. Ihre Aussage hat der Senat im Wege des Urkundenbeweises, der kein besonderes förmliches Verfahren erfordert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1990 - 9 B 325.89 - Buchholz 412.3 § 18 BVFG Nr. 13), in die mündliche Verhandlung eingeführt. Danach hatte Frau Kl. der genannten Firma den Auftrag zur Entrümpelung des Hauses erteilt, in dem ihre Eltern gelebt hatten. Da der Vater Jäger gewesen sei, hat sie nicht ausschließen können, dass sich zum Zeitpunkt der Entrümpelung noch ein Nachtsichtgerät und ein Zielfernrohr auf dem Dachboden befunden hatten. Herr M. A. hat in seiner Zeugenaussage den Vortrag des Klägers bestätigt und angegeben, das Nachtsichtgerät und das Zielfernrohr mit nach Hause genommen zu haben, um es zu verkaufen.

167 (2.2.1.2) Aufgrund der im gerichtlichen Verfahren durchgeführten weiteren Beweisaufnahme konnte der Senat sich auch nicht die Überzeugung bilden, dass die bei Herrn Sü. Z. gelagerten Ausrüstungsgegenstände für den militärischen Einsatz der JaN bzw. HTS bestimmt waren und der Kläger sie deshalb nach Syrien transportierte.

168 Zwar ist davon auszugehen, dass Herr Sü. Z. für den Kläger vier Schutzwesten, wie sie von Medienvertretern in Krisengebieten getragen werden, einen Wanzenscanner, Walkie-Talkies, Kameras und Laptops im Waschkeller seines Wohnhauses aufbewahrt hatte und diese Gegenstände nach Syrien transportierte. Denn insoweit stimmen die Zeugenaussagen von Frau Si. Z. und Herrn Sü. Z. in der mündlichen Verhandlung überein, weshalb der Senat keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Teils der beiden Aussagen hat. Es steht aber nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die gelagerten Gegenstände für die militärische Ausstattung der JaN bestimmt waren. Denn sie sind ohne Weiteres auch für die zivile Nutzung einsetzbar und ihre militärische Verwendung drängt sich nicht auf. Der Zeuge Sü. Z. hat insoweit nachvollziehbar angegeben, dass die Gegenstände für die Arbeit des Klägers und die Hilfsprojekte vorgesehen waren. Die Schutzwesten wurden danach von den Mitarbeitern des Klägers auf den Transportwegen in Syrien getragen, was der Zeuge auch seiner damaligen Ehefrau nach deren Zeugenaussage mitgeteilt hatte. Mit den Kameras wurden die Videos angefertigt, mit denen die Hilfeleistungen dokumentiert wurden. Die Laptops, die Herr Sü. Z. nach den übereinstimmenden Angaben beider Zeugen in Münster gekauft hatte, waren für die Krankenhäuser bestimmt. Die Walkie-Talkies wurden für die Kommunikation zwischen den Kraftfahrzeugen während des Transports der Hilfsgüter verwandt. Bei dem im Keller gelagerten Wanzenscanner soll es sich nach Aussage des Zeugen Sü. Z. lediglich um ein kleines, billiges Gerät in der Größe eines Mobiltelefons aus chinesischer Herstellung gehandelt haben.

169 Soweit die Zeugin Si. Z. in der mündlichen Verhandlung und auch schon in ihren Vernehmungen als Zeugin durch Beamte des Polizeipräsidiums Münster bzw. des LKA NRW in Düsseldorf am 27. Februar, 8. und 13. März 2019 angegeben hat, ihr geschiedener Ehemann habe für den Kläger weitere Gegenstände wie etwa Nachtsichtgeräte im Waschkeller gelagert, die für den Transport nach Syrien vorgesehen gewesen seien und die ihrer Auffassung nach für den Kriegseinsatz bestimmt seien, hat der Zeuge Sü. Z. dies nicht bestätigt und es drängt sich auch insoweit eine militärische Nutzung nicht ohne weitere Anhaltspunkte auf. Hinzu kommt, dass nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand bei Kontrollen der Konvois des Klägers in Deutschland keine derartigen, für die militärische Nutzung vorgesehenen Ausrüstungsgegenstände gefunden worden sind. Es lässt sich daher zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass der Kläger militärische Ausrüstungsgegenstände von Deutschland aus nach Syrien für die JaN und HTS transportiert hat.

170 (2.2.2) Der Kläger war allerdings aktiv in die Beschaffung militärischer Ausrüstungsgegenstände im Ausland eingebunden und transferierte für diesen Zweck Gelder nach Syrien zur JaN bzw. HTS. Dies ergibt sich aus den Aktivitäten des Herrn D. (2.2.2.1) und der Aussage der Zeugin Si. Z. (2.2.2.2).

171 (2.2.2.1) Herr D. war nach dem Sachstandsbericht des Landeskriminalamts Schleswig-Holstein (LKA SH) vom 29. Januar 2018 in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Flensburg wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Terrorismusfinanzierung und anderer Delikte eigenen Angaben zufolge für den Kläger seit 2013 tätig und reiste für ihn im Rahmen der humanitären Hilfeleistungen wie etwa dem Transport von Krankenwagen mehrfach nach Syrien. Diese Tätigkeit des Herrn D. wird nach den vorliegenden Unterlagen durch zahlreiche, von dem Kläger zwischen 2015 und 2018 veröffentlichte Videos über Hilfslieferungen und Projekte in Syrien belegt, auf denen Herr D. mit weiteren Mitarbeitern des Klägers wie etwa Herrn S. K. zu sehen ist und ausdrücklich als Mitglied des Klägers bezeichnet wird. Herr D. gab zudem nach dem Sachstandsbericht LKA SH vom 29. Januar 2018 (S. 24 ff.) bei einer Ausreisekontrolle aus der Bundesrepublik Deutschland am 6. Mai 2016 gegenüber den kontrollierenden Beamten an, Mitglied des Vereins Aktion Ansar zu sein, und hatte Identitätspapiere des Herrn Sü. Z. sowie drei Dokumente über den Kauf von Krankenwagen bei sich. Zudem war er auch in die finanziellen Transaktionen des Klägers eingebunden. Er sammelte für den Kläger in Deutschland Spenden und transferierte diese über Western Union an eine Frau Y. nach Reyhanlı. Des Weiteren wurde ein auf dem Konto seiner Ehefrau eingehender Geldbetrag von 2 000 € mit dem Verwendungszweck "Brunnen" an den Kläger weitergeleitet (vgl. Sachstandsbericht LKA SH vom 29. Januar 2018, S. 22 f., 34 und 53 f.). Darüber hinaus geht aus einem von der Beklagten vorgelegten Protokoll über einen im Juni 2016 erfolgten Chat zwischen Herrn D. und einer Person namens H. A. hervor, dass er in den Kauf von Zielfernrohren in der Türkei und deren Lieferung über den Grenzübergang Reyhanlı nach Syrien eingebunden war. Dass diese für die JaN bestimmt waren, ergibt sich insoweit aus dem Zusammenhang des Chats, in dem von der JaN als den "Brüdern" gesprochen wird. Zudem ist Herr D. ausweislich der Feststellungen des Sachstandsberichts LKA SH vom 29. Januar 2018 ein Sympathisant der JaN; er unterstützt diese Terrororganisation, veröffentlicht Fotos von der JaN auf seiner Facebook-Seite, rekrutiert für den Jihad, den er als legitim erachtet, und wünscht sich ein Kalifat auf Basis des islamischen Glaubens. Bestätigt wird dies aus dem Inhalt eines Chats aus Juli 2014, wonach er für die JaN ist und Unterstützungsleistungen für diese Terrororganisation in Form von Krankenwagen, Medizin oder Geld organisiert.

172 Wenn der Kläger bestreitet, von den Aktivitäten des Herrn D. und dessen Einstellung zur JaN Kenntnis gehabt zu haben, und dessen Vorsitzender in der mündlichen Verhandlung vorgibt, sich schon 2015 von ihm getrennt zu haben, erachtet der Senat diese Einlassungen als Schutzbehauptung. Der Vollzug der Trennung schon im Jahre 2015 erweist sich nach den vorstehenden Feststellungen schon deshalb als unglaubhaft, weil Herr D. noch im Jahr 2016 als Mitarbeiter des Klägers auf dessen Videos über Hilfeleistungen und Projekte zu sehen war und der Kläger seine Angaben zum Trennungszeitpunkt erst in der mündlichen Verhandlung konkretisierte. Schriftsätzlich hatte er zuvor lediglich die zeitlich unbestimmte Angabe gemacht, sich vor der ersten Durchsuchung im April 2019 von Herrn D. wegen dessen weiterer Aktivitäten in Syrien getrennt zu haben. Die angebliche Unkenntnis des Klägers von der Sympathie des Herrn D. für die JaN erscheint im Lichte der jahrelangen engen Zusammenarbeit, der umfassenden Einbindung in die konkrete Projektarbeit vor Ort, der Teilnahme an den von den Herren Sü. Z. und S. K. organisierten Krankenwagentransporten sowie der Veröffentlichung von Fotos der JaN auf der Facebook-Seite des Herrn D. als vorgeschoben. Wenn der Kläger eine Zurechenbarkeit des Verhaltens von Herrn D. wegen dessen Aussage in dem Chat vom Juli 2014, alleine tätig zu sein, bestreitet, ist dies vor dem Hintergrund zu würdigen, dass dessen Chat mit einer dritten Person über seine Facebook-Seite lief und es dabei nur um die dort sichtbare Sympathie für die JaN und deren Unterstützung ging. Anhaltspunkte dafür, dass Herr D. 2014 tatsächlich alleine und nicht mehr für den Kläger aktiv war, bestehen nicht.

173 (2.2.2.2) Die Beklagte geht in der Verbotsverfügung zutreffend davon aus, dass der Kläger die JaN mit Geldzahlungen materiell unterstützte, die nicht im Zusammenhang mit Leistungen zur Durchführung von humanitären Hilfeleistungen standen. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich bereits daraus, dass - wie schon dargelegt - die Mitarbeiter des Klägers bei ihren Reisen nach Syrien hohe Geldbeträge mit sich führten, deren ausschließliche Verwendung für den Transport und die Projekte des Klägers vor Ort in Syrien nicht nachgewiesen ist. Darüber hinaus stützt der Senat seine Einschätzung auf die Aussage der Zeugin Si. Z. in der mündlichen Verhandlung, in der diese wiederholt angab, dass ihr Ehemann Geld nach Syrien transferiert habe, das für die JaN bestimmt gewesen sei. Dies hat - so die Zeugin - ihr damaliger Ehemann, der Zeuge Sü. Z., ausdrücklich bei jeder Reise nach Syrien gesagt. Die Zeugin Si. Z. beschrieb das Vorgehen ihres geschiedenen Ehemannes dahingehend, dass er sich für den Transport des Geldes einen Brustbeutel besorgt hatte und das Geld - mehr als 10 000 € – darin transportierte. Das Geld sei, soweit davon nicht Lebensmittel und Bekleidung in der Türkei gekauft worden seien, für die Unterstützung der JaN bestimmt gewesen. Sie habe das Geld selbst gesehen, wobei sie die Stückelung nicht mehr hat angeben können. Auch habe ihr Ehemann häufiger mit einer Hand die Geste eines Fingers am Abzug einer Waffe gemacht, ohne dass ihr in der mündlichen Verhandlung noch erinnerlich gewesen ist, ob er diese Geste im Zusammenhang mit der JaN gemacht habe.

174 Der Senat erachtet den Inhalt der Aussage als glaubhaft und die Zeugin Si. Z. für glaubwürdig. Danach ist davon auszugehen, dass Herr Sü. Z. für den Kläger Geld nach Syrien transportierte, um damit unmittelbar die JaN finanziell, etwa für den Kauf von Waffen, zu unterstützen. Die Glaubhaftigkeit der Aussage von Frau Si. Z. in der mündlichen Verhandlung beruht vor allem darauf, dass die Angaben in Bezug auf den Transport von Geldern für die JaN durch ihren Ehemann in sich widerspruchsfrei sind und im Kern mit den drei Aussagen übereinstimmten, die die Zeugin am 27. Februar, 8. und 13. März 2019 vor Beamten des Polizeipräsidiums Münster bzw. LKA NRW machte. Bereits in ihrer ersten Vernehmung gab sie an, ihr damaliger Ehemann habe einmal 20 000 € und einmal 35 000 € nach Syrien gebracht und es nach dessen Aussage ihr gegenüber bei der JaN abgegeben; von dem Geld hätten Waffen gekauft werden sollen, wobei er das Wort "Waffen" nie gesagt, sondern mehrmals das Handzeichen der Betätigung einer Waffe verwandt habe. Für sie sei es eindeutig gewesen, dass er damit Waffen gemeint habe. Er habe Anrufe von Kämpfern bekommen, danach Geld gesammelt und dies nach Syrien gebracht, damit hiervon Waffen gekauft werden konnten. Im Rahmen ihrer zweiten Vernehmung am 8. März 2019 bestätigte Frau Si. Z. den Sachverhalt im Wesentlichen. Abweichungen in ihrer Aussage bezogen sich insoweit allein auf den unteren Betrag, den sie in dieser Vernehmung auf 25 000 € bezifferte und auf den Beutel, in dem ihr damaliger Mann das Geld transportierte: eine Bauchtasche von "Nike". Auch in der dritten Vernehmung am 13. März 2019 erwähnte die Zeugin erneut, ihr damaliger Mann habe Geld an die JaN übergeben. Die geringfügigen Abweichungen in den Aussagen der Zeugin in Bezug auf die konkrete Höhe der Gelder und den Beutel, in dem das Geld transportiert wurde, erachtet der Senat als unschädlich. Sie sind Beleg dafür, dass die Aussage der Zeugin nicht einstudiert ist und lassen sich damit erklären, dass sie über Vorgänge berichtet, die bereits mehrere Jahre zurückliegen. Sie sprechen auch deshalb nicht gegen ihre Glaubhaftigkeit, weil der Zeuge Sü. Z. – wie bereits dargelegt - in seiner Aussage vor dem Senat bestätigt hat, Beträge zwischen 20 000 € und 40 000 € für den Kläger nach Syrien transportiert, dabei eine Tasche am Körper getragen und jedenfalls einmal gegenüber seiner damaligen Ehefrau auch die Geste des Fingers am Abzug einer Waffe gemacht zu haben.

175 Die Zeugin Si. Z. hat ferner glaubhaft detailliert die Radikalisierung des Zeugen Sü. Z. beschrieben. Die Zeugin gab in der gerichtlichen Vernehmung an, dass ihr geschiedener Ehemann vor der Tätigkeit bei dem Kläger Alkohol und Drogen zu sich genommen habe. Im Anschluss an seine 2012 unternommene Pilgerfahrt nach Mekka habe er damit aufgehört und den Kläger kennen gelernt. Im Laufe der Zeit habe er seine Kleidung angepasst, den Bart wachsen lassen und zunehmend von der JaN und dem IS geredet. Auch diese Aussagen stimmen im Wesentlichen mit denjenigen Angaben überein, die die Zeugin bei den polizeilichen Vernehmungen über die Radikalisierung ihres Ehemannes machte. Die dagegen gerichteten Einwände des Zeugen Sü. Z. sind nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage zu widerlegen. Vielmehr hat er auf den Vorhalt ihrer Aussage, dass er mit der JaN sympathisiere, die Zeugin Si. Z. pauschal als Lügnerin bezeichnet. Im Übrigen hat er sich ganz offensichtlich herausgeredet: Den Bart habe er sich wachsen lassen, weil er begeisterter Bartträger sei und die sunnitische Kleidung, insbesondere die weiten Hosen, trage er auch aus gesundheitlichen Gründen besonders gerne.

176 Keine die Glaubwürdigkeit der Zeugin Si. Z. infrage stellenden Schlüsse zieht der Senat aus dem Umstand, dass sich in zahlreichen Punkten, die das familiäre Miteinander betreffen, die Aussagen von Frau Si. Z. und Herrn Sü. Z. inhaltlich diametral gegenüberstehen. Denn hierauf kommt es nicht an. Ebenso wenig fällt es ins Gewicht, dass Frau Si. Z. das Sorgerecht für einige der gemeinsamen Kinder einige Jahre nach der Trennung auf Herrn Sü. Z. übertragen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage der Zeugin - wie vom Kläger behauptet - von Hass und Rache gegenüber dem Vorsitzenden des Klägers getrieben sei, vermag der Senat nicht zu erkennen. Anzeichen für eine Belastungstendenz ergeben sich schon nicht aus dem Inhalt ihrer Angaben. So hat sie etwa in der Aussage vor dem Senat bestätigt, dass sich im Hause lediglich ein Wanzenscanner befand und die im Keller ihres Hauses gelagerten Westen dem Schutz von Personen dienten. Auch hat sie in ihrer polizeilichen Vernehmung am 8. März 2019 angegeben, dass auf dem Video, welches sie gesehen habe, die Mitarbeiter des Klägers selbst nicht aktiv in Kampfhandlungen eingebunden gewesen seien. Im Übrigen lässt auch ihr Aussageverhalten nicht darauf schließen, dass es der Zeugin auf eine Belastung des Vorsitzenden des Klägers ankam. Zu ihrem Verhältnis zu ihm hat sie sich im Einzelnen erst auf Nachfrage des Gerichts und zudem anschaulich, aber durchaus sachlich geäußert. Der Senat hat insgesamt den Eindruck gewonnen, sie wolle mit den bereits viele Jahre zurückliegenden Vorgängen endlich abschließen und ihre Ruhe finden.

177 (3) Die festgestellten Unterstützungshandlungen sind dem Kläger ohne Weiteres zuzurechnen, da sie in seinem Namen durchgeführt, von seinem Vorsitzenden gesteuert und von den Mitarbeitern umgesetzt wurden. Sie erfüllen allesamt den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Dies liegt für die Mitwirkung bei der Beschaffung von militärischen Ausrüstungsgegenständen im Ausland und dem Transport von Bargeld für diese Terrororganisationen auf der Hand, ist aber auch bei den humanitären Hilfeleistungen anzunehmen, da der Kläger sich mit den Zielen der JaN bzw. HTS identifiziert. Dies rechtfertigt die Annahme, dass seine Hilfeleistungen in die von den Terrororganisationen kontrollierten Gebiete nicht die allgemeinen Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit achten.

178 Die Annahme der Identifizierung des Klägers mit den Zielen der JaN und der HTS beruht zum einen auf dem Umstand, dass der Kläger - wie dargelegt - über Jahre Herrn D. als Mitarbeiter in Kenntnis von dessen Sympathie für die JaN beschäftigte. Zum anderen wird sie offenbar durch die in seinen Büroräumen auf einer Speicherkarte aufgefundenen Nashids. Auf dieser Speicherkarte befinden sich 60 Nashids, von denen 15 Nashids einen jihadistischen Inhalt aufweisen. Es geht um die Verherrlichung des bewaffneten Kampfes im Namen Allahs. Ziel ist neben der Errichtung eines Kalifats der Kampf für Palästina, Syrien, Aleppo und Idlib, die JaN, Somalia und gegen die Juden. Der Frage, wo diese Speicherkarte in den Räumlichkeiten des Klägers genau aufgefunden worden ist, musste der Senat nicht nachgehen. Hierauf kommt es für die Entscheidung nicht an. Auch der Kläger stellt nicht in Abrede, dass sie anlässlich der Durchsuchung in seiner Geschäftsstelle gefunden worden ist. Dass die Nashids in erheblichem Ausmaß jihadistischen Inhalt aufweisen, bestreitet er nicht substantiiert. Überdies hat die Beklagte im Einzelnen vorgetragen, dass sich auf der Speicherkarte zahlreiche Dateien mit Bezügen zur Vereinstätigkeit des Klägers befunden haben (Mitgliederlisten, Patenschaftslisten, Spendenbescheinigungen usw.). Auch dies hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Fest steht weiter, dass u. a. ein Nashid der Speicherkarte für mehrere klägerische Videos verwendet worden ist ("Ansaar-Nashid"). Zur Überzeugung des Senats steht deshalb fest, dass es sich um eine Speicherkarte des Klägers handelt. Dass ihm ihr problematischer Inhalt bewusst gewesen ist, zeigt sich insbesondere daran, dass es der Vorsitzende des Klägers nach seiner Einlassung zuletzt vermieden habe, derartige Nashids für Vereinsvideos zu verwenden. Stattdessen will er bevorzugt solche ohne Text, westliche Nashids oder arabische Festtags-Nashids genutzt haben. Eine Distanzierung von den jihadistischen Inhalten der aufgefundenen und verwendeten Nashids liegt hierin nicht. Schließlich kommt die Identifizierung des Klägers mit den Zielen der Terrororganisationen auch dadurch zum Ausdruck, dass er noch im Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung die zu diesem Zeitpunkt geklärte Eroberung von Kessab durch die JaN als "Befreiung" angesehen hat. Dies ergibt sich aus dem Text unter dem von ihm veröffentlichten Video über die Lieferung von Krankenwagen dorthin zu der Zeit, in der die Stadt von der JaN beherrscht war.

179 ddd) Der Kläger hat den Straftatbestand der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung auch durch die ihm zurechenbaren Aktivitäten des WWR im Gazastreifen verwirklicht. Zutreffend geht die Beklagte in der Verbotsverfügung davon aus, dass die HAMAS mit ihren Sozialvereinen eine ausländische Terrororganisation ist (1), die zwar nicht vom Kläger selbst, aber von dessen Teilorganisation WWR unterstützt wurde (2). Dies erfüllt ebenfalls den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit (3).

180 (1) Die HAMAS ist eine ausländische terroristische Vereinigung im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB. Diese Einordnung umfasst nicht nur ihren politischen und militärischen Teil (1.1), sondern auch ihre Sozialvereine (1.2), zu denen etwa die ISJ, nicht aber - nach dem vorliegenden Kenntnisstand - die CWA und die Nour El-Marifa Association zu zählen sind (1.3).

181 (1.1) Die HAMAS übt Gewalttaten gegenüber Israel und israelischen Staatsbürgern aus und beeinträchtigt die friedliche Verständigung des israelischen und des palästinensischen Volkes. Sie wurde im Frühjahr 1988 von palästinensischen Anhängern der so genannten Muslimbruderschaft unter Führung von Scheich Ahmed Yassin gegründet und verfolgt das auch in ihrer Charta niedergelegte Ziel, auf dem gesamten Gebiet "Palästina", also auch auf dem Territorium des Staates Israel, einen islamistischen Staat zu errichten. Damit spricht die Organisation dem Staat Israel das Existenzrecht ab. Sie proklamiert den bewaffneten Kampf, den "Heiligen Krieg" zur Befreiung Palästinas als eine auferlegte Pflicht. Ihr militärischer Arm besteht aus dem Ende 1991 gegründeten Izz-al-Din al-Qassam-Brigaden, die die Hauptverantwortung für palästinensische Terrorakte einschließlich Selbstmordattentaten gegen Israel und israelische Staatsbürger tragen. Die Führung der HAMAS bekennt sich ausdrücklich zum gewaltsamen Vorgehen gegenüber Israel und zu Selbstmordattentaten (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 80; BMI Verfassungsschutzbericht 2020 S. 188, 197, 218, 241 ff.). Die Europäische Union hat die HAMAS als eine an terroristischen Handlungen beteiligte Vereinigung qualifiziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2012 - 6 A 2.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 56 Rn. 14 und 16). Die Klage der HAMAS gegen die Rechtsakte des Rates, mit denen die HAMAS auf der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, für die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, belassen wurde, hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 23. November 2021 (- C-833/19 P ‌[ECLI:​​EU:​​C:​​2021:​​950] - ABl. EU 2022, Nr. C 51 S. 4) abgewiesen und damit die noch im Jahr 2018 fortbestehende Einordnung als Terrororganisation bestätigt. Auch im Jahr 2021 hat sich die HAMAS auf der Liste der Terrororganisationen befunden (vgl. die VO [EU] 2021/1188 des Rates vom 19. Juli 2021 zur Durchführung des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung [EU] 2021/138 - ABl. L 258 S. 14 <16>).

182 (1.2) Die HAMAS ist ein einheitliches Gebilde, bei dem die sozialen Aktivitäten, die von den der Organisation zuzuordnenden sogenannten Sozialvereinen entfaltet werden, nicht von dem militärischen (terroristischen) und politischen Vorgehen getrennt werden können. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Selbstverständnis der HAMAS, dem Umstand, dass führende Mitglieder von Sozialvereinen Führungsmitglieder der HAMAS oder HAMAS-Aktivisten sind, sowie der Identifikation von Sozialvereinen mit den terroristischen Aktivitäten der HAMAS. Eine Unterstützung solcher Sozialvereine ist als mittelbare Unterstützung der terroristischen Aktivitäten der HAMAS anzusehen. Nach dem Selbstverständnis der HAMAS erweisen sich die sozialen, politischen und militärischen Handlungsebenen als gleichwertig und miteinander verschmolzene Bestandteile der als Einheit anzusehenden Bewegung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41 S. 81).

183 (1.3) Nach den vorliegenden Erkenntnissen lassen sich den Sozialvereinen der HAMAS die ISJ, nicht aber die CWA und die Nour El-Marifa Association zuordnen.

184 (1.3.1) Bei der ISJ handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um einen Sozialverein der HAMAS. Die 1976 ins Leben gerufene Islamic Society ist im Gazastreifen mit mehreren Zweigstellen vertreten, deren erste im Jahr 1979 in Jabaliya - als ISJ - gegründet wurde. Der Sozialverein ist untrennbarer Bestandteil des Gesamtgefüges der HAMAS, auch wenn der Verein Salam im Jahr 2010 dessen Funktion als Empfangsstelle für den Geldtransfer an die HAMAS übernahm. Denn die schon 2004 von dem Senat festgestellten Verschränkungen zwischen der HAMAS und ihrem Sozialverein der Islamic Society (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41) sind auch im nachfolgenden Zeitraum nach außen deutlich geworden. So berichteten etwa arabische Medien im Jahr 2006 über eine palästinensische Massenhochzeit, die die HAMAS durch die ihr zugehörige Islamic Society und deren damaligen Zweigstellenvorsitzenden I. J. ausgerichtet habe, und im Jahr 2009 über die Beteiligung der Islamic Society am Bau und an der Ausstattung eines von der HAMAS eröffneten Vortragssaales in einer Moschee in Jabaliya. Darüber hinaus war der Wechsel in der Funktion der Empfangsstelle für den Geldtransfer an die HAMAS von der Islamic Society auf den Verein Salam allein darin begründet, dass durch die von der HAMAS betriebene Berufung von I. J., der lange Zeit als hochrangiger HAMAS-Vertreter an herausgehobener Stelle der Islamic Society tätig gewesen war, in das Amt des Bürgermeisters von Jabaliya die Verbindung der Islamic Society mit der HAMAS praktisch ein Gesicht bekommen hatte, das von einer breiten Öffentlichkeit auch außerhalb der palästinensischen Gebiete wahrgenommen werden konnte. Der Wechsel diente allein dazu, die unter anderem aus Deutschland stammenden Unterstützungsleistungen für die HAMAS zu sichern. In diesen Wechsel der Empfangsstelle war der führende HAMAS-Vertreter Y. S., seit Oktober 2004 Mitglied des Vorstands der Islamic Society, eingebunden. Anhaltspunkte für eine Auflösung der ISJ hat der Senat nicht feststellen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 2012 - 6 A 2.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 56 Rn. 32 ff.).

185 Hiervon ist auch weiterhin auszugehen. Nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen veröffentlichte Herr R. G., ein Direktor der ISJ, mehrfach Propagandamaterial der HAMAS und traf einen Gründer der HAMAS und Vertreter des radikalen Flügels. Darüber hinaus hatte - wie noch dargelegt wird - der Geschäftsführer der ISJ, Herr A. Al-N., Kontakte zu führenden HAMAS-Funktionären. Bestätigt wird der Fortbestand der ISJ und damit deren Zugehörigkeit zur HAMAS durch den Anhang einer E-Mail der ISJ an den Kläger am 21. Mai 2016, der das ISJ-Profil mit dem Vermerk des 37. Jahrestag seit der Gründung 1979, sowie eine Liste der wichtigsten Partner und Unterstützungsorganisationen enthält.

186 (1.3.2) Demgegenüber kann der Senat der Einschätzung der Beklagten nicht beitreten, dass es sich bei der CWA um einen Sozialverein der HAMAS handelt und die Verwirklichung von Projekten mit dieser Organisation zugleich eine Unterstützung der HAMAS darstellt. Die Beklagte hat sich im vorliegenden Verfahren für die Einordnung der CWA als Sozialverein ausschließlich auf das Behördenzeugnis des BfV vom 11. Januar 2022 gestützt, wonach der Vorstand der CWA zahlreiche Verbindungen zur HAMAS bzw. zu deren Operateuren, darunter Regierungsstellen im Gazastreifen aufweisen soll. Hieraus lasse sich schließen, dass die CWA eine wesentliche Rolle innerhalb des humanitären Spektrums der HAMAS in Gaza einnehme. Diese Ausführungen genügen nicht, um bei der CWA von einem Sozialverein der HAMAS auszugehen. Zwar sind personelle Verflechtungen eines Sozialvereins mit der HAMAS ein bedeutsames Indiz für die Zugehörigkeit des Vereins zu dieser Terrororganisation (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 -‌ BVerwGE 153, 211 Rn. 35). Im vorliegenden Fall sind die Darlegungen zu etwaigen Verflechtungen aber zu unbestimmt, um die behaupteten Beziehungen der CWA zur HAMAS nachvollziehen und gerichtlich überprüfen zu können. Einer Aufforderung des Senats, die erwähnten Facebook-Verbindungen und die HAMAS-Operateure zu konkretisieren, ist die Beklagte nicht nachgekommen.

187 Es liegen dem Senat auch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die CWA eng mit der ISJ zusammenarbeitet und deshalb ebenfalls als Sozialverein der HAMAS anzusehen wäre. Allein der Umstand, dass die ISJ bei dem Kläger mit E-Mail vom 21. Mai 2016 um Unterstützung bei einem Ramadan-Projekt gebeten und der Kläger ein derartiges Projekt mit einem abgewandelten Logo mit der CWA verwirklicht hatte, reicht für die Einordnung der CWA als Sozialverein nicht aus.

188 (1.3.3) Ebenso wenig kann der Senat feststellen, dass die Nour El-Marifa Association ein Sozialverein der HAMAS ist. Die Angaben der Beklagten, nach dem Behördenzeugnis des BfV vom 11. Januar 2022 habe der Leiter dieser Association Verbindungen zu zahlreichen HAMAS-Operateuren aus dem Gazastreifen und aus weiteren Erkenntnisquellen solle sich ergeben, dass der Vorsitzende dieser Association zugleich Vorsitzender der von der HAMAS kontrollierten Schulbehörde von Zentral-Gaza sei, genügt dem Senat hierfür nicht.

189 (2) Der Straftatbestand der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung wird zwar nicht durch die Hilfsprojekte des Klägers im Gazastreifen (2.1), aber durch die ihm zurechenbaren Aktivitäten des WWR erfüllt (2.2).

190 (2.1) Der Kläger betrieb bis zum Erlass der Verbotsverfügung im Gazastreifen ein Waisenhaus, eine Schule, Trinkwasseraufbereitungsanlagen und insbesondere Projekte zur Elektrifizierung. Seine Ausgaben hierfür beliefen sich nach eigenen Angaben auf knapp 1,637 Millionen €. Zur Verwirklichung der Projekte bediente er sich vor Ort der CWA.

191 Der Senat konnte sich jedoch nicht die Überzeugung bilden, dass der Kläger mit diesen Projekten die HAMAS unterstützt. Soweit dem Kläger in der Verbotsverfügung vorgeworfen wird, die Moschee der Qassam-Brigaden in Jabaliya im nördlichen Gazastreifen elektrifiziert zu haben, hat die Beklagte schon zu Beginn des Klageverfahrens diesen Vorwurf nicht mehr aufrechterhalten. Auch die Zusammenarbeit des Klägers vor Ort mit der CWA ist objektiv nicht als Unterstützung der HAMAS anzusehen, da die festzustellenden Indizien - wie dargelegt - für eine Einordnung der CWA als Sozialverein dieser Terrororganisation nicht ausreichen.

192 (2.2) Die Beklagte geht in der Verbotsverfügung indes zutreffend davon aus, dass WWR als Teilorganisation des Klägers den Straftatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland verwirklicht hat. WWR hat seit Mitte 2016 seine humanitären Projekte im Gazastreifen zusammen mit der ISJ verwirklicht und Zahlungen an der HAMAS nahestehende Personen geleistet (2.2.1). Er war sich der damit verbundenen Unterstützung der HAMAS bewusst (2.2.2) und identifizierte sich sogar mit deren Zielen (2.2.3).

193 (2.2.1) WWR schloss mit der ISJ am 30. Juli 2016 eine Kooperationsvereinbarung mit dem Inhalt, dass WWR die Projekte der ISJ finanziert und im Gegenzug hierfür werbewirksame Bilder und Videos als Verwendungsnachweise erhält. Den Abschluss dieser Vereinbarung kündigte WWR auf seiner Internetseite an. Ansprechpartner für den WWR auf Seiten des ISJ waren dessen Geschäftsführer, Herr A. Al-N., und seine Sekretärin, Frau S. Al-H., die später als "Team Member" in der Funktion "Managerin Gazastrip" für Projekte des WWR zuständig war. Die Vorsitzende des WWR hatte nach dem Auswertungsvermerk des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (IM NRW) vom 17. August 2020 auch Kontakt mit Herrn M. Kh., dem offiziellen Repräsentanten der ISJ in Deutschland, sowie über Herrn A. Al-N. mit Herrn H. B., der für die ISJ tätig war und ausweislich der von ihm vorliegenden Facebook-Einträge mit der HAMAS sympathisierte. Die Zusammenarbeit mit der ISJ über Herrn A. Al-N. und Frau S. Al-H. betraf nach den Angaben des WWR die Unterstützung von Frau So. im Sommer 2016 sowie das Projekt "Outdoor-Oven" in Khan Younis mit Zahlungen an B. Sh. Die Umsetzung der Kooperationsvereinbarung wird durch die zahlreichen Fotos und Werbevideos über Projekte belegt, auf denen das Logo beider Vereinigungen zu sehen ist. Ebenso ergibt sich die Zusammenarbeit aus dem von der ISJ ausgestellten Zertifikat für die Unterstützung des WWR bei einem Ramadan-Projekt 2017. Ab März 2018 wurde bei gemeinsamen Projekten des WWR mit der ISJ nur noch das Logo des WWR verwendet, um die Zusammenarbeit mit der ISJ nicht offenbaren zu müssen. Die Behauptung des WWR, die Zusammenarbeit sei Ende Dezember 2017 beendet worden, ist nicht nachvollziehbar, da noch im Oktober 2018 Zahlungen an die ISJ erfolgten, und die Vorsitzende des WWR im Januar 2019 Herrn A. Al-N. um die Benennung einer anderen Bankverbindung bat, worauf hin er die El-Adham-Chartable Association nannte (dazu sogleich).

194 Aus den vorliegenden Unterlagen ist zu erkennen, dass die Vorsitzende des WWR zwischen 2014 und 2018 an S. Al-H., A. Al-N., R. Sh., B. Sh., T. N. ("..."), Y. S., M. Q., A. Sh., G. E., A. R., A. Al., F. Alq., A. Ab. über Western Union in den Gazastreifen insgesamt ca. 50 000 € überwies. Zudem lassen sich Zahlungen an I. A., dem Vorsitzenden der El-Adham-Charitable Association, belegen, in deren Namen von der ISJ über Herrn A. Al-N. Quittungen an WWR ausgestellt wurden. Nach dem Behördenzeugnis des BfV vom 23. März 2021 weisen T. N. ("..."), R. Sh., A. Sh., G. E. und M. Q. direkte Bezüge zur HAMAS bzw. der terroristischen Vereinigung "Palästinensischer Islamischer Jihad" auf. Auch bei Y. S. handelt es sich - wie bereits dargelegt - um einen ISJ-Funktionär der HAMAS.

195 Der Auffassung der Beklagten, die Leistungen des WWR insbesondere an die ISJ beliefen sich nicht nur auf maximal 50 000 €, sondern auf bis zu 1 Million €, vermag der Senat nicht zu folgen. Allein der Umstand, dass die Vorsitzende des WWR auf dem Kläger zur Verfügung gestellte Konten zugreifen konnte und Barabhebungen in dieser Höhe vornahm, rechtfertigt nicht die Annahme, dass der WWR diese Gelder an die ISJ weiterleitete. Im Gegenteil liegen - wie im Urteil des Senats vom 7. Juli 2023 aufgeführt - hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vorsitzende das von den - dem Kläger überlassenen - Konten abgehobene Bargeld beim Kläger ablieferte und nicht für die eigenen Projekte verwandte (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 4.21 - Rn. 48).

196 (2.2.2) Der WWR war sich bewusst, dass er mit seinen Projekten, insbesondere durch die Kooperation mit der ISJ die HAMAS unterstützte. So war vor allem der Vorsitzenden des WWR die Zugehörigkeit der ISJ zur HAMAS bekannt. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass sie etwa im Juni 2017 T. N. ("...") mitteilte, es gebe in Deutschland Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit der ISJ, sodass die gemeinsamen Projekte unter WWR abgewickelt werden müssten. Die Vorsitzende des WWR hatte zudem Kenntnis von der Ablehnung des Visumantrags für Herrn A. Al-N., den sie nach Deutschland eingeladen hatte, unter anderem wegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit. Darüber hinaus war ihr nach dem Auswertungsvermerk des IM NRW vom 16. Oktober 2020 das Senatsurteil vom 18. April 2012 (- 6 A 2.10 -‌ Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 56) bekannt und sie plante deshalb mit Herrn A. Al-N. wegen möglicher Schwierigkeiten bei Überweisungen an die ISJ, die Eröffnung eines Kontos für den WWR im Gazastreifen.

197 Gegen die Annahme der Kenntnis des WWR von der HAMAS-Zugehörigkeit der ISJ spricht weder die von WWR vorgelegte gestempelte, aber nicht mit einer Unterschrift versehene Bestätigung der ISJ vom 15. Dezember 2018, wonach die ISJ keine Verbindung zur HAMAS haben soll, noch die entsprechende Bescheinigung im Namen und im Auftrag der "Palästinensischen Anwaltsvereinigung" von Rechtsanwalt Ay. Denn bei diesen Dokumenten handelt es sich ersichtlich um Gefälligkeitsbescheinigungen. Die Bescheinigung der ISJ gab die Vorsitzende des WWR bei Herrn A. Al-N. am 11. Dezember 2018 mit dem Hinweis in Auftrag, WWR werde wegen der Zusammenarbeit mit der ISJ als seit 2012 verbotener Organisation von den deutschen Behörden als salafistisch-extremistische Organisation bezeichnet. Noch am gleichen Tag wurde die Bescheinigung vom 11. Dezember 2018 gefertigt und übersandt sowie anschließend auf Bitten der Vorsitzenden des WWR nochmals um eine Distanzierung von der HAMAS ergänzt. Für die Erklärung von Rechtsanwalt Ay. ergibt sich der Gefälligkeitscharakter daraus, dass die Vorsitzende des WWR zu Herrn Ay. in persönlichem Kontakt stand und dieser nach der Behördenerklärung des BfV vom 11. Januar 2022 Verbindungen zu führenden HAMAS-Mitgliedern hat.

198 (2.2.3) Die vorliegenden Unterlagen lassen den Schluss zu, dass der WWR die HAMAS nicht nur - wie dargelegt - vorsätzlich unterstützte, sondern sich mit deren Zielen, insbesondere der Vernichtung Israels identifiziert. Dies folgt zum einen aus der bereits erwähnten Einladung des Herrn A. Al-N. nach Deutschland. Zum anderen wird diese Identifizierung dadurch belegt, dass die Vorsitzende des WWR Kontakte von hochrangigen HAMAS-Funktionären wie den Herren Dr. Naem, Dr. Amer und Dr. Hamad an Herrn Christoph Hörstel vermittelte, dem Gründer der Partei "Neue Mitte" und Sympathisanten der HAMAS. Herr Dr. Bussem Naem war nach den vom Kläger nicht bestrittenen Angaben der Beklagten im Kabinett Haniya von Juni 2017 bis Januar 2019 Gesundheitsminister und Mitglied einer reinen HAMAS-Regierung. Herr Dr. Walid Amer ist ausweislich der zahlreichen eindeutigen Unterlagen ein führender HAMAS-Funktionär und HAMAS-Führer in der Region Khan Younis; die gegenteilige Behauptung des Klägers ist gemessen an den vorliegenden Nachweisen nicht nachvollziehbar. Herr Dr. Ghazi Hamad war der damalige Vize-Außenminister der HAMAS-Regierung. Die Kontakte für Herrn Hörstel zu diesen hochrangigen HAMAS-Funktionären stellte die Vorsitzende des WWR über Frau S. Al-H. her.

199 Bekräftigt wird die Annahme der Identifizierung des WWR mit den Zielen der HAMAS dadurch, dass dessen Vorsitzende die Darstellung der HAMAS in dem Dokument "About HAMAS" befürwortete und dieses Dokument an Herrn Dr. Hamad weiterleitete. In dem Dokument wird die HAMAS als legitime Widerstandsbewegung beschrieben und die Auflösung Israels implizit eingefordert (vgl. den Auswertungsvermerk des IM NRW vom 10. Dezember 2020). Die mit der Weiterleitung dieses Dokuments verbundene Befürwortung von dessen Inhalt rechtfertigt es, dieses dem Verein WWR zuzurechnen, auch wenn das Dokument als solches nicht für die Vereinstätigkeit erstellt oder in ihr verwandt worden ist. Es kennzeichnet jedoch den ideologischen Hintergrund, vor dem die Verantwortlichen des Vereins handeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 2010 - 6 A 4.09 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 55 Rn. 30).

200 Abgerundet wird das Bild der Identifizierung des WWR mit den Zielen der HAMAS durch die in das Verfahren eingeführten Unterlagen mit zahlreichen Äußerungen seiner Vorsitzenden, in denen sie die HAMAS, ihre Mitbegründer, Kämpfer und gleichgesinnte Personen glorifizierte, sowie durch das bei WWR aufgefundene Propagandamaterial der HAMAS.

201 (3) Der Kläger muss sich die dargestellte Unterstützung der HAMAS durch WWR zurechnen lassen und erfüllt auch auf diese Weise den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit.

202 Die Zurechenbarkeit des Verhaltens des WWR beruht auf dessen Einordnung als Teilorganisation in dem Zeitraum von 2016 bis längstens Ende März 2019 (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 4.21 - Rn. 38 ff., 77 ff.). Dies betrifft vollumfänglich die Kooperation von WWR mit der ISJ und die auf diese Zeitspanne entfallenden Zahlungen an der HAMAS nahestehende Personen im Rahmen der Verwirklichung humanitärer Projekte. Der Umstand, dass der Kläger den WWR vor einer Zusammenarbeit mit der ISJ gewarnt hatte, steht dabei der Zurechenbarkeit des Verhaltens seiner Teilorganisation nicht entgegen.

203 In der Sache erfüllt der Kläger über das ihm zurechenbare Verhalten des WWR den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit, da auch er sich mit den Zielen der HAMAS identifiziert und deshalb die Projekte des WWR nicht als neutral und unparteilich im Sinne des humanitären Völkerrechts anzusehen sind. Dies ergibt sich schon aus der teilweisen Deckungsgleichheit der Ziele der HAMAS und der JaN in Bezug auf die angestrebte Vernichtung der Existenz Israels. Daneben wird die antisemitische Haltung durch weitere Handlungen des Klägers, seiner Funktionäre und Mitarbeiter unterstrichen. Hierzu gehört der Verkauf von T-Shirts in dem Charity-Shop des Klägers, auf denen die Aufschrift "free palestine" sowie ein Bild mit einer Karte ohne Israel bzw. einem vermummten Kämpfer mit Steinschleuder abgebildet sind. Hinzu kommen die sich aus den vorhandenen Nachweisen ergebenden antisemitischen Äußerungen der Herren Ch., Ka., Schr. und M. A., die dem Kläger aufgrund ihrer Mitarbeiterstellung zuzurechnen sind. Abgerundet wird das Bild der antisemitischen Ausrichtung des Klägers durch dessen Kontakte zu Herrn L. und Herrn S. Herr L. unterstützte nach den vorliegenden Erkenntnissen den Kläger auf seiner Facebook-Seite und als Ansprechpartner für die Presse sowie als Redner auf einer Konferenz am 30. November 2016. Seine Tätigkeit ist durch eine antisemitische bzw. propalästinensische Berichterstattung gekennzeichnet. Zu Herrn L. stand der Kläger entgegen seiner Einlassung nicht nur 2016, sondern auch 2017 und 2019 in Verbindung. Mit Herr S. hatte der Kläger Brunnenbauprojekte initiiert. Herr S. ist nach der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 19/20497 S. 1 ff.) ein in der Schweiz lebender Laienprediger, der die dortige Gemeinschaft Organische Christus Generation führt, und Gründer der Anti-Zensur-Koalition (AZK), deren Betätigungsfeld von einem Forum für Esoterik und Verschwörungstheorien bis hin zu Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Holocaust-Leugnung reicht. Dies ergibt sich aus verschiedenen, in das Verfahren eingeführten Medienberichten mit Äußerungen des Herrn S. Wenn der Kläger dem entgegenhält, von der Einstellung des Herrn S. keine Kenntnis gehabt zu haben, ist dies als reine Schutzbehauptung zu werten. Immerhin wusste der Kläger ausweislich des von ihm veröffentlichten Videos über die gemeinsame Zusammenarbeit, dass Herr S. die AZK gegründet hat (vgl. www.youtube.com/​watch?v=kMAVbBF4WLE&ab_channel=AbuKhattab).

204 eee) Schließlich ist die Feststellung in der Verbotsverfügung nicht zu beanstanden, dass der Kläger in Somalia zusammen mit seiner Teilorganisation SKIB die Terrororganisation Al-Shabab (1) mit humanitären Projekten in deren Einflussbereich unterstützte (2) und damit den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit erfüllt (3).

205 (1) Die in Somalia operierende, 2006 entstandene Al-Shabab ist eine Terrororganisation gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB. Sie propagiert den "Jihad" als einen Befreiungskampf gegen "Imperialisten" und "christliche Kreuzfahrer". Ihre primären Ziele sind die Vertreibung der in Somalia stationierten Truppen der African Union Mission (AMISOM), der Sturz der von dieser gestützten somalischen Regierung, die Errichtung eines Kalifats in Somalia und die dortige Einführung der Scharia. Schon 2009 hatte der frühere Führer von al-Qaida, Usama bin Laden, die Kämpfer von Al-Shabab zum "Jihad" aufgerufen und Somalia als einen Schauplatz des Kampfes zwischen dem Islam und den "internationalen Kreuzfahrern" bezeichnet. Seit Februar 2012 ist die Gruppierung Bestandteil des Netzwerks von al-Qaida. Sie hat eine global-jihadistische Ausrichtung. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabab-Miliz. AMISOM und somalische Sicherheitskräfte - und damit die somalische Regierung - übten zwischen 2012 und 2021 in Süd- und Zentralsomalia in größeren Orten einen bestimmenden Einfluss sowie entlang der Hauptverbindungsstraßen einen eingeschränkt bestimmenden Einfluss aus. Jedoch kann Al-Shabab verdeckt bzw. mit terroristischen Methoden operieren, insbesondere hier auch nahezu ungehindert und flächendeckend Zwangsabgaben eintreiben (vgl. zum Vorstehenden BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - StB 1/16 - juris Rn. 2; VGH München, Urteil vom 17. Juli 2018 - 20 B 17.31659 - juris Rn. 20 m. w. N.; OVG Koblenz, Urteil vom 16. Dezember 2015 - 10 A 10689/15 - juris Rn. 34; VGH Kassel, Urteil vom 14. Oktober 2019 - 4 A 1575/19.A - juris Rn. 16; Behördenerklärung TE-22/2021 des BND).

206 Zur Erreichung ihrer Ziele kämpft die Vereinigung zum einen militärisch gegen Truppen benachbarter Staaten und Staatenverbände, die versuchen, die somalische Regierung zu stabilisieren. Zum anderen begeht sie regelmäßig Überfälle sowie Entführungen und verübt Anschläge sowie Selbstmordattentate innerhalb und außerhalb Somalias, die gegen polizeiliche, militärische und von westlichen Personen frequentierte Einrichtungen gerichtet sind. Neben Anschlägen in Kampala (Uganda) im Juli 2010 mit mehr als 70 getöteten Menschen, in Nairobi (Kenia) in 2013 in einem Einkaufszentrum mit mehr als 60 Toten sowie weiteren Anschlägen in 2014 mit mehreren Hundert Opfern ist aus den letzten Jahren der Anschlag im Januar 2019 auf eine unter anderem von US-amerikanischen Staatsangehörigen frequentierte Hotelanlage in Nairobi besonders hervorzuheben, bei dem 21 Personen verstarben. Al-Shabab verwies hierzu auf die Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem und hob hervor, der Angriff stehe im Einklang mit dem vom al-Qaida-Anführer benannten Ziel des "fernen Feindes". Im Januar 2020 griff Al-Shahab einen kenianischen Militärstützpunkt an. Dabei starben drei US-Amerikaner. Mitte August 2020 verübte Al-Shabab einen Anschlag auf ein Hotel in Mogadischu. Während des folgenden Feuergefechts wurden alle Al-Shabab-Kämpfer und elf Geiseln getötet. Daneben werden staatliche und wirtschaftliche Akteure in Somalia gewaltsam dazu gebracht, ihre Aktivitäten einzustellen oder aber Al-Shabab zu unterstützen, zum Beispiel durch die Zahlung von Schutzgeldern. Die Al-Shabab ist wie andere islamistische Vereinigungen hierarchisch aufgebaut (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - StB 1/16 - juris Rn. 2; BMI-Verfassungsschutzbericht 2019 S. 212, BMI-Verfassungsschutzbericht 2020 S. 236 und BMI-Verfassungsschutzbericht 2021 S. 211).

207 Die Europäische Union ordnet die Al-Shabab ebenfalls als Terrororganisation ein und hat nach der Verordnung (EU) Nr. 356/2010 des Rates vom 26. April 2010 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen aufgrund der Lage in Somalia (ABl. L 105 S. 1 <7>), zuletzt zum hier maßgeblichen Zeitpunkt geändert durch die Verordnung (EU) 2018/1933 vom 10. Dezember 2018 (ABl. L 314 S. 9), Maßnahmen gegen die Al-Shabab und deren Führungspersonen ergriffen.

208 (2) Der Kläger verwirklichte mit seiner Teilorganisation SKIB humanitäre Projekte vor allem in Zentral- und Südsomalia (2.1) im Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab (2.2). Die Verwirklichung dieser Projekte war an Absprachen mit und Zahlungen an diese Terrororganisation gebunden (2.3).

209 (2.1) Der Kläger und SKIB führten jeweils eigene, aber auch gemeinsame Projekte in Somalia überwiegend mit der vor Ort tätigen Organisation TEDO durch. Wie im Verfahren BVerwG 6 A 2.21 festgestellt, standen SKIB für eigene Projekte ca. 297 000 € und beiden Vereinigungen für gemeinsame Projekte ca. 3,75 Millionen € zur Verfügung. Dementsprechend hatten die von SKIB in Somalia mit TEDO oder anderen Organisationen zwischen 2012 und 2021 durchgeführten Projekte im Vergleich zu den gemeinsam mit dem Kläger verwirklichten Projekte nur einen geringen Umfang (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21 - Rn. 34 ff., 42 f.). Der Kläger selbst gab an, für seine Projekte insgesamt knapp 7,8 Millionen € ausgegeben zu haben.

210 Auf der Grundlage der von den Beteiligten und SKIB vorgelegten Unterlagen ergibt sich aus der Sicht von SKIB folgendes Bild über die jeweils eigenen und gemeinsamen Projekte, die der Kläger und SKIB zwischen 2012 und dem Erlass des Vereinsverbots verwirklichten: Familienpakete 2012/2013 in Mogadischu, Baydhabo, Diinsoor, Saakow und Goobale in Kooperation mit Kindertränen e. V., die Vermittlung von Patenschaften für Waisenkinder in einem Waisenhaus in Mogadischu mit dem Kläger, der Bau und Betrieb der Mogadischu-Anwarschool mit dem Kläger, der Bau und Betrieb einer Schule in Goobale, die Unterstützung von Waisenkindern in Gaalkacyo mit dem Kläger, der Bau und Betrieb einer weiteren Schule, Unterstützung von Waisenkindern in Rahoole, die Unterstützung von Waisenkindern in Mukayle und Diinsoor mit dem Kläger, Trinkwasserversorgungsprojekte in zwei Dörfern in Puntland sowie in Südsomalia in den Regionen Bay und Shabeelaha Hoose mit dem Kläger und der Bau von Bekards (Regenwasserbecken) in Herojeele. Zudem kamen nach den eigenen Angaben von SKIB die Verteilung von Kurban-Paketen in Mogadischu (Flüchtlingslager im Bezirk Hawdag), Baydhabo, Marka, Baardhere, Baladwayne, Kismayo, Baraawe und Gaalkacyo und ausweislich der im Verfahren vorgelegten Lichtbilder ein Trinkwasserprojekt in Zusammenarbeit mit PoorPoor e. V. 2018 in Baydhabo sowie eine Bäckerei bzw. Brotverteilaktion in Bay 2018, das Schulprojekt Atfaluna School in Mogadischu 2013, ein Hilfsprojekt im Dezember 2019 in Isbitaal Banaadir, ein Brunnenprojekt 2017 in Baydhabo sowie weitere Brunnenprojekte und die Verteilung von Essenspaketen in 2018 und 2019 hinzu. Weitere Lichtbilder zeigen die Unterstützung einer Primary School in Baydhabo, Spenden zum Kurbanfest und zum Ramadanfest (2020). Zudem bildete SKIB mit dem Kläger Frauen zu Schneiderinnen aus und richtete Schneidereien ein.

211 Nach den Unterlagen war aus der Sicht des Klägers dieser allein oder unterstützend bei den Projekten der Hope School in Mogadischu, der Anwar Muslim United School im Jahr 2012, der Raskamboni School, den Lebensmittelverteilaktionen 2019 und 2021 in Mogadischu, der Finanzierung von Ramadan-Paketen, der Lieferung medizinischer Hilfsmittel in das Ansaar Hospital, der Amir Khattab School in Kismayo (Region Lower Juba) ab 2017, der Anis Ben Hatira School in Jowhar (Region Middle Shabelle) ab 2016, der Mohamed Ali Primary School in Beledweyne (Baladwayne) – Hiran, der Dhismaha Hope School in Mogadischu ab 2017, der Maxamed cali School in Beledweyne (Region Hiran) ab 2018, der Norudin School in Baidoa (Region Bay) ab 2018 sowie der Verteilung von Ramadan-Paketen und Essen im Jahr 2019 tätig. Darüber hinaus leistete er Hilfe für weitere Kurban-Opfer-Spenden in Baydhabo und Mogadischu 2020, bei der Unterstützung von Kindern in Mogadischu, bei dem Bau von Moscheen, bei der Ausbildung von Frauen zu Schneiderinnen in Barashada und Mogadischu und bei weiteren Lebensmittelverteilaktionen. Zudem unterstützte er Trinkwasser- und Brunnenprojekte sowie den Bau und Betrieb des Hope Education Centers in Mogadischu im Slum von Garasbali.

212 Sämtliche Projekte lagen hiernach schwerpunktmäßig in den Regionen Banadir, Bay, Gedo, Hiran, Lower und Middle Shabelle, Lower und Middle Juba bzw. in den Städten Mogadischu, Baydhabo, Baardhere, Baladwayne, Kismayo, Baraawe, Diinsoor, Saakow, Goobale (Gobanle), Rahoole, Mukayle, Jowhar, Barashada, Baidoa, Raskamboni sowie deren Umgebung. Lediglich vereinzelt gab es auch Projekte in zwei Dörfern in der Region Puntland sowie in der an der Grenze zu Puntland liegenden Stadt Galkayo (Gaalkacyo).

213 (2.2) Der Kläger bestreitet, dass SKIB und er die genannten Projekte im territorialen Herrschaftsbereich der Al-Shabab durchgeführt hätten. Die jeweiligen Projekte seien erst verwirklicht worden, nachdem ab 2011 bzw. 2012 die Al-Shabab aus den Städten zurückgedrängt worden sei. Die Projekte seien in von der AMISOM bzw. der somalischen Regierung kontrollierten Gebieten durchgeführt worden. Dies gelte etwa für die Städte Mogadischu, Beledweyne, Baidoa, Marka, Baraawe, Baardhere, Mukayle, Rahoole und Diinsoor. Eine Kooperation mit oder Zahlungen an Al-Shabab seien daher nicht notwendig gewesen. Dieser Einschätzung folgt der Senat nicht. Vielmehr ist aufgrund der vorliegenden Behördenerklärungen des BND und des in das Verfahren eingeführten Kartenmaterials davon auszugehen, dass die Projekte weitestgehend im Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab verwirklicht wurden.

214 Nach der Behördenerklärung TE-22/2021 des BND erreichte die Ausdehnung des Herrschaftsbereichs von Al-Shabab in den Jahren 2011 und 2012 ihren Höhepunkt. Der Herrschaftsbereich erfasste vollständig Südsomalia mit den Regionen Gedo, Middle Juba, Lower Juba, Bay, Bakool und Lower Shabelle sowie den überwiegenden Teil Zentralsomalias mit den Regionen Banadir/​Mogadischu, Hiran, Middle Shabelle sowie das Gebiet westliches Galgaddud. In diesen Bereichen übte Al-Shabab eine nahezu uneingeschränkte territoriale Kontrolle aus. Im Zeitraum von 2012 bis 2015 konnte AMISOM mit Unterstützung der somalischen Sicherheitskräfte Al-Shabab schrittweise aus den meisten größeren Städten in Süd- und Zentralsomalia (vor allem Mogadischu und Kismayo) sowie aus dem Grenzgebiet zu Äthiopien verdrängen. Allerdings blieb die Region Lower Shabelle seit 2012 zwischen Al-Shabab und AMISOM umkämpft. Zwar gelang es AMISOM dort, die größeren Städte einzunehmen. Jedoch konnten die Hauptverbindungsstraßen Mogadischu - Afgooye, Afgooye - Merca, Merca - Baraawe und Afgooye - Baidoa nicht als gesichert angesehen werden, da es dort unverändert zu Angriffen, Hinterhalten und illegalen Kontrollpunkten durch Al-Shabab kam und AMISOM nur einen eingeschränkt bestimmenden Einfluss ausüben konnte.

215 Ab 2015 führten nach der Behördenerklärung TE-22/2021 des BND Angriffe von Al-Shabab auf AMISOM zu erheblichen Verlusten auf Seiten der AMISOM-Truppen mit der Folge, dass sich AMISOM aus der Fläche zurückzog und ihre Präsenz in den größeren Ortschaften in Süd- und Zentralsomalia konzentrierte. Seit 2015 übten hiernach zwar AMISOM und somalische Sicherheitskräfte in Süd-und Zentralsomalia in größeren Orten einen bestimmenden Einfluss sowie entlang der Hauptverbindungsstraßen einen eingeschränkt bestimmenden Einfluss aus. Al-Shabab konnte jedoch verdeckt bzw. mit terroristischen Methoden operieren, insbesondere hier auch nahezu ungehindert und flächendeckend Zwangsabgaben eintreiben. Die ländlichen Bereiche der Regionen Süd- und Zentralsomalias standen demgegenüber weiterhin unter prägendem Einfluss von Al-Shabab. Dies bedeutet unter anderem, dass gegen den Willen von Al-Shabab ausgeübte Tätigkeiten von Hilfsorganisationen sanktioniert wurden bzw. jegliches Tätigwerden von Seiten dieser Organisation "besteuert" wurde. Gleiches gilt für den Bereich des sogenannten Juba-Korridors (Städte Jilib - Bualle (Bu'ale) - Saakow entlang des Juba River), im Bereich des Shabelle Rivers ausgehend von Jilib bis ca. Baraawe, im Bereich des östlichen Hiran sowie im Umkreis der Stadt Xaradheere, wo Al-Shabab weiterhin eine nahezu uneingeschränkte territoriale Herrschaft ausübte. Auch im von AMISOM und somalischen Sicherheitskräften dominierten Raum konnte Al-Shabab durch die Androhung von Gewalt Zwangsabgaben von der Bevölkerung erheben; vereinzelt geschah dies auch mit Duldung somalischer Sicherheitskräfte.

216 An der seit 2015 bestehenden Gesamtsituation sowie an der zugrundeliegenden räumlichen Aufteilung der Einflussgebiete ergaben sich seit 2015 keine wesensmäßigen Änderungen. Jedoch hat sich die Sicherheitslage in den größeren Städten nach der Behördenerklärung TE-22/2021 des BND seitdem sukzessive verbessert. Dies bedeutet aber nicht, dass - wie der Kläger meint - die von ihm und SKIB verwirklichten Projekte unbehelligt von der Al-Shabab hätten ausgeführt werden können. Im Gegenteil war laut den Ausführungen des BND in seiner Behördenerklärung TE-58/2022 vom 2. September 2022 zu den Herrschaftsverhältnissen im Zeitraum vom 2019 bis 2021 nach wie vor davon auszugehen, dass die humanitären Projekte weitestgehend im territorialen Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab lagen. Dies gilt zunächst einmal für die Hauptstadtregion Banadir mit der Hauptstadt Mogadischu und der angrenzenden Region Lower Shabelle. Dort waren die meisten Anschläge von Al-Shabab zu verzeichnen. Mogadischu war für Al-Shabab als Wirtschaftsfaktor zur Beschaffung von Finanzmitteln von besonderer Bedeutung (Schutzgelder, Zölle etc.). Die Terrororganisation galt in der Hauptstadt als einflussreich und infiltrierte auch Regierungseinrichtungen. Die staatlichen Sicherheitskräfte waren nicht in der Lage, deren Handeln zu unterbinden. Insbesondere in den nördlichen Bezirken Mogadischus (wie Daynille) war der Einfluss von Al-Shabab groß. Projekte und Geschäftsvorhaben konnten je nach Lage in der Stadt nur nach Genehmigung durch lokale Clanälteste oder Vertreter der Terrororganisation durchgeführt werden. Organisationen, die über viele finanzielle Möglichkeiten verfügten, waren in der Hauptstadt mit Korruption offizieller Stellen oder Geldeintreibern der einflussreichen Clans oder von Al-Shabab konfrontiert. Bei Hilfsprojekten von Hilfsorganisationen wie etwa dem Bau einer Schule in einem Armenviertel in Mogadischu (Garasbali) mussten nahezu sicher ein Geldbetrag an Vertreter der lokalen staatlichen Administration, an lokale Clans oder möglicherweise an Al-Shabab entrichtet werden, um ein solches Projekt umsetzen zu können, wobei auch die somalischen Clans eng mit Al-Shabab in deren Einflussbereichen zusammenarbeiten mussten.

217 In der stark umkämpften Region Lower Shabelle konnten die Stadt Baraawe im Jahr 2014 und die Ortschaft Marka im Jahr 2019 von Al-Shabab befreit werden. Seitdem waren die Städte zwar weitestgehend unter der Kontrolle somalischer Streit- und Sicherheitskräfte, allerdings kam es hier regelmäßig zu Terroranschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen. Eine vollständige Kontrolle der Städte sowie insbesondere der ländlichen Gebiete wurde nicht erreicht, sodass der Einfluss von Al-Shabab auf große Teile der Bevölkerung weiterhin gegeben war und Hilfsorganisationen zur Durchführung ihrer Arbeit auf den Schutz der Auslandsmission oder somalischer Sicherheitskräfte angewiesen waren. Ansonsten musste vor allem außerhalb der durch regierungsnahe Kräfte kontrollierten Städte der Kontakt zu Al-Shabab gesucht werden, um nicht Ziel von Angriffen oder Entführungen zu werden. In dieser Region liegt auch die Stadt Gobanle (Goobale), die wahrscheinlich ebenfalls von Al-Shabab kontrolliert wurde.

218 Middle Shabelle war wie die Nachbarregion Lower Shabelle regelmäßig umkämpft. Die Häufigkeit bewaffneter Konflikte sowie terroristischer Anschläge durch Al-Shabab war hoch. Die Regierungskräfte versuchten insbesondere, die wichtige nördlich verlaufende Verkehrsachse von Mogadischu über Balcad nach Jowhar offenzuhalten. Al-Shabab versuchte hier, durch Anschläge gegen staatliche Sicherheitskräfte und ihre internationalen Unterstützer den eigenen Einfluss aufrechtzuerhalten und eine Ausweitung der Autorität der Regierung zu verhindern.

219 Die Region Gedo stand im überwiegenden Teil weder unter Kontrolle von Regierungskräften noch von Al-Shabab. Die Stadt Baardhere war weitestgehend unter Kontrolle der Regierung. Aufgrund der Nähe zu einem Kerngebiet von Al-Shabab in der Region Middle Juba war die dortige Präsenz von Angehörigen der Terrororganisation groß. In der Region verfügte Al-Shabab über Bewegungsfreiheit. Projekte außerhalb der durch Regierungskräfte kontrollierten Gebiete waren nur nach Absprache mit lokal ansässigen Clans und Al-Shabab möglich.

220 In der Region Hiran versuchte die somalische Regierung, die Einflussgebiete von Al-Shabab zu verkleinern, indem vermehrt Städte und Dörfer eingenommen wurden. In diesen Bereichen zog sich Al-Shabab zurück in der Hoffnung, in die Städte und Dörfer zurückkehren zu können, wenn die Streit- und Sicherheitskräfte die eroberten Gebiete wieder verlassen hätten. Die Hauptstadt Baladwayne (bzw. Beledweyne) befand sich überwiegend unter Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte, war aber ebenfalls wiederholt Ziel von Anschlägen durch Al-Shabab. In der Stadt konnten nach Genehmigung staatlicher Stellen Hilfsprojekte durchgeführt werden. In den ländlichen Regionen außerhalb des Schutzes staatlicher Sicherheitskräfte bestand die Gefahr, Opfer von Kräften der Al-Shabab zu werden. Der Ort Mukayle lag nach nachrichtendienstlichen Erkenntnissen in von Al-Shabab kontrolliertem Gebiet. Hier war die Durchführung eines Hilfsprojekts nur nach vorheriger Absprache und Genehmigung durch die Terrororganisation möglich.

221 In Lower Juba im Süden Somalias war die Hauptstadt Kismayo unter der Kontrolle der Regierung. Die dortige Sicherheitslage war stabil und ruhig. Nichtsdestotrotz war die Terrororganisation auch dort in geringem Umfang präsent. Nördlich und nordöstlich von Kismayo versuchte die Regierung mit ihren Streit- und Sicherheitskräften seit 2015 erfolglos, in das Kerngebiet von Al-Shabab vorzudringen. In der Hauptstadt konnten Hilfsprojekte unter dem Schutz der Regierung durchgeführt werden, ohne einer unmittelbaren Gefahr durch die Terrororganisation ausgesetzt zu sein. Eine Genehmigung von Projekten durch die Terrororganisation war hier wahrscheinlich nicht zwingend notwendig.

222 In der Region Bay wurde die Präsenz von Al-Shabab vor allem im südlichen und südwestlichen Bereich als hoch bewertet. In Baidoa (Baydhabo), der Hauptstadt des Bundeslandes Interim South West Administration, war infolge der starken Präsenz der äthiopischen Streitkräfte und somalischen Sicherheitskräfte der Einfluss von Al-Shabab demgegenüber als gering zu bewerten, sodass Hilfsprojekte in dieser Stadt nach Genehmigung der lokalen Administration realisierbar waren. In Diinsoor waren zwar äthiopische Streitkräfte dauerhaft präsent, doch befanden sich diese in umkämpftem Gebiet. Hier kam es in erhöhtem Maße zu sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und Angriffen durch Kämpfer der Al-Shabab. Hilfsprojekte in und um Diinsoor waren daher wahrscheinlich nur nach Absprache mit Kräften der Al-Shabab und lokalen Clanältesten durchführbar. Der noch weiter südlich gelegene Ort Rahoole befand sich außerhalb staatlicher Kontrolle und nahe dem Kerngebiet von Al-Shabab. Hier nahm die Terrororganisation unmittelbar Einfluss auf die lokale Bevölkerung; Hilfsprojekte bedurften in diesem Gebiet der Genehmigung lokaler Clanvertreter und von Al-Shabab.

223 In Mudug verfügte Al-Shabab lediglich in der südlichen Küstenregion über eine starke Präsenz. In der nördlich gelegenen Hauptstadt Galkayo (Gaalkacyo) war die Präsenz und der Einfluss der Terrororganisation nur gering ausgeprägt; hier dominierten insbesondere die lokalen Vertreter des Clans der Hawiye. Für das Hilfsprojekt des Klägers (Bau einer Koranschule und von drei Brunnen) nahe dieser Stadt bei Xero Jaale durfte nach der Einschätzung des BND in der genannten Behördenerklärung TE-58/2022 die Genehmigung der lokalen Administration sowie möglicherweise durch Clanvertreter erforderlich gewesen sein.

224 Die Ausführungen des BND in seinen Behördenerklärungen werden im Wesentlichen durch die von der Beklagten vorgelegten Karten der Internetseite Political Geography Now "Somalia Control Map & Timeline", mit Stand 25. August 2017, 13. August 2019 sowie 14. Dezember 2021 bestätigt (abgerufen unter: www.polgeonow.com/​search/​label/​somalia). Danach befanden sich ein wesentlicher Teil der Ortschaften und Regionen, in denen der Kläger mit SKIB Projekte verwirklichte, entweder im Herrschafts- oder zumindest im bestimmenden Einflussbereich von Al-Shabab. Auch wenn Al-Shabab aus einigen Städten im Laufe der Jahre nach 2012 zurückgedrängt wurde, bedeutete dies nicht den vollständigen Verlust des Einflussbereichs. Viele Städte in Zentral- und Südsomalia blieben umkämpft und auch eine Kontrolle durch die somalischen Streitkräfte war nicht mit einem Verlust des bestimmenden Einflusses der Al-Shabab gleichzusetzen. In den umkämpften Städten ist vielmehr von einem steten Wechsel der Herrschaftsverhältnisse auszugehen. Dies gilt selbst für Mogadischu, insbesondere in den dortigen Armenvierteln. Wenn auch nicht sämtliche Projekte des Klägers in Gebieten liegen, in denen Al-Shabab einen beherrschenden oder zumindest bestimmenden Einfluss hatte, wurden jedenfalls ein Großteil der Projekte zwischen 2012 und 2021 in solchen Gebieten verwirklicht. Ausgenommen sind lediglich die Projekte in Puntland und in der Stadt Galkayo (Gaalkacyo) sowie für den Zeitraum von 2019 bis 2021 die Projekte in den Städten Baladwayne/​Beledweyne in der Region Hiran, Kismayo in der Region Lower Juba und Baidoa/​Baydhabo in der Region Bay, während sämtliche anderen Projekte in Zentral- und Südsomalia in die Herrschafts- und Einflussbereiche der Al-Shabab fielen.

225 Bestätigt wird diese Einschätzung durch das von dem Kläger vorgelegte, aus dem Jahr 2018 stammende Video, in dem er verschiedene Projekte im Süden von Somalia vorstellt und sein Vorsitzender betont, dass dort wegen der Kämpfe keine anderen Hilfsorganisationen außer dem Kläger aktiv seien (abgerufen unter www.youtube.com/​watch?v=pnj8MEmMabo, ab Stunde 1:23). Da sich diese Projekte nicht allein auf die Stadt Kismayo beschränkten, ist die Feststellung gerechtfertigt, dass sich der Kläger nicht nur in den ausschließlich von den somalischen Streit- und Sicherheitskräften beherrschten Teilen, sondern auch in den von Al-Shabab beherrschten bzw. umkämpften Bereichen bewegte und dort ebenfalls seine Projekte verwirklichte.

226 (2.3) Die humanitären Projekte im Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab konnten der Kläger und SKIB nur mit Billigung durch und aufgrund von Schutzzahlungen an die Terrororganisation durchführen.

227 Nach den Ausführungen in der BND-Behördenerklärung TE-22/2021 können Nichtregierungsorganisationen laut glaubhaften, aus unterschiedlichen Quellen stammenden und einander bestätigenden nachrichtendienstlichen Hinweisen in von Al-Shabab kontrollierten Gebieten tätig werden bzw. vor Attacken der Terrororganisation sicher sein, wenn sie sich vorab eine Art Genehmigung der Terrororganisation einholen bzw. die Konditionen des Tätigwerdens vorab mit ihr klären. Kern dieser Vereinbarung ist eine Geldzahlungspflicht gegenüber der Terrororganisation. Insoweit ist allerdings nicht abschließend geklärt, in welcher Form diese Geldzahlung erfolgt. Es weisen mehrere nachrichtendienstliche Erkenntnisse darauf hin, dass es innerhalb der Administrationsstrukturen der Al-Shabab ein dezidiert zuständiges "Office of Humanitarian Coordination" gibt, dass unter der direkten Aufsicht des Schura-Rates der Organisation steht und von diesem auch seine Vorgaben erhält. Dieses "Office" ernennt regionale Vertreter, die in Abstimmung mit dem regionalen Schatten-Gouverneur von Al-Shabab den Kontakt mit den Nichtregierungsorganisationen halten. Abhängig von der Größe des einzelnen Projekts wird durch Al-Shabab ein Betrag als "registration fee" festgesetzt, nach dessen Bezahlung die Nichtregierungsorganisationen ungestört ihre Tätigkeit in dem von der Terrororganisation kontrollierten Territorium beginnen können. Teilweise werden auch weitere Nebenabreden getroffen wie die Abgabe eines Teils von Naturalien (Lieferung von Lebensmitteln oder Medikamenten). Hinzu treten Nebenabreden über die Anzahl und Zusammensetzung der Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen. Deren Tätigkeit wird darüber hinaus zum Teil auch in der Propaganda als durch Al-Shabab vermittelte Hilfeleistung deklariert. Andere nachrichtendienstliche Erkenntnisse weisen demgegenüber darauf hin, dass die Zahlung von Steuern bzw. Spenden ("Zakat"), Schutzgeldern oder Zöllen für die ungestörte Tätigkeitsausübung ausreicht. Die allgemeine Abgabenerhebung erfolgt teilweise zusätzlich zur Zahlung einer Registrierungsgebühr. Diese Rahmenbedingungen für die Durchführung von Hilfsprojekten treffen für Teile Südsomalias zu und umfassen vor allem die Regionen Middle und Lower Juba. Aber auch die Tätigkeiten von Hilfsorganisationen in Regionen, die der bloßen Einflussnahme von Al-Shabab unterliegen, bedürfen nahezu sicher einer finanziellen Leistung an die Terrororganisation. Diese muss nicht in Form einer offiziellen Registrierung erfolgen, sondern kann auch durch direkte Zahlungen vorgenommen werden. Dies betrifft vor allem die Regionen Hiran, Banadir, Mogadischu, Gedo, Bay, Bakool, Lower und Middle Shabelle. Ohne entsprechende Zahlungen würden ausländische internationale Nichtregierungsorganisationen in diesem Gebiet Ziel von Anschlägen der Terrororganisation werden. Im ländlichen Raum operierende Hilfsorganisationen sind dabei stärker von Repression und Erpressung durch Al-Shabab betroffen als Nichtregierungsorganisationen, die in städtischen Zentren tätig sind.

228 Da der Kläger und SKIB nicht nur einmalige, sondern vor allem auch dauerhafte Projekte wie Moscheen, Schulen, Schneidereien etc. im Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab verwirklichten, konnten sie diese nach Überzeugung des Senats nur in Absprache mit Al-Shabab und entsprechenden Zahlungen an diese Organisation durchführen. Wenn der Kläger demgegenüber darauf verweist, dass er seit 2013 von der somalischen Regierung für seine Hilfsprojekte mit dem "Social Responsibility Award" ausgezeichnet und bevorzugt behandelt worden sei und auch mit der AMISOM kooperiert sowie Hilfsgüter unter ihrem Schutz verteilt haben will, schließt dies die Annahme von Absprachen und Zahlungen an Al-Shabab zur Verwirklichung der humanitären Projekte nach den vorstehenden Feststellungen nicht aus. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass bei dem Kläger und seinen Teilorganisationen - wie bereits dargelegt - eine ordnungsgemäße Verwendung der Spendengelder nicht hinreichend belegt ist und die Finanzströme dem legalen, buchhalterischen Geschäftsvorgang vorsätzlich entzogen werden sowie dem Prinzip einer transparenten Buchhaltung widersprechen.

229 Entgegen der Einschätzung des Klägers ist der von der Beklagten vorgelegte Vermerk des BfV vom 9. Juni 2022 betreffend die Auswertung der Kommunikation zwischen Frau H. A. und Herrn K. kein Beleg dafür, dass für die Durchführung der Projekte keine Zahlungen an die Al-Shabab erforderlich gewesen seien. Nach diesem Vermerk konnte ein Bezug zur Al-Shabab im Rahmen des Chatverlaufs zwar nicht festgestellt werden. Die Terrororganisation wurde lediglich in zwei Sprachnachrichten der Vorsitzenden von SKIB thematisiert, in denen es jeweils um die Schwierigkeiten vor Ort ging, weil beispielsweise bestimmte Hilfsgüter wegen der Al-Shabab nicht ausgeliefert werden könnten und die Mitarbeiter auf ihre eigene Sicherheit achten müssten. Diese Ausführungen in dem Vermerk sprechen jedoch gerade für die Feststellung, dass SKIB und der Kläger in dem Herrschafts- und Einflussbereich tätig waren und sie ihre Projekte nur in Absprache mit der Terrororganisation realisieren konnten.

230 (3) Die festgestellte Unterstützung der Al-Shabab ist dem Kläger zuzurechnen und erfüllt den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit.

231 Die Zurechenbarkeit steht für die eigenen Projekte des Klägers und für seine Beteiligung an den gemeinsamen Projekten mit SKIB außer Frage. Sie ist aber auch gegeben, soweit der Tatbestand der Unterstützung einer Terrororganisation im Ausland allein durch die Projekte von SKIB verwirklicht wurde. Denn der Kläger muss sich das Verhalten dieses Vereins als seiner Teilorganisation zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2023 - 6 A 2.21 - Rn. 30 ff., 61 ff.).

232 Mit den humanitären Hilfeleistungen in Somalia erfüllt der Kläger den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Die mit den im Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab verwirklichten Projekten und Hilfslieferungen verbundenen Akzeptanz- und Entlastungsvorteile sowie die finanziellen Abgaben für diese Terrororganisation sind nicht als völkerrechtlich zulässige humanitäre Hilfeleistungen anzusehen. Sie sind weder neutral noch unparteilich, da zwar nicht SKIB, aber jedenfalls der Kläger sich mit den Zielen der Terrororganisation Al-Shabab identifiziert.

233 Die Vorsitzende von SKIB hat sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen, in Somalia zunächst die humanitären Projekte ihres Vaters fortgeführt und diese dann mithilfe von anderen Organisationen, insbesondere mit TEDO, ausgeweitet zu haben. Sie habe mit dem Kläger zusammengearbeitet, um größere humanitäre Projekte verwirklichen zu können. Dabei habe sie sich dem Willen des Klägers letztlich untergeordnet, um die Verwirklichung der gemeinsamen Projekte in Somalia nicht zu gefährden. Das hat schließlich dazu geführt, dass SKIB sich von dem Kläger hat ausnutzen lassen. Hiervon ist der Senat bereits in seinem Urteil vom 7. Juli 2023 (BVerwG 6 A 2.21 - Rn. 61) ausgegangen. Anhaltspunkte dafür, dass sich SKIB und vor allem seine Vorsitzende mit den Zielen der Al-Shabab identifizieren, ergeben sich daraus allerdings nicht.

234 Anders verhält es sich bei dem Kläger. Wie bereits bei der Unterstützung der JaN und HTS durch den Kläger in Syrien dargelegt, identifiziert dieser sich mit den Zielen des Jihad und des Kampfes für die Errichtung eines Gottesstaates (Kalifat). Das gilt auch in Bezug auf die Al-Shabab in Somalia. Darüber hinaus - wie die Darstellung seiner Missionierungstätigkeit zeigen wird - identifiziert sich der Kläger auch mit der von Al-Shabab beabsichtigten Einführung der Scharia.

235 ff) Der Kläger erfüllt den Verbotsgrund des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung (aaa)), indem er zum einen die Terrororganisationen JaN bzw. HTS, HAMAS und Al-Shabab unterstützt (bbb)) und zum anderen mit seinen Missionierungstätigkeiten extremistisch-islamistische Inhalte verbreitet hat (ccc)).

236 aaa) Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG orientiert sich am völkerrechtlichen Gewaltverbot. Von dem Verbotsgrund sind nicht nur die friedlichen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu fremden Völkern, sondern auch der Frieden zwischen fremden Völkern erfasst. Gegen die Völkerverständigung in diesem Sinne richtet sich eine Vereinigung, wenn sie in den internationalen Beziehungen Gewalt oder vergleichbar schwerwiegende völkerrechtswidrige Handlungen aktiv propagiert und fördert. Das kann die Vereinigung selbst unmittelbar tun; der Verbotstatbestand kann aber auch erfüllt sein, wenn sich die Vereinigung durch die Förderung Dritter gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Dazu gehört die finanzielle Unterstützung terroristischer Handlungen und Organisationen, wenn diese objektiv geeignet ist, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen, und die Vereinigung dies weiß und zumindest billigt. Auch hier gilt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass ein Verbot als der schärfste Eingriff in die grundrechtlich geschützte Vereinigungsfreiheit nur zu rechtfertigen ist, wenn die Ausrichtung entsprechend schwer wiegt und die Vereinigung prägt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juli 2018 ‌- 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 110 ff. und vom 2. Juli 2019 - 1 BvR 385/16 - NVwZ 2020, 226 Rn. 13 und 17; BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 - BVerwGE 153, 211 Rn. 20).

237 Ein Handeln mit humanitärer Zielsetzung kann - wie bereits ausgeführt - ebenfalls unter den Tatbestand des Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG fallen, wenn es unmittelbar eine Organisation unterstützt, deren Tätigkeiten die völkerverständigungswidrige Betätigung einer anderen Organisation fördert. Humanitäre Hilfe kann danach ein Vereinigungsverbot begründen, wenn die Hilfeleistungen selbst die Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität und Unparteilichkeit verletzen (siehe oben sowie BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 134).

238 bbb) Der Kläger richtet sich mit der festgestellten Unterstützung der JaN bzw. der HTS in Syrien (1), der HAMAS im Gazastreifen (2) und der Al-Shabab in Somalia (3) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, da sich diese Terrororganisationen ihrerseits gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten.

239 (1) Die Aktivitäten der JaN bzw. der HTS in Syrien wenden sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Deren Ziel ist der Sturz des Assad-Regimes, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Scharia ersetzen wollen. Darüber hinaus erstreben sie die "Befreiung" des historischen Großsyriens, d. h. Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanon, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete bzw. die Befreiung Syriens. Diese Ziele verfolgen die Terrororganisationen mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen, gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparats und von nicht am Konflikt beteiligten Zivilisten.

240 Der Kläger unterstützt die terroristischen Handlungen dieser Organisationen, indem er aktiv bei der Beschaffung von militärischen Ausrüstungsgegenständen im Ausland mitwirkte sowie in beachtlichem Umfang Gelder an diese Organisationen weiterleitete und sie mit humanitären Projekten förderte. Diese mit großem finanziellen Aufwand betriebenen Aktivitäten gingen über die mit der Gewährung humanitärer Hilfe verbundenen Entlastungs- und Akzeptanzvorteile zugunsten dieser Terrororganisationen hinaus. Sie waren unzweifelhaft geeignet, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Denn sie förderten damit die JaN bzw. die HTS in einer Weise, die geeignet war, deren sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtende Ziele weiterzuverfolgen. Da die Unterstützungshandlungen von dem Vorsitzenden und den Mitarbeitern des Klägers gesteuert wurden und sich diese mit den Zielen der Terrororganisationen identifizieren, ist auch die Annahme gerechtfertigt, dass der Kläger deren Handlungen kennt, billigt und sich mit ihnen identifiziert.

241 (2) Da die HAMAS als völkerverständigungswidrige Organisation anzusehen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 2004 - 6 A 10.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 41, vom 18. April 2012 - 6 A 2.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 56 und vom 16. November 2015 - 1 A 4.15 - BVerwGE 153, 211 Rn. 28), stellt die in diesem Bewusstsein und - angesichts der festgestellten israelfeindlichen Ausrichtung des WWR und des Klägers - bewusst vorgenommene Unterstützung des Sozialvereins ISJ der HAMAS durch WWR ebenfalls eine sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtende Tätigkeit dar. Da WWR mit diesen Handlungen dazu beitrug, dass die HAMAS ihre Beziehungen sowie den Kreis ihrer Unterstützer in der Bundesrepublik Deutschland erweiterte und mit der Einladung von Funktionären deren Handlungsradius vergrößern wollte, förderte WWR aktiv die Ziele und Politik dieser Terrororganisation einschließlich ihres terroristischen Kampfes. Der Kläger muss sich das Verhalten des WWR zurechnen lassen, da es sich hierbei um seine Teilorganisation handelt. Er identifiziert sich mit den Zielen der HAMAS, sodass die ihm zurechenbaren humanitären Projekte des WWR nicht als völkerrechtlich zulässig anzusehen sind.

242 (3) Al-Shabab ist ebenfalls als eine sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtende Terrororganisation anzusehen. Sie hat die Vertreibung der in Somalia stationierten Truppen der AMISOM, den Sturz der von dieser gestützten somalischen Regierung, die Errichtung eines Kalifats in Somalia sowie die Einführung der Scharia zum Ziel. Zur Erreichung dieser Ziele kämpft sie gegen Truppen benachbarter Staaten und Staatenverbände, die versuchen, die somalische Regierung zu stabilisieren. Zugleich verübt sie regelmäßig Überfälle, Entführungen, Anschläge sowie Selbstmordattentate auch gegenüber unbeteiligten Zivilisten innerhalb und außerhalb Somalias.

243 Diese völkerverständigungswidrige Organisation unterstützte der Kläger im Verbund mit seiner Teilorganisation SKIB. Die überwiegend im Herrschafts- und Einflussbereich der Al-Shabab verwirklichten humanitären Projekte des Klägers und seiner Teilorganisation hingen von dem Einverständnis der Terrororganisation und der Entrichtung von Zwangsabgaben an diese ab. Dadurch waren diese Projekte objektiv geeignet, den Gedanken der Völkerverständigung schwerwiegend, ernst und nachhaltig zu beeinträchtigen. Denn mit der humanitären Hilfeleistung war zugleich zwangsläufig eine finanzielle Unterstützung von Al-Shabab verbunden, was der Kläger billigend in Kauf nimmt. Da der Kläger sich mit den Zielen der Al-Shabab identifiziert, sind die humanitären Hilfeleistungen nicht als neutral und unparteilich im Sinne des Völkerrechts einzuordnen.

244 ccc) Der Kläger erfüllt den Verbotstatbestand des Sichrichtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung darüber hinaus durch seine Missionierungstätigkeiten. Voraussetzung hierfür ist, dass mit den verbreiteten Inhalten Menschen bis zur Gewaltbereitschaft radikalisiert werden sollen (1), wovon bei dem Kläger aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Prediger Herrn M. C. und dem Betrieb der Koran- und Hadith-Akademie in Bursa auszugehen ist (2).

245 (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können Missionierungstätigkeiten den Tatbestand des Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG begründen, wenn sie die Verbreitung islamistischer Inhalte zum Gegenstand haben, die geeignet sind, junge Muslime und Konvertiten bis zur Gewaltbereitschaft zu radikalisieren und so den Boden für die Gewinnung von Kämpfern für den bewaffneten Jihad zu bereiten. Die Voraussetzungen liegen vor, wenn die Vereinigung zur Gewaltanwendung auffordert, respektive die Führung des gewaltsamen Jihad befürwortet und unterstützt. Dabei muss die Grenze zwischen einer am Maßstab des Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG nicht bedeutsamen Befassung mit Glaubensinhalten und einem verbotsrelevanten Wirken überschritten werden. Die staatlichen Stellen dürfen vor dem Hintergrund des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG für das Verbot eines religiösen Vereins als völkerverständigungswidrig nicht die von dem Verein vertretenen und beworbenen Glaubensinhalte als solche als richtig oder falsch bewerten. Sie sind aber nicht gehindert, das tatsächliche Verhalten einer religiösen Gruppierung oder ihrer Mitglieder und seine Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft nach staatlichem Recht zu beurteilen, selbst wenn dieses Verhalten letztlich auf Glaubensinhalten beruht. Hiernach reicht die in einer religiösen Vereinigung vertretene bloße Überzeugung, göttliche Gebote gingen dem staatlichen Gesetz vor, für die Annahme der Völkerverständigungswidrigkeit noch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis, dass sich ein (religiöser) Verein nicht darauf beschränkt, sich mit religiös begründeten, in Widerspruch zu dem Gedanken der Völkerverständigung stehenden Lehren als Glaubensinhalt zu befassen und in diesem Sinne für sie zu werben, sondern die konkrete Umsetzung dieser Lehren oder aus ihnen hergeleiteter Verhaltenspflichten in Deutschland bzw. in den Fällen des Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG auch in anderen Staaten propagiert und fördert (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 36, 53 ff., 55).

246 Als Indizien für eine solche völkerverständigungswidrige Missionierungstätigkeit kommen hiernach die Propagierung des Jihad und der Aufruf zum Kämpfen in religionsbezogenen Auseinandersetzungen, die Verbreitung entsprechender Nashids sowie die Propagierung von Gewaltanwendungen gegenüber Andersgläubigen bzw. westlich geprägten Ländern in Betracht (BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 53).

247 (2) Der Kläger betreibt eine sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtende Missionierungstätigkeit, wofür die enge Zusammenarbeit mit dem islamistischen Prediger M. C. (2.1) und der Betrieb der Koran- und Hadith-Akademie in Bursa (2.2) bezeichnend sind. Unter Berücksichtigung der ideologischen Ausrichtung des Klägers ergibt sich ein Bild seiner Missionierungstätigkeit, die eine Propagierung von Gewaltanwendungen im Sinne eines radikalen Islamismus einschließt (2.3). Die Hilfeleistungen des Klägers für nicht muslimische Menschen und seine Bekenntnisse zur Völkerverständigung stehen dem nicht entgegen (2.4).

248 (2.1) M. C. ("...") ist als islamistischer Prediger einzuordnen, der die Gewaltbereitschaft befürwortet und zum jihadistischen Kampf der Muslime gegen die Ungläubigen aufruft. Er war zeitweise Vorsitzender des Vereins "Einladung zum Paradies e. V.", der nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Urteil vom 6. September 2017 - 19 A 2246/15 -‌ juris Rn. 40) Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG verfolgte. Zugleich ist er nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2020 (S. 214) in der Vereinigung "Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft e. V." in Braunschweig tätig, in der islamistisches Gedankengut verbreitet wird. Die islamistische Überzeugung des Herrn M. C. wird insbesondere anhand seiner im Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 (S. 168 f.) wiedergegebenen Aussagen im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Redaktion der Zeitschrift "Charlie Hebdo" am 7. Januar 2015 in einer Predigt vom 30. Januar 2015 deutlich. Darin äußerte M. C., Ziel solcher Anschläge sei es, Muslime unter Verdacht zu stellen und als Übeltäter zu brandmarken. Dass es sich hierbei um einen Terrorakt gehandelt habe, habe Herr M. C. nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 in seiner Predigt nicht zu erkennen gegeben. Er habe hervorgehoben, dass der Westen in den letzten zehn Jahren Millionen Muslime getötet habe, was dann Demokratie heiße. Der Islam müsse richtig verstanden werden, denn er sei keine Religion des alles Akzeptierens. Der Islam sei auch eine Religion des Krieges. Wer den Propheten Muhammad, würde er heute noch leben, beleidige, werde von diesem getötet werden. Weiter äußerte er: Frankreich habe seit 200 Jahren die muslimischen Eigentümer beklaut und mit Waffen, Ideologien und Verwerflichkeiten vernichtet, was könnten sie anderes erwarten? Abtrünnige vom Islam seien hinzurichten.

249 Der Kläger stellt diese Aussagen als solche nicht in Abrede, erachtet sie jedoch nicht als Ausdruck eines islamistischen Weltbildes. Dieser Auffassung folgt der Senat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nicht. Im Gegenteil sind diese Äußerungen nach Auffassung des Senats unzweifelhaft islamistisch geprägt. Mit ihnen wird im Namen des Islam zum jihadistischen gewaltsamen Kampf gegen Ungläubige und westlich geprägte Länder aufgerufen.

250 Der Kläger arbeitete im Rahmen seiner Missionierungstätigkeit über Jahre eng mit Herrn M. C. zusammen. So trat Herr M. C. im Jahr 2015 nach dem im Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2015 (S. 169) abgebildeten Werbeflyer und dem Bericht auf der Internetseite "ruhrbarone" (abgerufen unter www.ruhrbarone.de/​nrw-salafisten-zugast-in-niedersachsen-ansaar-international-e-v-sammelt-geldfuer-syrien/100436) auf einer Benefizveranstaltung des Klägers in Braunschweig auf. Zugleich arbeitete der Kläger mit Herrn M. C. mehrfach im Ausland zusammen. Herr M. C. begleitete den Vorsitzenden des Klägers auf dessen Reise nach Ghana und sprach dort vor Waisenkindern, veröffentlichte ein Video hiervon auf Facebook und YouTube und warb damit um Spenden für den Kläger. Ein Schwerpunkt des Einsatzes von Herrn M. C. war das vom Kläger in Ghana betriebene Waisenhaus "Home of Taqwa" nebst angegliederter Schule, in dem Kinder aus Ghana und den umliegenden Ländern aufgenommen wurden. Der Senat ist bei umfassender Würdigung aller Umstände davon überzeugt, dass das Ziel ihrer dortigen Erziehung die Missionierung im Sinne des Klägers war. Ausweislich des am 12. Juni 2016 veröffentlichten Videos des Klägers "Die ultimative Ghana Doku 2" hielt Herr M. C. nach dem Vermerk des IM NRW vom 29. September 2020 eine religiös geprägte Ansprache an die Waisenkinder, wonach Allah der muslimischen Gemeinschaft die Aufgabe gegeben habe, für die anwesenden Waisen der Vater zu sein; auch die Kinder müssten später ihren "muslimischen Geschwistern helfen, und zwar überall auf der Welt". Nach dem genannten Vermerk des IM NRW trat Herr M. C. auch in dem bereits erwähnten Video des Klägers "Ghana - Raus aus der Großstadt" vom 20. Februar 2017 auf, in dem der Vorsitzende des Klägers von seinen Konversionsaktivitäten in Ghana und dem dortigen Bau des Waisenhauses "Home of Taqwa" berichtet. In diesem Video wird gezeigt, dass M. C. im Beisein des Vorsitzenden des Klägers die Insassen eines Kleinbusses konvertiert und mit ihnen das islamische Glaubensbekenntnis spricht. Darüber hinaus wirbt der Kläger auf seiner Facebook-Seite mit Bildern von M. C., wie er gemeinsam mit Kindern des Waisenhauses "Home of Taqwa" betet und die für die Erziehung der Waisenkinder zuständigen Aufseher fortbildet, um Spenden für das Waisenhaus und dessen Erweiterung um eine Schule. Schließlich warb Herr M. C. für die vom Kläger betriebene Koran- und Hadith-Akademie in Bursa (hierzu sogleich).

251 Die im gerichtlichen Verfahren erfolgte Verharmlosung der Aussagen von Herrn M. C. und Distanzierung von dessen islamistischer Haltung verbunden mit der Behauptung des Vorsitzenden des Klägers, diese nicht gekannt zu haben, erachtet der Senat als vorgeschoben. Diesen Äußerungen des Vorsitzenden des Klägers fehlt schon deshalb die Überzeugungskraft, weil der Kläger die Zusammenarbeit mit Herrn M. C. in anderer Form fortsetzte, obwohl er nach eigenen Angaben die Benefizveranstaltungen deswegen einstellte, weil der Islamismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen wegen der Teilnahme von als salafistisch eingeschätzten Predigern Bedenken gegen diese Veranstaltungen geäußert hatte.

252 (2.2) Einen weiteren Schwerpunkt der Missionierungstätigkeiten des Klägers bildet die Koran- und Hadith-Akademie in Bursa (Türkei), die nach den Einlassungen des Vorsitzenden des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom klägerischen Verein übernommen und weiterbetrieben wurde. Diese Akademie ist nach den Angaben des Klägers in einem Video vom 19. August 2016, in dem Herr M. C. mitwirkte, der Ort, wo der Koran, die arabische Sprache sowie Hadith- und Islamwissenschaften studiert werden können. Bursa sei eine konservative Stadt, in der die "islamische Erziehung" leichter umgesetzt werden könne. Schüler und Studierende erlernten an der Akademie "authentisches Wissen" über den Islam, welches sie dann in ihrer Heimat und in die dort von dem Kläger betriebenen Waisenhäuser weitergäben. Die theologisch ausgebildeten Schüler und Islamgelehrten fungierten als Multiplikatoren. Schon bei dem Betrieb der Waisenhäuser und Schulen - beispielsweise dem erwähnten "Home of Taqwa" in Ghana - hatte der Kläger im Blick, einigen Kindern später ein Studium an der Koran- und Hadith-Akademie in Bursa zu ermöglichen. Im Jahr 2016 gab es bereits 120 Schüler bzw. Studierende aus Ländern wie der Türkei, Deutschland, Albanien und Syrien sowie aus dem Kaukasus. Die Akademie ist - so der Vorsitzende des Klägers in der mündlichen Verhandlung - zu 80 bis 90 Prozent von ausländischen, nicht türkischen Studierenden - darunter auch zwei bis vier Personen aus Deutschland - besucht worden, die wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind.

253 (2.3) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger mit seinen Missionierungstätigkeiten sein auch für die Anwendung von Gewalt offenes jihadistisch-islamistisches Weltbild in zahlreichen Ländern weiterverbreitet. Diese Einschätzung beruht zum einen auf der engen Zusammenarbeit des Klägers mit dem als islamistisch einzuordnenden Prediger M. C. Sie wird zum anderen getragen von der ideologischen Ausrichtung des Klägers, der sich mit den Zielen der genannten völkerverständigungswidrig handelnden Terrororganisationen in Syrien, dem Gazastreifen und in Zentral- und Südsomalia einschließlich der Einführung der Scharia identifiziert. Diese als völkerverständigungswidrig anzusehende Ideologisierung ist Grundlage der Missionierungstätigkeit des Klägers, die eine Propagierung von Gewaltanwendungen im Namen des Islam einschließt. Mit der auf die Verbreitung eines radikalen Islamismus ausgerichteten Missionierung beginnt der Kläger gezielt in seinen Waisenhäusern und Schulen gegenüber jüngeren Kindern und setzt sie später an der Koran- und Hadith-Akademie in Bursa fort.

254 (2.4) Der Annahme des Verbotsgrundes des Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG durch die Missionierungstätigkeit des Klägers stehen dessen Projekte für Christen bzw. Nichtmuslime und die Bekenntnisse von Herrn K. zur Völkerverständigung nicht entgegen. Die von dem Kläger hierfür angeführten Projekte bilden mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen ersichtlich nur einen Randbereich seiner Aktivitäten. Auch der Hinweis auf die Betreuung christlicher Kinder im Waisenhaus "Home of Taqwa" steht nicht im Widerspruch zur festgestellten islamistischen Ausrichtung der Missionierungstätigkeit, zumal der Leiter dieses Waisenhauses in dem angeführten Video des Klägers "Ghana - Raus aus der Großstadt" vom 20. Februar 2017 gegenüber den Kindern betont, dass das Aufwachsen als Christ kein Grund sei, nicht Muslim zu werden. Schließlich verfangen auch die in der mündlichen Verhandlung wiederholten Bekenntnisse des Vorsitzenden des Klägers zum Gedanken der Völkerverständigung angesichts der festgestellten Identifizierung mit den islamistischen und jihadistischen Zielen der Terrororganisationen JaN und HTS, HAMAS und Al-Shabab nicht.

255 gg) Der Kläger erfüllt außerdem den Verbotstatbestand des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung (aaa)), indem er bis zum Erlass des Verbots seine Missionierungstätigkeit auch auf Deutschland erstreckte (bbb)).

256 aaa) Das Schutzgut des Verbotsgrundes des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung umfasst - wie die freiheitlich demokratische Grundordnung in Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG - die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Eine Vereinigung muss sich gegen diese elementaren Grundsätze "richten". Ihr Verbot ist nicht bereits zu rechtfertigen, wenn sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Art. 9 Abs. 2 GG ist - auch unter Beachtung von Art. 5 sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG - kein Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot und zielt weder auf innere Haltungen noch auf bestimmte politische Überzeugungen. Selbst die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen oder bestimmter politischer Auffassungen überschreitet als solche nicht die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung. So wie das Grundgesetz die Meinungsfreiheit im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit garantiert, vertraut es mit der Vereinigungsfreiheit grundsätzlich auf die freie gesellschaftliche Assoziation und die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs. Daher ist zur Rechtfertigung eines Vereinigungsverbots entscheidend, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Ein Verbot kommt umgekehrt nicht erst dann in Betracht, wenn eine konkrete Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung eingetreten ist oder eine Vereinigung die elementaren Grundsätze der Verfassung tatsächlich gefährdet. Der Verfassungsgeber hat sich mit Art. 9 Abs. 2 GG als Ausdruck des Bekenntnisses zu einer streitbaren Demokratie vielmehr für einen präventiven Verfassungsschutz entschieden. Die Verbotsbefugnis ermöglicht es daher, Organisationen rechtzeitig entgegenzutreten. Es kommt anders als bei politischen Parteien bei Vereinigungen auch weder auf ihre Potentialität im Sinne konkreter Anhaltspunkte von Gewicht an, die es möglich erscheinen lassen, dass ihr Handeln erfolgreich sein kann, noch auf die räumliche Reichweite ihres Handelns. Schon wenn die Vereinigung als solche kämpferisch-aggressiv darauf ausgerichtet ist, wesentliche Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung zu zerstören, rechtfertigt dies ihr Verbot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 107 ff.; BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 34 f. jeweils m. w. N.).

257 bbb) In diesem Sinne wendet sich der Kläger mit seiner Missionierungstätigkeit gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Zahlreiche Indizien (1) lassen den Schluss zu, dass er eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt (2).

258 (1) Bereits festgestellt ist, dass der Kläger auf einer seiner bis 2015 durchgeführten Benefizveranstaltungen den islamistisch ausgerichteten, den gewaltsamen Jihad propagierenden Prediger M. C. einsetzte. Aus der Zeugenaussage der Ehefrau von Herrn K. und dessen Einvernahme ergibt sich, dass die auf den Benefizveranstaltungen auftretenden Prediger - und damit auch Herr M. C. – über die Bedeutung des Spendens im Koran gepredigt hatten. Der Kläger bot mithin Herrn M. C. die Gelegenheit, im Zusammenhang mit dem Einwerben von Spenden seine Interpretation des Korans einem größeren Publikum zu offenbaren. Wenn der Kläger angibt, die Prediger allein wegen ihres Bekanntheitsgrades, ihrer Sprachfertigkeit und ihrer Reichweite ausgewählt zu haben, ohne dass deren Ausrichtung wie diejenige von Herrn M. C. eine Rolle gespielt haben soll, nimmt der Senat ihm dies nicht ab.

259 Zwar gab der Kläger seine Missionierungstätigkeiten im Rahmen von Benefizveranstaltungen in Deutschland im Jahr 2015 auf und verlagerte seine Missionierung im Wesentlichen in das Ausland. Auch dort richtete sich diese jedoch gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Dies gilt jedenfalls für den Betrieb der Koran- und Hadith-Akademie in Bursa, die der Ausbildung von Lehrern und Imamen diente, die das vom Kläger vertretene Bild eines radikalen Islamismus verbreiten sollten, indem sie in ihre Heimatländer und in die Waisenhäuser zurückkehrten. Damit zielte die Missionierungstätigkeit auf eine Verbreitung des damit verbundenen Weltbildes unter anderem in Deutschland ab.

260 Abgerundet wird das Bild neben den bereits festgestellten Kontakten des Klägers zu antisemitischen Personen dadurch, dass er über seine Teilorganisation Ummashop auch einzelne Bücher vertreibt, deren Inhalt sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Zu nennen ist hier das Buch "Was macht mich zu einem Muslim" von Prof. Dr. Fethi Yeken (S. 15, 17, 34 f., 54 ff. 86 ff., 91 ff.), in dem auf die vier Rechtsschulen und die Scharia als Grundlage für den freien Willen der Gläubigen verwiesen wird, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Weiter heißt es, dass die Arbeit für den Islam eine schariagemäße Pflicht und die Gesetzgebung das alleinige Recht Allahs sei. Da die Länder des Islam mit römischen, griechischen und französischen Gesetzen regiert würden und das Wirtschaftssystem entweder kapitalistisch oder sozialistisch sei, sei die Bemühung um die Veränderung dieser Gesetze und Systeme eine individuelle Pflicht für jeden Muslim, bis die schariagemäßen, islamischen Gesetze wieder umgesetzt worden seien. Ein prüfender Blick auf die Zustände, die in den Ländern des Islam vorherrschten, bestätige nach Auffassung des Autors die Notwendigkeit der Errichtung einer islamischen Front; die Zukunft gehöre dem Islam auf der ganzen Erde, weil die menschengemachten Lebens- und Denkweisen scheitern würden. Dies gelte für den Kapitalismus, die Demokratie, den Sozialismus und den Kommunismus. Auf militärischer Ebene trügen diese Systeme allesamt die Verantwortung aufgrund der Nachlässigkeit im Hinblick auf die Angelegenheiten der unterdrückten islamischen Völker wie zum Beispiel im Falle von Kaschmir, Äthiopien bzw. Somalia, Eritrea, den Philippinen sowie insbesondere im Falle Palästinas. Eine zweite Eroberung wird angekündigt, deren Verwirklichung voraussetze, dass das rechtschaffende Kalifat wieder zur muslimischen Umma zurückkehren werde. Ebenfalls die uneingeschränkte Geltung der Scharia propagiert das im Ummashop vertriebene Buch "Islam und Sexualität" von Dr. Abdur Rahman Al-Sheha in den Bereichen der Ehe und des Geschlechtstriebs.

261 (2) Der Kläger will nach den festzustellenden Indizien mit seiner von einer radikal-islamistischen Grundhaltung geprägten Missionierungstätigkeit wesentliche Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung beseitigen. Seinen von ihm vertretenen und verbreiteten Lehren liegt eine Werteordnung zugrunde, die im Widerspruch zu derjenigen des Grundgesetzes steht. Von besonderem Gewicht ist dabei die Propagierung der Scharia. Das Verständnis der Scharia als eines von Gott gesetzten und deshalb allen staatlichen Gesetzen übergeordneten Rechts steht im Widerspruch zu den grundgesetzlichen Prinzipien des Rechtsstaats bzw. der Demokratie (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 - 6 A 3.13 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 37 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 13. Februar 2003 - Nr. 41340/98 u. a., Refah Partisi u. a./Türkei - NVwZ 2003, 1489 <1495>). Vor allem aber setzt sich der Kläger für ein verfassungsfeindlich-islamistisches Weltbild ein, das von der Errichtung eines Kalifats geleitet wird, welches nicht nur in den muslimischen, sondern auch in den westlichen Ländern herrschen soll. Er beabsichtigt, mit der Ausbildung entsprechender Lehrer und Imame gerade auch in Deutschland dieses Weltbild zu verbreiten und damit die Werteordnung des Grundgesetzes zu untergraben. Die nach Deutschland wirkende Missionierungstätigkeit des Klägers erschöpft sich auch angesichts der von ihm vertretenen Ideologie nicht in der Werbung für den Islam und der Herausstellung seiner angenommenen Vorzüge gegenüber anderen Religionen; sie ist vielmehr geprägt von dem alleinigen Geltungsanspruch eines radikalen Islamismus, der auf die Beseitigung anderer Religionen, der Demokratie und wesentlicher Grundrechte angelegt ist.

262 hh) Das Verbot des Klägers ist am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu beanstanden. Auch wenn der Kläger zahlreiche weitere humanitäre Projekte verwirklicht, prägen die Unterstützung terroristischer Vereinigungen und seine Missionierungsaktivitäten, mithin die Verwirklichung sämtlicher in Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG normierten Verbotstatbestände sein Handeln, sodass allein das Verbot des Klägers in Betracht kommt.

263 Aus den in das Verfahren eingeführten Unterlagen und den vom Kläger angegebenen Videos ergibt sich zwar, dass dieser bis zu seinem Verbot in zahlreichen Ländern tätig war und eine Vielzahl humanitärer Projekte verwirklichte. Er selbst gab an, dass er in 56 Ländern aktiv sei und über 5 000 gemeinnützige Projekte unterstützt bzw. finanziert habe. Neben den schon erwähnten Ländern Ghana, Syrien und Somalia sowie dem Gazastreifen war der Kläger etwa in Nigeria, Pakistan, Indien (Provinz Kaschmir), Türkei, Afghanistan, Jemen, Myanmar und weiteren Länder aktiv, die in seiner Projektübersicht aufgeführt sind. Er verwirklichte vor allem Brunnenprojekte und betrieb Waisenhäuser. Er verweist zudem auf das Kooperationsprojekt "African Peace Movement" und auf die Unterstützung der Binoria Media Universität sowie seine Hilfe für Uiguren.

264 Jedoch kommt es für die Beurteilung, ob die die Erfüllung der Verbotstatbestände begründenden Tätigkeiten die Aktivitäten des Klägers prägen, nicht auf eine quantitative, sondern auf eine wertende Betrachtung an. Daher verfängt auch nicht der Hinweis des Klägers, die Unterstützung von Terrororganisationen sei ins Verhältnis zu seinen humanitären Maßnahmen zu setzen. Nach dem Gesamtbild ist der Kläger ein weltweit agierender Verein, der sich mit den Zielen von Terrororganisationen identifiziert, die mit ihrem Kampf das Kalifat errichten, die Scharia einführen und Israel vernichten wollen. Darüber hinaus betreibt er weltweit und ganz systematisch seine Missionierungstätigkeit, mit der er sein radikal-islamistisches Weltbild verbreitet. Der Kläger hat hierfür über seine Teilorganisationen ein Vereinsgeflecht geschaffen, das ihm ermöglicht, humanitäre Projekte zu verwirklichen und mit ihnen im großen Umfang Gelder zu generieren, um neben den tatsächlichen Hilfeleistungen die Unterstützung von Terrororganisationen und seine Missionierungstätigkeit vorantreiben zu können. Da des Weiteren sein Handeln - wie bei den jeweiligen Verbotstatbeständen ausgeführt worden ist - von einer radikal-islamistischen Haltung gekennzeichnet ist, rechtfertigt dies den Schluss, dass seine die Verbotsgründe verwirklichenden Handlungen seine Zwecke und Tätigkeiten prägen.

265 Mildere Mittel als das ausgesprochene Verbot sind nicht ersichtlich. Mit den von dem Kläger als mildere Mittel genannten Maßnahmen kann den von ihm und seinen Teilorganisationen als Vereinigungen ausgehenden Gefahren nicht wirksam begegnet werden. Es entspricht nicht den Aufgaben der Beklagten, zur Verhinderung eines Vereinigungsverbots dem Kläger ein Treuhandkonto einzuräumen oder ihn über Erkenntnisse in Bezug auf die Unterstützung von Terrororganisationen, Spendern und Mitgliedern zu unterrichten. Auch ist angesichts der vorliegenden Vereinsstrukturen nicht ansatzweise erkennbar, dass ein strafrechtliches bzw. ein auf die Verwirkung des Grundrechts nach Art. 9 Abs. 1 GG gerichtetes Vorgehen gegen den Vorsitzenden des Klägers ebenso effektiv gewesen wäre wie die Zerschlagung sämtlicher Strukturen der Gesamtvereinigung, die alle Verbotsgründe des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG verwirklicht. Gleiches gilt für das vom Kläger in Erwägung gezogene selbständige Verbot von WWR und SKIB. Die Ausnutzung der gesamten Vereinsstrukturen bei der Sammlung von Spenden und Geldern sowie deren Einsatz zur Erreichung der klägerischen Ziele im Sinne einer jihadistisch-islamistischen Grund- und Werteordnung kann nur durch die Zerschlagung dieser Vereinsstrukturen wirksam verhindert werden.

266 Kein anderes Ergebnis als die Verhältnismäßigkeit des Vereinsverbots ist gegeben, wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass er sich auf den Schutz der Glaubensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG berufen kann. Dabei muss nicht entschieden werden, in welchem Umfang und in welchem Verhältnis zu Art. 9 GG die Bildung und der Bestand sowie das sonstige Handeln von Vereinen durch das Grundrecht der Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG geschützt werden. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Interessen des Klägers den Schutz besonders bedeutender Rechtsgüter, des Gedankens der Völkerverständigung und der verfassungsmäßigen Ordnung, dem mit dem Verbot des Klägers Rechnung getragen wird, überwiegen könnten; vielmehr erweist sich das Verbot des Klägers mit Blick auf die hierdurch geschützten Verfassungsgüter als unerlässlich.

267 ii) Da das Verbot und die Auflösung des Klägers keinen materiell-rechtlichen Bedenken begegnen, sind auch die ihn betreffenden weiteren in der angefochtenen Verfügung getroffenen Regelungen rechtmäßig, die ihre Rechtsgrundlagen in den Bestimmungen des Vereinsrechts haben (vgl. oben II 2. b)).

268 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss vom 08.02.2024 -
BVerwG 6 KSt 1.24ECLI:DE:BVerwG:2024:080224B6KSt1.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.02.2024 - 6 KSt 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:080224B6KSt1.24.0]

Beschluss

BVerwG 6 KSt 1.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Hahn und Dr. Tegethoff
beschlossen:

Die Gegenvorstellung der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 21. August 2023 wird zurückgewiesen.

Gründe

1 1. Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers im eigenen Namen nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erhobene Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung durch den Senat ist nicht statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 2 und 3 GKG; vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 2023 - 4 KSt 1.23 - juris Rn. 1 m. w. N.). Der Senat versteht daher das innerhalb der - hier eingehaltenen - sechsmonatigen Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingegangene Schreiben vom 25. Januar 2024 als Anregung, die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG von Amts wegen zu ändern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Mai 2022 - 6 C 13.20 - juris Rn. 2).

2 2. Die Gegenvorstellung ist in der Sache erfolglos. Die mit ihr vorgebrachten Einwendungen gegen die Streitwertfestsetzung veranlassen den Senat nicht zu einer Abänderung des Streitwerts. Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert, soweit - wie im vorliegenden Fall - nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung der Sache einer Klage des Vereins gegen die ihn betreffende Verbotsverfügung ergibt sich aus dem damit verbundenen Ziel, die Vereinstätigkeit fortführen zu wollen. Die sich daraus ergebende Bedeutung der Sache bemisst der für das Vereinsrecht zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Ausübung seines ihm zustehenden Ermessens und in ständiger Praxis nicht nach dem wirtschaftlichen Wert des im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot beschlagnahmten Vereinsvermögens, sondern nach demjenigen Wert, der für solche Verfahren in der jeweils geltenden Fassung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit festgelegt ist (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juli 1998 - 1 B 75.98 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 100 und vom 9. Juni 2002 - 6 VR 2.21 - juris). Gegenwärtig ist für die Klage eines Vereins gegen ein vom Bundesministerium des Innern erlassenes Vereinsverbot nach Ziff. 45.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 pauschal ein Streitwert von 30 000 € festzusetzen. Auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers, das die Prozessbevollmächtigten des Klägers an dem Wert des beschlagnahmten Vereinsvermögens festmachen, kommt es hiernach nicht an.

Beschluss vom 12.02.2024 -
BVerwG 6 A 1.24ECLI:DE:BVerwG:2024:120224B6A1.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.02.2024 - 6 A 1.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:120224B6A1.24.0]

Beschluss

BVerwG 6 A 1.24

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers vom 1. Februar 2024 gegen das Urteil des Senats vom 21. August 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Urteils des Senats vom 21. August 2023 wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein eingetragener Verein, wendet sich mit seiner mit Schriftsatz vom 1. Februar 2024 erhobenen Anhörungsrüge gegen das Urteil des Senats vom 21. August 2023 (BVerwG 6 A 3.21 ), mit dem seine Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern vom 22. März 2021 abgewiesen worden ist. Er rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil der Senat einen Teil der von ihm in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens BVerwG 6 A 3.21 gestellten und beschiedenen Beweisanträge nicht habe ablehnen dürfen. Die Rüge beziehe sich auf die in der Begründung der Anhörungsrüge aufgeführten Beweisanträge; des Weiteren mache er sich den Inhalt der bereits mit Schriftsatz vom 4. September 2023 erhobenen Anhörungsrüge im vorliegenden Verfahren zu eigen.

2 Die Beklagte ist der Anhörungsrüge entgegengetreten.

II

3 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig (1.) und im Übrigen unbegründet (2.), sodass auch der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung keinen Erfolg haben kann (3.).

4 1. Soweit der Kläger auf die Begründung seiner mit Schriftsatz vom 4. September 2023 erhobenen Anhörungsrüge Bezug nimmt und sich im vorliegenden Verfahren zu eigen macht, ist sie unzulässig. Diesem Vorbringen fehlt es - wie der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 6 A 5.23 entschieden hat - an den nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 6 VwGO erforderlichen Darlegungen zum Vorliegen einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die angegriffene Entscheidung.

5 2. Im Übrigen, soweit der Kläger im Schriftsatz vom 1. Februar 2024 im Einzelnen die Ablehnung von Beweisanträgen rügt, ist die Anhörungsrüge jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung des Klageverfahrens nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO, da er durch das Urteil des Senats vom 21. August 2023 nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wird. Ausgangspunkt hierfür ist, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags schützt, sondern Art. 103 Abs. 1 GG nur verletzt ist, wenn die Ablehnung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 23. August 2006 - 4 A 1066/06 - juris Rn. 4 m. w. N.).

6 a) Der Kläger sieht sich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, soweit der Senat auf einzelne Tatsachen bzw. Tatsachenkomplexe bezogene Beweisanträge als nicht entscheidungserheblich abgelehnt hat, aber dennoch die unter Beweis gestellten Tatsachen im Urteil berücksichtigt habe. Dies ist indes nicht der Fall.

7 aa) Entgegen den Ausführungen des Klägers hat der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise darauf abgestellt, dass M. C. in den Einrichtungen des Klägers ein islamistisches Weltbild gepredigt habe. Der Senat hat in den Urteilsgründen lediglich festgestellt, dass Herr M. C. in den Einrichtungen des Klägers tätig war, nicht aber, dass er dort auch sein islamistisches Weltbild verbreitet hat. Die Überzeugung des Senats, dass in den Einrichtungen des Klägers ein islamistisches Weltbild verbreitet wird, hat der Senat zum einen auf die jahrelange enge Zusammenarbeit des Klägers mit dem als islamistisch einzuordnenden Prediger M. C. und zum anderen auf die ideologische Ausrichtung des Klägers gestützt, der sich mit den Zielen der genannten völkerverständigungswidrig handelnden Terrororganisationen in Syrien, dem Gazastreifen sowie in Zentral- und Südsomalia einschließlich der Einführung der Scharia identifiziert; diese als völkerverständigungswidrig anzusehende Ideologisierung hat der Senat als Grundlage der Missionierungstätigkeit des Klägers angesehen (Rn. 253 des Urteils). Ob Herr M. C. in den Einrichtungen sein islamistisches Weltbild gepredigt hat, war hiernach für den Senat nicht entscheidungserheblich. Angesichts dessen stellt die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 222, 2. Teil keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar.

8 bb) Die von dem Kläger mit den Beweisanträgen Nr. 167, 216, 218 und 219 unter Beweis gestellten Tatsachen des Fehlens einer Trennung der Geschlechter sowie von Kleidervorschriften innerhalb des Vereins waren für den Senat nicht entscheidungserheblich. Den mit den Beweisanträgen verbundenen Vortrag des Klägers hat der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen, aber als nicht entscheidungserheblich eingestuft und daher diese vier in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. Dies ist unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 - 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 31). Die für seine Auffassung eines islamistischen, gewaltbereiten Weltbildes des Klägers maßgebenden Erwägungen hat der Senat in seinem Urteil dargelegt.

9 cc) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 248 und 249 keine Gehörsverletzung darstellt. Der Senat hat der unter Beweis gestellten Tatsache, dass Herrn K. von einem nicht namentlich genannten Gutachter bescheinigt worden sei, keine politisch- oder jihadistisch-salafistische Ideologie zu vertreten, aus materiellen Gründen am Maßstab der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung maßgeblichen Zeitpunkts (Rn. 64 des Urteils) mangels hinreichender Aussagekraft keine Entscheidungserheblichkeit beigemessen.

10 dd) Ebenso wenig verletzt die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 211 bis 213 den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Die von ihm geltend gemachte Überprüfung des "Home of Taqwa" hat nach dem eigenen Vorbringen erst nach dem Vereinsverbot stattgefunden (Replik S. 71), weshalb es aufgrund der maßgeblichen Sach- und Rechtslage aus materiellen Gründen hierauf nicht ankam.

11 ee) Der Senat hat aus materiellen Gründen den Beweisantrag Nr. 272 als nicht entscheidungserheblich abgelehnt, weil es für das Vorliegen von Verbotsgründen - wie der Kläger selbst einräumt - weder auf die Fremdsprachenkenntnisse der Mutter des Zeugen Sü. Z. noch auf die Feststellung ankam, ob der Zeuge seine Mutter geschlagen hat. Mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin Si. Z. war der Senat ebenso wenig gehalten, die vom Kläger zum Beweis dieser Tatsachen benannte Zeugin zu vernehmen. Denn der Senat hat in seinem Urteil berücksichtigt, dass sich die Aussagen der Zeugin Si. Z. und ihres geschiedenen Ehemannes in Bezug auf die familiären Verhältnisse diametral gegenüberstehen. Er ist aber davon ausgegangen, dass dies die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage nicht berührt, soweit die Aussage den nach materiellem Recht maßgebenden entscheidungserheblichen Sachverhalt der Verwirklichung von Verbotsgründen betrifft (Rn. 175 des Urteils). Der Senat hat damit zu erkennen gegeben, dass er auch im Falle einer Unrichtigkeit dieses Teils der Aussage der Zeugin Si. Z. den entscheidungserheblichen Teil ihrer Aussage für glaubhaft und die Zeugin selbst für glaubwürdig hält. Beides hat der Senat unter Berücksichtigung der von dem Kläger erhobenen Einwände gewürdigt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 2010 - 2 A 4.09 - juris Rn. 2).

12 b) Den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör hat der Senat nicht dadurch verletzt, dass er die Beweisanträge Nr. 34, 120, 123, 165 und 193 wegen Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt hat.

13 Die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 34 findet ihre Stütze in dem Rechtsgedanken des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 StPO. Die beantragte Einholung eines islamwissenschaftlichen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass in dem vom Kläger betriebenen Waisenhaus keine politisch- oder jihadistisch-salafistische Ideologie gelehrt wurde, durfte der Senat als ungeeignet ablehnen, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass für die Erstellung des Gutachtens im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch hinreichend aussagekräftige und weiter ermittelbare Anknüpfungstatsachen zur Verfügung standen.

14 Entsprechendes gilt für die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 193, der im Einzelnen weder die Mitarbeiter noch die behaupteten religiösen Differenzen konkretisiert, die die Grundlage des aus klägerischer Sicht einzuholenden islamwissenschaftlichen Gutachtens bilden sollten. Welche Anknüpfungspunkte für die zu beurteilende Bedrohungslage herangezogen werden sollten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ungeachtet dessen lassen die Ausführungen in der Anhörungsrüge eine Verletzung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise nicht erkennen. Der Senat hat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger sich aufgrund der jeweils festgestellten Indizien mit den Zielen der Terrorgruppen identifiziert. Die bloße Behauptung des Klägers, das Ergebnis der Beweisaufnahme über nicht konkretisierte religiöse Differenzen nicht benannter Mitarbeiter des Klägers zu den Terrorgruppen schlössen seine Identifizierung mit deren Zielen aus, lässt eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung nicht ansatzweise erkennen.

15 Auch in Bezug auf die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 120 und 123 betreffend zwei von dem Ummashop Düsseldorf vertriebene Bücher zeigt der Kläger keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf. Der Senat hat am Maßstab von Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG die in den beiden Büchern enthaltenen Aussagen dahingehend tatrichterlich gewürdigt, dass sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten (Rn. 260 f. des Urteils). Auf die Annahme des Klägers, dass ein islamwissenschaftliches Gutachten die Bücher als nicht verfassungsfeindlich-islamistisch einstufen würde, kommt es hiernach aus materiellen Gründen nicht an. Die Rüge begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs.

16 Die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 165 wegen Ungeeignetheit des Beweismittels verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör schon deshalb nicht, weil die Begründung des Beweisantrags nicht erkennen lässt, dass Herr Cö. die unter Beweis gestellte Aussage des Islampsychologen des Programms "Wegweiser" bestätigen könnte. Soweit der Kläger in seiner Anhörungsrüge ergänzend auf die Begründung seiner Anhörungsrüge zu den Beweisanträgen Nr. 248 und 249 verweist, ist dem entgegen zu halten, dass es auf dessen Aussage nach materiellem Recht am Maßstab des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung maßgeblichen Zeitpunkts (Rn. 64 des Urteils) mangels hinreichender Aussagekraft nicht ankam.

17 c) Der Beweisantrag Nr. 222, 1. Teil war unsubstantiiert und daher vom Senat abzulehnen, da der Kläger keine Anknüpfungstatsachen dafür benannt hat, dass Herr M. C. kein politisch- oder jihadistisch-salafistisches Weltbild innehat. Zudem erweist sich der 1. Teil des Beweisantrags auch deshalb als unsubstantiiert, weil der Kläger das Beweisziel und nicht eine konkrete positive Beweistatsache zu seinem Gegenstand gemacht hat. Denn die substantiiert zu benennende Beweistatsache ist von dem weiteren Beweisgewinn zu unterscheiden, den der Kläger sich von dem beantragten Zeugenbeweis erhofft. Das ist das Beweisziel, zu dem der Tatrichter aufgrund von Schlüssen aus der Beweistatsache möglicherweise gelangen kann. Die Anführung möglicher Schlussfolgerungen aus der Bekundung eines Zeugen ersetzt jedoch nicht die Benennung konkreter Beweistatsachen, denn die Schlussfolgerungen hat das Gericht zu ziehen (BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93 - NJW 1993, 2881).

18 d) Soweit der Kläger sich mit seiner Anhörungsrüge gegen die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 228 und 229 wendet, greift er die Würdigung der von den Beteiligten in das Verfahren eingeführten Unterlagen durch den Senat an und zieht hieraus den Schluss, die von dem Senat angenommene eigene Sachkunde zur detaillierten Bewertung der Lage in Syrien liege nicht vor. Dieses gegen die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgenommene Würdigung des Verfahrensstoffes gerichtete Vorbringen ist nicht geeignet, eine Gehörsverletzung aufzuzeigen.

19 Ungeachtet dessen ist die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 228 und 229 nicht zu beanstanden. Der Senat hat es in Ausübung des ihm gemäß § 98 VwGO i. V. m. § 412 ZPO zustehenden tatrichterlichen Ermessens unter Angabe der Gründe abgelehnt, zu den Herrschaftsverhältnissen der JaN/HTS in Syrien bezogen auf die im Beweisantrag Nr. 228 genannten Gebiete und Zeiträume sowie bezogen auf den Inhalt der Lagekarte der DEZ Idlib zusätzliche Sachverständigengutachten einzuholen, da es aus seiner Sicht zu den Herrschaftsverhältnissen dieser Terrororganisationen bereits ausreichende Behördenerklärungen, Berichte und Auskünfte gab, die der Senat aufgrund eigener Sachkunde insbesondere in der Auswertung von Karten und deren Legenden besitzt (vgl. zum rechtlichen Maßstab: BVerwG, Beschluss vom 24. März 2000 - 9 B 530.99 -‌ Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Die Behauptung des Klägers, die von der Beklagten vorgelegte Lagekarte der DEZ Idlib sei angesichts der von ihm vorgelegten Karte mit Militärstützpunkten, die im Rahmen der Operation Euphrates Shield errichtet worden seien, unvollständig und falsch, betrifft die Würdigung des jeweiligen Karteninhalts. Der Senat hat sich in seinem Urteil (Rn. 152) mit den einzelnen Karten einschließlich der von dem Kläger in dem Beweisantrag Nr. 229 vorgelegten Karte auseinandergesetzt und diese umfassend gewürdigt, sodass eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu erkennen ist.

20 e) Die Ablehnung der jeweils auf die Feststellung von negativen Tatsachen gerichteten Beweisanträge Nr. 235 und 236 ist ebenfalls nicht am Maßstab des rechtlichen Gehörs zu beanstanden. An die Substantiierung eines auf solche Tatsachen gerichteten Beweisantrags sind besondere Anforderungen zu stellen. Ein Beteiligter, der das Nichtvorhandensein von Tatumständen behauptet - ihr Vorliegen also bestreitet –, ist von der Darlegungslast nicht befreit. Vielmehr muss er Tatsachen angeben, aus denen die negative Folgerung abgeleitet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 3 C 32.10 - juris Rn. 52; Beschluss vom 16. Dezember 1992 - 1 B 162.92 - NJW 1993, 1346). Dem hat der Kläger mit den genannten Beweisanträgen nicht Rechnung getragen. Es fehlen Anknüpfungspunkte dafür, dass die benannten Zeugen nicht nur punktuell die bezeichneten Projekte vor Ort betreut haben und - entgegen den in das Verfahren eingeführten Unterlagen (s. dazu Rn. 156 und 228 des Urteils) – einen vollständigen Überblick über die Mittelverwendung hatten. Soweit der Kläger mit der Begründung der Anhörungsrüge die Darlegung etwaiger Anknüpfungstatsachen nachzuholen versucht, kann ihm dies nicht zum Erfolg verhelfen.

21 f) Die Fragen, ob in dem vom Kläger betriebenen Waisenhaus "Home of Taqwa" eine politisch oder jihadistisch-salafistische Ideologie gelehrt wurde (Beweisanträge Nr. 239 Nr. 1 und 240 Nr. 1) und ob Herr M. C. eine politisch- oder jihadistische Ideologie (Beweisantrag Nr. 262) vertritt, betreffen entgegen der Auffassung des Klägers in der Anhörungsrüge den Bereich der tatrichterlichen Würdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hierbei handelt es sich mit Blick auf die Verbotsgründe jeweils um das Beweisziel, nicht um eine Beweistatsache. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör folgt hieraus nicht.

22 Nochmals klarstellend weist der Senat darauf hin, dass entgegen den Ausführungen des Klägers in der Begründung der Anhörungsrüge der Senat seine Überzeugung, in den Einrichtungen des Klägers werde ein islamistisches Weltbild verbreitet, zum einen auf die jahrelange enge Zusammenarbeit des Klägers mit dem als islamistisch einzuordnenden Prediger M. C. und zum anderen auf die ideologische Ausrichtung des Klägers gestützt hat, der sich mit den Zielen der genannten völkerverständigungswidrig handelnden Terrororganisationen in Syrien, dem Gazastreifen sowie in Zentral- und Südsomalia einschließlich der Einführung der Scharia identifiziert (s. o. unter II. 2. a) aa)). Auch hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren die Aussagen des Herrn M. C. als solche nicht in Frage gestellt, sodass der Senat diese seiner tatrichterlichen Würdigung zugrunde legen konnte.

23 g) Soweit der Kläger die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 als Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör ansieht, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen einer Präklusion nicht vorlagen, hat die Anhörungsrüge ebenso wenig Erfolg. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren hinreichend Gelegenheit zur Äußerung und Ankündigung der Stellung von Beweisanträgen wie der Benennung der Zeugen zu den in den Beweisanträgen Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 genannten Tatsachen gehabt; er hat diese prozessuale Möglichkeit schuldhaft nicht genutzt. Er hat vorwerfbar gegen seine Prozessförderungspflicht verstoßen, weshalb die Anwendung des § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO in Bezug auf die beiden Beweisanträge keine Verletzung rechtlichen Gehörs darstellt.

24 aa) Die vom Kläger geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen. Der Kläger hat sich zwar in seiner Begründung der Anhörungsrüge mit der ersten Anordnung des Senats vom 14. Februar 2022 auseinandergesetzt. Es fehlen aber Ausführungen zur weiteren Anordnung nach § 87b Abs. 2 VwGO, die der Senat mit Schreiben vom 28. September 2022 gegenüber dem Kläger erlassen hat. Mit seiner Behauptung, die Anordnung vom 14. Februar 2022 sei unwirksam, weil sie den Anforderungen des § 87b Abs. 1 und 2 VwGO - vor allem der Benennung hinreichend bestimmter Vorgänge - nicht genüge, zeigt er eine Verletzung der Präklusionsvorschrift und damit eine Gehörsverletzung nicht auf. Hierzu hätte es einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Anordnungen des Senats unter Berücksichtigung des jeweiligen Verfahrensstandes bedurft.

25 Die erste Anordnung des Gerichts nach § 87b Abs. 1 und 2 VwGO mit Schreiben vom 14. Februar 2022 erfolgte, nachdem mit der 87-seitigen Klagebegründung 29 Anlagen bzw. Videos im Umfang von ca. 780 Seiten sowie die 338-seitige Klageerwiderung vom 9. Februar 2022 mit weiteren 79 Belegen im Umfang von etwa 430 Seiten von den Beteiligten zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden. Die dem Kläger mit der ersten Anordnung gesetzte Frist bis zum 12. April 2022 hat der Senat mit Schreiben des Gerichts vom 17. März 2022 und vom 25. April 2022 jeweils unter erneuter Berufung auf § 87b Abs. 1 und 2 VwGO und Wiederholung der Belehrung über die Fristversäumnis zuletzt bis zum 17. Juni 2022 verlängert. In beiden Schreiben wurde der Kläger aufgefordert, sämtliche Tatsachen und Beweismittel anzugeben, die nach dessen Auffassung zu berücksichtigen sind, insbesondere diejenigen Tatsachen anzugeben und Beweismittel zu bezeichnen, die gegen sein Verbot und das Vorliegen von Verbotsgründen sprechen. Angesichts des Verfahrensstandes war der Kläger gehalten, insbesondere zu den neu in das Verfahren eingeführten Belegen und dem ergänzenden Vortrag in der Klageerwiderung zu den Verbotsgründen einschließlich der Zurechnung von Verhalten seiner Teilorganisationen Stellung zu nehmen. Auf der Grundlage der ersten gerichtlichen Anordnung ging die Replik des Klägers vom 17. Juni 2022 und die schriftsätzliche Ankündigung der Stellung von 219 Beweisanträgen innerhalb der gesetzten Frist bei Gericht ein, ohne dass der Kläger die in den Beweisanträgen Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 genannten Tatsachen mitsamt den Beweismitteln zum Nachweis für diese Tatsachen bezeichnet hat.

26 Im Anschluss hat der Senat die Beklagte mit Schreiben des Gerichts vom 24. Juni 2022 nach § 87b Abs. 2 VwGO unter Fristsetzung aufgefordert, diejenigen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen usw., die für das Vorliegen der Verbotsgründe bei dem Kläger, insbesondere für die Verschleierung von Finanzströmen, für die Unterstützung der Hamas, Jabhat al Nusra und Al-Shabab durch den Kläger, für die Einordnung des WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e. V. und des Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e. V. als Teilorganisationen des Klägers sowie für die Einordnung der Blck Stone gGmbH als frühere Teilorganisation des Klägers sprechen. Nach einer erfolgten Fristverlängerung hat die Beklagte hierzu mit einem 304-seitigen Schriftsatz vom 16. September 2022 (Duplik) und weiteren 132 Belegen im Umfang von ca. 2745 Seiten (Beweismittel B80 bis B211), Audiodateien (Beweismittel-Audiodateien B1 bis B12) und Videos (Beweismittel-Videodateien B1 bis B4) insbesondere zu den in der gerichtlichen Verfügung bezeichneten Vorgängen Stellung genommen.

27 Hieran anknüpfend hat der Kläger eine weitere Anordnung des Senats nach § 87b Abs. 2 VwGO vom 28. September 2022 einschließlich der Belehrung nach § 87b Abs. 3 VwGO mit einer Frist bis zum 10. November 2022 erhalten, die unter Aufrechterhaltung der Anordnung und Belehrung bis zum 16. November 2022 verlängert worden ist. Der Senat hat mit dieser zweiten Anordnung den Kläger aufgefordert, innerhalb der gesetzten Frist in Bezug auf die Beweismittel B80 bis B211, die Beweismittel-Audiodateien B1 bis B12 und die Beweismittel-Videos B1 bis B4, welche die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. September 2022 in das Verfahren eingeführt hat, sowie auf die damit unter Beweis gestellten Tatsachen gemäß § 87b Abs. 2 VwGO Stellung zu nehmen. Innerhalb der Frist waren sämtliche Tatsachen und Beweismittel anzugeben, die nach Auffassung des Klägers bei der gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich dieser mit Schriftsatz vom 16. September 2022 erstmals eingeführten Beweismittel und Tatsachen berücksichtigt werden mussten. Der Kläger hatte insbesondere diejenigen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen usw., die gegen die Aussagekraft der im Schriftsatz der Beklagten vom 16. September 2022 erstmals eingeführten oben genannten Beweismittel sprachen. Der Kläger hat daraufhin mit seiner Triplik vom 15. November 2022 zu den genannten neuen Beweismitteln und den Ausführungen in der Duplik Stellung genommen, erneut ohne die in den Beweisanträgen Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 genannten Tatsachen mitsamt den Beweismitteln zum Nachweis für diese Tatsachen zu bezeichnen.

28 Mit der letztgenannten Anordnung des Senats nach § 87b Abs. 2 VwGO hat sich der Kläger in seiner Anhörungsrüge nicht auseinandergesetzt, weshalb er mit ihr eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 gemäß § 87b Abs. 3 VwGO nicht ansatzweise darlegt.

29 bb) Ungeachtet der mangelnden Darlegung einer Gehörsverletzung ist auch in der Sache die Ablehnung der Beweisanträge Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 nicht zu beanstanden.

30 aaa) Die vom Gericht ausgesprochenen Fristsetzungen nach § 87b Abs. 1 und 2 VwGO begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Sie erweisen sich angesichts des Umfangs des Prozessstoffes, insbesondere der während des gerichtlichen Verfahrens von der Beklagtenseite neu eingeführten Unterlagen, als notwendig. Die Anordnungen haben der effektiven Verfahrensgestaltung gedient. Dass die Anordnungen aus Sicht des Klägers unwirksam sein sollen, weil sie einige Monate vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung ergangen sind, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der Kläger selbst mit seiner auf die zweite Anordnung bei Gericht eingegangenen Replik die Auffassung vertreten hat, dass das Verfahren ausgeschrieben sei. Im Ergebnis hat der Senat den Kläger wirksam zweimal zur Bezeichnung der für die genannten Vorgänge aus seiner Sicht maßgeblichen Beweisantritte aufgefordert.

31 bbb) Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach der gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (Nr. 1) und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (Nr. 2) sowie über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist (Nr. 3). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und sind erfüllt.

32 Wie bereits dargelegt, hat der Kläger nicht innerhalb der ihm gesetzten Fristen die in den Beweisanträgen Nr. 269 und 273 Nr. 1 bis 5 genannten Tatsachen mitsamt den Beweismitteln zum Nachweis für diese Tatsachen bezeichnet. Er hat es auch versäumt, diese Beweisanträge zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 26. und 27. Juni, 5. Juli sowie 15. August 2023 zu machen, in der er die Beweisanträge Nr. 220 bis 267 gestellt hat. Die wegen Präklusion abgelehnten Beweisanträge hat der Kläger erstmals am letzten Verhandlungstag am 16. August 2023 gestellt und damit weit nach Ablauf der ihm gesetzten Fristen. Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass er in seiner Triplik Herrn Ro. als Vorsitzenden von TEDO benannt hat. Denn dies allein genügt der Aufforderung zum Beweisantritt nicht. Wenn der Kläger meint, es hätte sich dem Senat die Vernehmung des Zeugen Ro. aufdrängen müssen, weshalb sich die Ablehnung des Beweisantrags wegen Präklusion als rechtswidrig erweise, rügt er der Sache nach eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 2 VwGO), welche weder gegeben ist noch eine Gehörsverletzung zu begründen vermag.

33 Eine Zulassung dieser Beweisanträge hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Dies ist offenkundig, da der Senat die aufgrund seines Beweisbeschlusses durchgeführte Beweisaufnahme am 16. August 2023 abgeschlossen hat und die Ladung weiterer Zeugen, insbesondere des mit dem Beweisantrag Nr. 269 benannten Auslandszeugen, mindestens einen weiteren Verhandlungstermin erforderlich gemacht hätte.

34 Die verspätete Stellung der beiden Beweisanträge hat der Kläger nicht hinreichend entschuldigt. Anhaltspunkte, weshalb der Kläger unverschuldet nicht in der Lage war, die Beweisantritte innerhalb der ihm gesetzten Fristen zu bezeichnen, sind nicht ersichtlich und wurden von ihm in der mündlichen Verhandlung auch nicht vorgetragen. Der Kläger wäre ohne Weiteres in der Lage gewesen, innerhalb der Fristen die Beweisantritte zu bezeichnen. Der Kläger hat Herrn Ro. in der Klagebegründung für die nunmehr unter Beweis gestellte Tatsache nicht als Zeugen benannt, obwohl er diese Tatsache, keine Zahlungen an Al-Shabab geleistet zu haben, schon in diesem Schriftsatz behauptet hat. Auch in der Duplik und der Replik bezeichnet der Kläger Herrn Ro. nicht als Beweismittel für diese Tatsache. Herr Ro. wird vom Kläger erstmals auf Seite 7 der Triplik erwähnt, aber nicht als Zeuge angeboten. Vielmehr sollte eine Auskunft der somalischen Regierung zur Person des (...) Ro. über das Auswärtige Amt eingeholt werden zum Beweis des Vortrags, dass Herr Ro. als regierungsnahe Vertrauensperson auch keinesfalls ein Kollaborateur mit Al-Shabab, sondern aufgrund seiner Regierungsnähe ein Feindbild für diese Terrororganisation sei. Damit ist die verspätete Benennung des Zeugen nicht genügend entschuldigt. Gleiches gilt für die Benennung des Zeugen Ke. Z. Der Kläger war mit Blick auf die in das gerichtliche Verfahren eingeführten Inhalte der Protokolle von den Vernehmungen der Zeugin Si. Z. vom 27. Februar sowie 8. und 13. März 2019 gehalten, die gegen ihre Glaubwürdigkeit sprechenden Tatsachen innerhalb der ihm gesetzten Fristen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen. Die dortigen Aussagen haben sich auf deren Kinder und insbesondere auch ausdrücklich auf den benannten Zeugen bezogen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung keine Gesichtspunkte vorgetragen, die seine Verspätung als entschuldigt erscheinen lassen.

35 Da der Senat den Kläger in den Anordnungen nach § 87b Abs. 1 und 2 VwGO jeweils über die Folgen der Fristversäumungen gemäß § 87b Abs. 3 VwGO belehrt hat, begegnet die vom Senat hinreichend begründete Ablehnung der Beweisanträge keinen Bedenken.

36 h) Im Übrigen lassen auch die im Schriftsatz vom 4. September 2023 erhobenen Rügen in der Sache keinen Gehörsverstoß zulasten des Klägers erkennen; der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

37 3. Ist die Anhörungsrüge erfolglos, bleibt für den Antrag des Klägers auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung kein Raum und ist dieser abzulehnen.

38 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.